DFB-Frauen vor WM-Viertelfinale:Gespenstisch, aber hochklassig

Lesezeit: 2 min

  • Montréal interessiert sich mehr für sein Jazz-Festival als für die Frauenfußball-WM. Dabei kommt es zum bisherigen Höhepunkt des Turniers.
  • Die Deutschen treffen auf die Französinnen - und die spielen beeindruckend.

Von Kathrin Steinbichler, Montréal

Als die gute Nachricht eintraf, waren die größten Kontrahentinnen dieser Frauenfußball-Weltmeisterschaft gerade beim Entspannen. Die französische Équipe hatte ebenso wie die deutsche Mannschaft den Montagnachmittag in Montréal frei bekommen und genoss vom Mont Royal aus den Blick über die Millionenstadt am Sankt-Lorenz-Strom. Die Deutschen wiederum hatten in Gruppen die Altstadt und das Centre-Ville erkundet und sich anschließend in einem Lokal zum Essen getroffen.

"Es ist bei so einem Turnier wichtig, auch mal für einen Moment abzuschalten und den Kopf frei zu bekommen", erklärte Stürmerin Célia Sasic, die als Halbfranzösin im frankophonen Montréal eine gefragte Dolmetscherin ist. Doch genau in diesem Moment, in dem die Köpfe einmal nicht an Fußball denken sollten, drang dann die etwas unerwartete Neuigkeit von der vorzeitigen Olympiaqualifikation.

Bundestrainerin Neid macht bis Rio weiter

England, das als Fußballverband nicht für Olympia startberechtigt ist, hat am Montag im Achtelfinale das favorisierte Norwegen mit einem 2:1 aus dem Turnier geworfen. Die Frauen des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) gehören damit zusammen mit ihrem nächsten Gegner Frankreich schon sicher zu den besten drei europäischen WM-Mannschaften, die sich für die Sommerspiele 2016 in Rio qualifizieren.

Nach der verpassten Olympiateilnahme 2012 ist damit der größte Druck von der Mannschaft genommen: "Wir freuen uns sehr, dass dieses Etappenziel erreicht ist. Allerdings verlieren wir deshalb unseren Titeltraum und die Konzentration auf das Viertelfinale gegen Frankreich nicht aus den Augen", sagte DFB-Managerin Doris Fitschen. Womit die freie Zeit für den Kopf auch wieder beendet war.

Auch Bundestrainerin Silvia Neid wird nun weiter die Zukunft der Mannschaft planen, die sie jetzt noch nach Brasilien führt, bevor sie anschließend ihren Posten an Nachfolgerin Steffi Jones abgibt. Auch die frühere Nationalspielerin und bisherige DFB-Direktorin dürfte erleichtert sein: Ihr verbleibt so mehr Zeit für die Vorbereitung auf ihre neue Aufgabe. Das Viertelfinale gegen Frankreich wird Jones allerdings nicht live im Stadion verfolgen: Die 42-Jährige will erst zu den Halbfinalspielen nach Kanada reisen und sich weiter im Hintergrund halten, wie es vom DFB hieß.

Für die deutsche Mannschaft sind damit die Ungewissheiten beseitigt, mit denen sie in die WM gestartet ist. Umso befreiter geht es nun am Freitag (22 Uhr/ZDF und Eurosport) gegen Frankreich um den Einzug ins WM-Halbfinale. Das Duell der derzeit führenden europäischen Mannschaften gilt wegen der bislang gezeigten Klasse beider Teams als eine Art vorweg genommenes Finale.

Die Olympiaqualifikation sei daher "eine sehr gute Nachricht für uns", meinte Frankreichs Trainer Philippe Bergeroo, aber der frühere Nationaltorhüter legte diese Randnotiz sogleich zu den Akten: "Wir konzentrieren uns sofort auf unserer Viertelfinale gegen Deutschland."

Konzentration wird am Freitag auch nötig sein. Auch zu den Deutschen hat sich bereits herumgesprochen, dass die Atmosphäre im alten Olympiastadion von Montréal etwas gewöhnungsbedürftig ist: In The Big O, wie das Oval mit dem geschlossenen Dach genannt wird, will bei dieser WM keine Stimmung entstehen. In dem Stadion, das für die Olympischen Spiele 1976 erbaut wurde, ist der Oberrang wegen altersbedingter Baumängel geschlossen, das nur selten noch für Sportveranstaltungen genutzte Areal wirkt etwas gespenstisch.

Montréal interessiert sich derzeit auch mehr für sein berühmtes Jazz-Festival, das an diesem Freitag eröffnet wird. Der deutschen Elf aber ist das in diesen Tagen "ziemlich egal", sagt Sasic, "wir achten auf das, was wir beeinflussen können".

Mit der Einstellung haben sich die Spielerinnen bereits jetzt jeweils 30 000 Euro an Prämien gesichert: 20 000 Euro schüttet der DFB für das Erreichen des Viertelfinales aus, dazu jetzt 10 000 für Olympia. Im Fall des WM-Siegs gäbe es 65 000 Euro pro Kopf. Da kann man schon mal Essen gehen.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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