Frauen-WM: Birgit Prinz:Wie unbeholfene Kleingärtner

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Der Birgit geht es schlecht, die Birgit ist mental nicht fit: Silvia Neid hat den "Fall Prinz" ungeschickt, wenn nicht fahrlässig moderiert. Auch der DFB muss sich vorwerfen lassen, dass seine Krisenkommunikation versagt hat. Die Debatte zeigt die Reflexe einer aufgeregten Medienrepublik.

Claudio Catuogno

Man weiß nicht genau, was zuerst da war: die Angst der Rekord-Fußballerin Birgit Prinz, nicht mehr Fußball spielen zu können, oder die öffentliche Debatte darüber. Es ist aber auch unerheblich. Weil die Schadensbilanz die Frage nach dem Unfallhergang längst überlagert. Der Birgit-Prinz-Sturm, der seit Tagen durchs Land fegt, hat die Stürmerin Birgit Prinz erfasst, das ist die Diagnose. Und die Empörung, mit der die deutschen Fußballerinnen auf die Schockstarre ihrer Anführerin reagieren, birgt die Gefahr, dass sie beginnen, jenes Land zu verfluchen, das sie gerade fähnchenschwenkend ins Herz schließt.

Bundestrainerin Silvia Neid (rechts) mit ihrer im Formtief befindlichen Kapitänin: Der Birgit-Prinz-Sturm hat die Stürmerin erfasst. (Foto: Getty Images)

Der "Fall Prinz", wie er schon genannt wird, ist - auch, aber nicht ausschließlich - ein Lehrstück über die Reflexe einer aufgeregten Medienrepublik. Nachrichtenagenturen müssen ihre Meldungen verkaufen, da schadet es nicht, wenn von "Demontagen" und "Tragödien" die Rede ist, bald ist die Geschichte in den Tagesthemen, und wenn die Tagesthemen darüber berichten, ist das Thema dann nicht so bedeutungsschwer, dass man am nächsten Tag...?

Es ist eine sich selbst speisende Spirale, an der sich einige voyeuristisch, andere analytisch beteiligen, aber es drehen viele daran mit. Das kann auch mal "unfair" werden, da hat Birgit Prinz recht. Aber es sind die Regeln jener Bühne, die der Frauenfußball gerade mit Kalkül selbst gestürmt hat, und auf der er auch in Zukunft seinen Platz beansprucht.

Nun werfen sich also ihre Mitspielerinnen für Prinz in die Bresche. Das zeigt, dass dieser Spruch, wonach man gemeinsam gewinnt und verliert, bei den Frauen noch keine Floskelei ist. Michael Ballack war vor seiner Versetzung aus der Nationalelf nur noch auf dem Papier deren Kopf. Bei Birgit Prinz ist das Gegenteil der Fall.

Man könnte nun an jene beachtliche Pressekonferenz zurückdenken, wenige Tage, nachdem Oliver Kahn seinen Platz im WM-Tor 2006 an Jens Lehmann verlor. An Kahns leidenschaftliches Plädoyer für den Vorrang des Teamprinzips über persönlichen Ehrgeiz. Und daran, wie dieser unerwartete Auftritt die Stimmung im Land verändert hat. Birgit Prinz hat das Teamprinzip immer vorgelebt. Aber sie redet nicht gerne darüber, sie hat die Bühne, auf der ihr Fall verhandelt wird, nie gesucht. Sie ist deshalb abhängig von der Art und Weise, wie andere über sie sprechen.

Auf die Bundestrainerin kann sich Prinz derzeit dabei nicht verlassen. Silvia Neid hat den "Fall Prinz" bisher ungeschickt, wenn nicht fahrlässig moderiert. Erst hat sie die Debatten laufen lassen, sie sogar befeuert mit Hinweisen auf die Halbwertszeit aller Verdienste. Dann hat sie die Gespräche mit ihrer Patientin in großer Runde ausgeplaudert. Der Birgit geht es schlecht. Die Birgit hat selbst gesagt, dass sie mental nicht in der Lage ist zu spielen.

Es mag eine authentische Note haben, dass Neid so plaudert, mit Blick auf die Folgen ist es unprofessionell. Auch der DFB wirkt hier seltsam körperlos, er ist so damit beschäftigt, gute WM-Nachrichten ins Land zu rufen, dass seine Krisenkommunikation versagt. Dass gerade eine Weltkarriere zu Ende geht, die einen WM-Hype wie diesen erst möglich gemacht hat, geht im laufenden Betrieb unter.

Es ist nicht unmöglich, eine sich verselbstständigende Debatte wieder einzufangen, man bräuchte Problembewusstsein, kommunikatives Geschick und ein authentisches Signal. Aber beim DFB wirken sie in dieser Sache wie unbeholfene Kleingärtner, die das Geräusch eines Häckslers nicht ertragen, während sie selbst die Äste hineinstopfen.

Anmerkung der Redaktion: Die Überschrift einer früheren Version des Artikel lautete "Der DFB zerhäckselt eine Weltkarriere". Die Überschrift war leicht irreführend und wir haben sie verändert.

© SZ vom 07.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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