Frauen-WM 2011: Erster Spieltag:Am Ende nur noch Mitleid

Die Mannschaft aus Äquatorialguinea steht stellvertretend für die Außenseiter des WM-Turniers: Sie spielen überraschend gut, bringen den Favoriten ins Wanken - doch Torschuss scheint niemand geübt zu haben.

Jürgen Schmieder, Augsburg

Es dürfte so zwischen der 60. und 70. Spielminute gewesen sein, da hatten die Zuschauer im Augsburger WM-Stadion nur noch Mitleid mit dieser Genoveva Añonma. Zuvor war es Entsetzen gewesen, was die Besucher gespürt hatten, vielleicht auch ein wenig Häme, aber am Ende tat sie einem nur leid, diese Frau mit den neongrünen Rastalocken und den neongrünen Fußballschuhen.

Frauen-WM 2011: Erster Spieltag: Verzweiflung: Ein Fan von Äquatorialguinea kann es nicht fassen. Seine Elf vergibt die schönsten Chancen.

Verzweiflung: Ein Fan von Äquatorialguinea kann es nicht fassen. Seine Elf vergibt die schönsten Chancen.

(Foto: AP)

13 Mal schoss die Mittelfeldspielerin von Äquatorialguinea gegen Norwegen auf das gegnerische Tor. Sie traf beinahe alles in der Augsburger Arena - Zuschauer, Mitspielerinnen, Werbebanden, Gegnerinnen, Fotografen. Nur ins Tor traf sie nicht, und weil der Norwegerin Emilie Haavi mit nur einem Schuss ein Treffer gelang, gewann Norwegen am Ende mit 1:0.

Die Partie zwischen Norwegen und Äquatorialguinea steht stellvertretend für den ersten Spieltag dieser Frauen-WM: Der sympathische Außenseiter bringt den pomadigen Favoriten durch keckes Auftreten in Verlegenheit - und verliert am Ende doch. Kanada mühte sich redlich gegen Deutschland - und verlor. Neuseeland und Nordkorea wehrten sich tapfer gegen Japan und die USA. Kolumbien, Australien und eben Äquatorialguinea hatten zahlreiche Gelegenheiten - alle unterlagen letztlich knapp.

"Es sind Details, die Fußballspiele am Ende entscheiden", sagte Äquatorialguineas Trainer Marcelo Frigerio, "Sie dürfen nicht vergessen, dass wir zum ersten Mal bei einer WM dabei sind. Es ist doch selbstverständlich, dass meine Spielerinnen nervös sind." Natürlich habe seine Mannschaft an diesem Tag vier Tore schießen können, nur sei das eben nicht gelungen. "Aber wir haben gezeigt, dass wir auf Augenhöhe sind."

In der Tat hatte kaum jemand damit gerechnet, dass seine Mannschaft mithalten könnte mit Norwegen, das immerhin als Favorit auf den Titel gilt, wenn es neben der deutschen Elf überhaupt Favoriten geben darf bei diesem Turnier. Im Frauenfußball, da gibt es nämlich noch sogenannte kleine Mannschaften. Und Äquatorialguinea, auf Platz 61 der Weltrangliste, gehört zu diesen Kleinen.

Kaum jemand wusste, wer diese Äquatorialguineerinnen überhaupt sind. Der Trainer versteckte seine Elf, so gut es eben ging. "Sie müssen das entschuldigen", sagte er. "Es ist eine kleine Chance für dieses kleine Land, wenn die Gegner nicht allzu viel über uns wissen."

Anonma: Von Jena nach Potsdam

Und so wunderten sich die Zuschauer, dass sich die äquatorialguineische Elf nach dem Schreckmoment in der zweiten Minute - eine Norwegerin hatte den Ball an den Pfosten geprügelt - nicht in Schockstarre verfiel. Sondern munter mitmachte bei dieser Partie, sich Chancen erspielte und nach 20 Spielminuten für Nervosität bei den Norwegerinnen sorgte. Gab es zu Beginn noch "Norwegen"-Rufe von den zahlreichen Schulkindern im Stadion, gab es danach Aufschreie, weil die Afrikanerinnen wieder einmal einen gefährlichen Konter spielten.

Es war vor allem die in Deutschland tätige (bislang für Jena, bald für Potsdam) Genoveva Añonma, die Aufsehen erregte. Sie berührte jeden Grashalm auf dem Spielfeld mindestens ein Mal, dribbelte immer wieder gekonnt um ihre Gegnerinnen herum - und schoss fast aus jeder Lage aufs Tor, notfalls auch einmal aus 40 Metern. "Sie hat sehr gute Momente gehabt, war allerdings nicht konstant genug. Sie kann sich noch steigern", sagte ihr Trainer Frigerio nach der Partie und verpackte seinen Ärger über die vergebenen Torchancen in warme Worte.

Dass diese Partie unterhaltsam war, lag indes nicht nur an der kessen Spielweise der Afrikanerinnen oder dem pomadigen Auftritt der Norwegerinnen, über den Trainerin Eli Landsem hinterher urteilte: "Drei Punkte, mehr Positives habe nicht erkennen können." Es lag vor allem an der Tatsache, dass ein Fußballspiel dann spektakulär ist, wenn viele Fehler gemacht werden.

Und Fehler gab es zuhauf. Insgesamt geizt die WM bislang nicht mit Fehlverhalten: Eine Torfrau wirft den Ball zu einer Gegenspielerin. Eine Abwehrspielerin lässt sich den Ball wenige Meter vor dem eigenen Tor abluchsen. Unter eine Flanke segeln Torfrau und vier Mitspielerinnen einfach hindurch. Der Versuch, den Ball zu stoppen, könnte auch als Torschuss interpretiert werden.

Vor allem aber verblüfft und erschreckt der Umgang mit Torchancen. Fünf Mal kam eine norwegische Spielerin im Fünfmeterraum frei zum Schuss oder Kopfball, nicht einmal musste die äquatorialguineische Torfrau Miriam Silvia de Paixao eingreifen.

Freilich, die Norwegerinnen trafen während der 90 Minuten drei Mal den Pfosten - es war also auch Pech im Spiel. Das 1:0 für die Europäerinnen hätte schon zu Beginn des Spiels fallen können, nach zehn Minuten oder auch kurz vor der Pause - er fiel eben erst kurz vor dem Ende der Partie. Auch Deutschland vergab gegen Kanada unzählige Chancen, weshalb diese Partie bis zum Ende spannend blieb. Ähnlich erging es Schweden gegen Kolumbien und Brasilien gegen Australien.

So durfte sich die äquatorialguineische Mannschaft feiern lassen für ihren mutigen Auftritt, Genoveva Añonma lächelte auf der Ehrenrunde trotz der Niederlage. Trainer Frigerio hatte nach der Partie bereits markige Worte parat. "Wir werden die Gruppe überstehen, denn auch gegen die anderen werden wir unsere Chancen haben", sagte er.

Der erste Spieltag bei dieser Frauen-WM verdeutlicht jedoch: Ja, die sogenannten kleinen Nationen sorgen für Aufsehen, sie präsentieren sich frech und frisch und gestalten die Partien interessant, spektakulär und spannend. Erfolgreich aber sind die Etablierten.

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