Süddeutsche Zeitung

Frauen-WM 2011: Einnahmen:Spielerinnen warten auf Gehaltserhöhungen

Nach Expertenmeinung verdienen die Fußballfrauen ein Zehntel dessen, was die Männer bekommen. Das wird sich ändern. Durch die WM im eigenen Land können die deutschen Spielerinnen mit deutlich höheren Bezügen rechnen.

Simone Boehringer

Erfolg ist immer steigerbar: 2006 gab es das Sommermärchen in Deutschland mit den Fußball-Herren, die Dritter wurden. 2007 dann das Wintermärchen mit den Handball-Herren im eigenen Land, die sogar Weltmeister wurden. Nun wartet die Sportwelt gespannt auf eine neue märchenhafte Inszenierung: Die deutsche Frauen-Fußballnationalmannschaft will nach 2003 und 2007 den WM-Titel zum dritten Mal in Folge gewinnen.

Sportlich gesehen wäre ein solcher Hattrick ein Superlativ. Ökonomisch können die Damen allerdings längst noch nicht mit den Herren mithalten. Doch das wird sich nach der Weltmeisterschaft ändern, prognostizieren Branchenexperten.

Am deutlichsten zeigt sich der Unterschied bei den Gehältern: Sind bei den Topspielern der Männer Millionengagen üblich, verdienen "die besten 25 Frauen im deutschen Fußball durchschnittlich rund 4000 Euro im Monat", weiß Josef Hackforth, Direktor für Sportkommunikation an der Munich Business School. "Das große Geld kommt mit dem Fernsehen. Und zwar erst, wenn das Fernsehen dauerhaft die Spitzenspiele der ersten Liga überträgt", sagt Hartmut Zastrow, Vorstand des Sportbusiness-Beraters Sport+Markt in Köln.

Immerhin: Zum ersten Mal werden bei der am kommenden Sonntag startenden Frauen-WM alle Spiele übertragen. Zuvor gab es Live-Bilder immer nur von Finals und Spitzenduellen. Ob und wie sich das rechnet, hängt stark von deutschen Erfolgen ab. Beim Finale 2007 gegen Brasilien in China verfolgten in Deutschland mehr als neun Millionen Zuschauer den Erfolg der Fußball-Frauen im traditionellen schwarz-weißen Dress im ZDF.

Beim Endspiel vier Jahre zuvor in den Vereinigten Staaten gegen Schweden hatten sogar mehr als zehn Millionen die ARD-Live-Übertragung eingeschaltet. So hohe Quoten gibt es bei Herren-Fußballweltmeisterschaften an vielen Spieltagen, meint Sportmarketing-Professor Hackforth. Folglich lägen die Werbe-Einnahmen bei den Männern auch deutlich höher als bei den Frauen.

"Man kann praktisch alles, was bei der Männer-WM gezahlt wurde, durch zehn teilen. Dann hat man in etwa die Entgelte und Werbe-Einnahmen der Fußballerinnen", rechnet Zastrow nüchtern vor. Den Vergleich des Damen- mit dem Herrenfußball findet er aber wie die meisten Fachleute zu kurz gegriffen: Zum einen sei die Zielgruppe für Frauenfußball eine ganz andere und damit auch das Preismodell, so Zastrow. "Die Frauen-WM spricht eher ganze Familien an als den klassischen männlichen Fußball-Fan. Es gibt entsprechend familienfreundliche Preise, die Schulen und jüngere Leute animieren sollen, ins Stadion zu gehen."

Es gibt einfache Tickets für nicht mal zehn Euro, bessere für 35 Euro, während Fans bei den Männern 2006 schon 80, 90 Euro Minimum zahlen mussten. Und das Geschäft mit den VIP-Tickets für mehr als 1000 Euro vor fünf Jahren ging in die Millionen. Zum anderen sei auch die Professionalisierung der Sportart in Deutschland noch nicht so lange her. Am ehesten sei die Damen-WM vom ökonomischen Rahmen vergleichbar mit einer Basketball-WM der Herren, so Zastrow.

Was die Zukunft angeht, ist Marketing-Direktor Hackforth allerdings sehr optimistisch: "Medial und finanziell hat Frauenfußball hierzulande noch nie solch eine Unterstützung bekommen. Auch die sechs nationalen Sponsoren sind oberste Liga. Das alles wird die Verdienstmöglichkeiten erheblich verbessern."

Einen kleinen Vorgeschmack bekommen die Damen bereits im Falle eines Titelgewinns. Dann will der Deutsche Fußballbund wenigstens 60.000 Euro pro Spielerin zahlen, wie DFB-Präsident Theo Zwanziger im Februar ankündigte. Eine Erfolgsbeteiligung an den Sponsoring-Einnahmen gibt es obendrauf. Die Männer hätten im Erfolgsfall 2006 bei der Heim-WM 300.000 Euro bekommen, also das Fünffache und nicht mehr das Zehnfache, wie Sport+Markt im Schnitt für die meisten anderen Erwerbsquellen der Sportler unterstellt.

Die Fußball-Frauen sind in den letzten Wochen und Tagen vor dem Anpfiff medial präsent. Ob im Playboy oder der Bild-Zeitung, in Tagesmedien oder dem Fernsehen, werben die Profi-Kickerinnen um Bundestrainerin Silvia Neid und Spielführerin Birgit Prinz für sich und die Produkte der sechs nationalen WM-Förderer: Allianz, Deutsche Bahn, Deutsche Post und Telekom, Mercedes und Rewe, jeder von ihnen hat wenigstens vier Millionen Euro gezahlt, um mit sogenannten Testimonials, also Kronzeugen aus der Damen-Elf für ihr Image und ihre Produkte zu werben.

Hinzu kommen Werbeauftritte mit Adidas, einem der fünf Großsponsoren des Turnierveranstalters Fifa, der zudem einen Teil des DFB-Kaders einzeln unter Vertrag hat. Spielerinnen wie Mittelfeldfrau Fatmire Bajramaj oder Birgit Prinz haben ähnlich wie die Topspieler bei den Männern mehrere Einzel-Werbeverträge laufen, die ihre Gehälter deutlich aufbessern dürften. Insgesamt zählt Sport+Markt-Vorstand Zastrow bislang immerhin etwa 50 Werber rund um die WM gegenüber 500 bei der Herren-Heim-WM 2006.

Die im heutigen Kosovo geborene 23-jährige Bajramaj hat Brancheninsidern zufolge durch ihren Wechsel von Turbine Potsdam zum 1. FFC Frankfurt ihre Bezüge inklusive der Werbeeinnahmen auf ein knapp sechsstelliges Niveau gehoben, etwa ein Viertel dessen, was nach Expertenschätzungen die mehrfache Weltfußballerin des Jahres, die Brasilianerin Marta Vieira da Silva verdient.

Den direkten Leistungsvergleich zwischen Bajramaj und der zwei Jahre älteren Marta kann es aber frühestens im Halbfinale geben. Bis dahin sind noch knapp drei Wochen Zeit. Ganz klar: Je länger die Deutschen im Turnier sind, desto besser können sie die Zeit nutzen, ihren Marktwert zu erhöhen.

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Quelle:
SZ vom 20.06.2011
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