Frauen-WM 2011: Elf des Turniers:Die fabelhafte Elf der Männer

Nach langen, schweißtreibenden, aber immer interessanten Diskussionen haben die männlichen Mitarbeiter der Sportredaktion beschlossen, die schönsten, schrägsten, geheimnisvollsten, einfach: die besten Frauen der WM zu küren - nach einem Kriterienkatalog, den man lieber nicht so genau kennen mag. Mit Abstimmung.

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Wer erinnert sich noch an die Strickjacke von Jogi Löw? Wer an den wilden Bart von Genaro Gattuso? Ist der südamerikansiche Torwart Itumeleng Khune noch ein Begriff? All dies geschah im Sommer 2010 an gleicher Stelle, als Mitarbeiterinnen dieser Zeitung die schönsten, schrägsten, geheimnisvollsten, einfach: die besten Männer der Fußball-WM in Südafrika vorstellten - gekürt in geheimer, völlig willkürlicher Wahl, nach einem skandalös intransparenten Kriterienkatalog. Nach langen, schweißtreibenden, aber immer interessanten Diskussionen haben die männlichen Mitarbeiter der Sportredaktion beschlossen, nun auch die schönsten, schrägsten, geheimnisvollsten, einfach: die besten Frauen der aktuellen Frauen-WM zu küren - nach einem Kriterienkatalog, den man lieber nicht so genau kennen mag.

Frauen-WM 2011: Elf des Turniers

Hope Solo

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Diese Frau braucht kein Wellness-Wochenende. Man darf ihr keine Gesichtsmassage schenken, für eine Anti-Aging-Kur würde sie einen verachten. Nicht mal mit einer Solegrotte inkl. Lichteffekte (Schnäppchenangebot) kann man bei ihr landen. Hope Solo ist pur. Sie ist die Tochter eines Vietnam-Veteranen, der jahrelang in einem Zelt in den Wäldern von Seattle hauste. Hope Solo ist eine Frau, mit der man Mustangs stehlen kann. Mit Hope Solo möchte man in den Wäldern von Seattle hausen, sie würde wilde Tiere jagen, wilde Tiere fangen, wilde Tiere am Feuer braten. Beim Kauen könnte man ihre schönen Wangenknochen betrachten. Sie hat Augen, in denen sich die Wildnis spiegelt. Mit Hope Solo müsste man keine Angst im Wald haben, Feinde würde sie abwehren wie einen lächerlichen Elfmeter der lächerlichen Brasilianerinnen. Hope Solo ist die beste Torhüterin der Welt. Die Weltmeisterschaft ist vorbei, sie verlässt uns jetzt, ob wir sie irgendwo mal wieder treffen? Die Hoffnung stirbt zuletzt, Hope. Heilige Indianerin, nimm' uns mit in dein Zelt! Christof Kneer

Frauen-WM 2011: Elf des Turniers

Faye White

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"Mein Herz kann viel ertragen, aber manchmal wächst Regen zu einem Wasserfall an. Doch die schönsten Dinge entstehen aus der dunkelsten Nacht. Auch wenn deine Flügel gebrochen sind, findest du einen Weg, mit ihnen zu fliegen." So singt es der R&B-Sänger Taio Cruz - und er traf Faye White damit mitten ins Herz. "Habe Taio Cruz 'Yes, I can be' gehört nach dem Spiel. Songtexte können so kraftvoll sein", schrieb White auf der Webseite Twitter nach dem Aus der Engländerinnen im Viertelfinale. Sie, die 33-jährige Spielführerin, hatte in ihrem letzten Länderspiel den letzten Ball im Elfmeterschießen versiebt, in bester englischer Tradition (WM 1990, EM '96, WM '98, WM '2006). Die Trainerin warf der Elf danach Feigheit vor: "Dreimal musste ich fragen, wer einen Elfmeter schießt, keine traute sich." Weil alle wussten, was kommt: Tränen und Spott. In die Stille der Angst hinein sagte Faye White: "Ich schieße!" Und der Regen wurde zum Wasserfall. Marc Baumann

Frauen-WM 2011: Elf des Turniers

Bruna

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Bruna ist ein Albtraum. Gibt es ein schöneres Kompliment für eine Wadlbeißerin wie sie? Der alte Schwarzenbeck muss geheult haben vor Glück, als er sah, wie Bruna seine vergessene Kunst wiederbelebte. Bruna war die Vorstopperin dieser WM. Sie war Martas Schatten bei Äquatorialguinea - Brasilien. Sie folgte Marta überallhin, sie wäre ihr auch in die Kabine gefolgt oder über die sieben Berge zu den sieben Zwergen. Am Schluss senste Bruna Marta einfach um. Elfmeter, 0:3. Bruna: Göttin der Holzklasse, Lichtgestalt äquatorialguineischer Einbürgerungskultur (sie kommt aus Brasilien). Bruna Amarante da Silva gibt dem hässlichen Spiel einen wunderschönen Namen. Und ihr Handspiel ist erlesen. Wie sie gegen Australien diesen Pfostenabpraller auffing. Wie sie mit dem Ball in Händen durch den Strafraum spazierte, um ihn dann verstohlen hinter den Rücken fallen zu lassen. Jede wäre dabei ertappt worden. Nur Bruna nicht. Die herrliche Bruna. Thomas Hahn

Frauen-WM 2011: Elf des Turniers

Babett Peter

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"Round Table" mit Babett Peter. Sechs Journalisten, alles Männer - und sie. Strenger Pferdeschwanz, Reißverschluss bis zum Kinn. Einer fragt: Macht Ihnen das Spaß, Interviews? Darauf sie: "Ich verstehe, dass es dazugehört, kann mir aber Schöneres vorstellen." Lächeln: "Ist so. Sorry." Typisch Babett Peter. Die Frau will entdeckt werden! Die Werbewirtschaft hat die Chance verstreichen lassen, vielleicht, weil ein Teil von Babett Peters Gesichtspartie gelähmt ist, eine Nervenkrankheit (in der Werbewirtschaft sind viele Ignoranten unterwegs). Aber was für eine Entdeckung waren ihre Flanken? Flanke Peter, Tor Garefrekes - das war im Grunde das komplette deutsche Offensivkonzept. Dass sie auch als Außenverteidigerin geglänzt hat: geschenkt! Es geht hier um ihre Flanken. Sie habe sich viel von Philipp Lahm abgeschaut, verriet sie in dem Gespräch. Wie man von der Grundlinie flankt, das sollte sich Lahm von Babett Peter abschauen. Ist so. Sorry. Claudio Catuogno

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Simone Laudehr

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Diese Füße. Diese Grazie. Diese grazilen Füße. Es war ein Schmachten, ein Sehnen. Nach jenem erlösenden Moment, in dem Simone Laudehr sich mit der Leichtigkeit einer Primaballerina um die eigene Achse dreht. Wenn richtig gezählt wurde, so hat Simone zweimal auf dem Ball getanzt - gegen Kanada, gegen Nigeria. Fußsohle drauf, Fußsohle zurückziehen, tipptapp, linker Fuß, rechter Fuß, Drehung um 270 oder 360 Grad - so schnell, so schön, in Worten nicht zu beschreiben. Natürlich trägt dieser phänomenale Trick den Namen eines Mannes, er ist bekannt als Zidane-Pirouette, der Franzose sagt: La roulette de Zidane! Oft hat man während der WM irre Dinge geträumt: Von Männern, die Mertesacker oder Maik Franz heißen und sich beim Laudehr-Roulette die Beine verdrehen, bis der Arzt kommt. Aber auch von einer Glücksfee, die Simone heißt, und die endlich, endlich das bescheuerte Problem im defensiven Mittelfeld von Borussia Mönchengladbach löst. Klaus Hoeltzenbein

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Louisa Necib

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Wer nach Alltagsfotos von Louisa Necib sucht, der stößt rasch auf Schauerliches. Mal sieht die Französin mit algerischem Hintergrund aus wie eine wirre Dschungelkämpferin, mal provoziert sie die Frage, wer ihr diese perückenartigen Frisuren (blond, struppig schwarz oder gar rotbräunlich) verpasst. Meistens erweckt Necib den Eindruck, als wolle sie bloß nicht zu hübsch sein. Aber dann beginnt das Spiel, und ihr Äußeres wird genauso nebensächlich wie die Frage, ob ihre nun streng bezopften Haare schön liegen. Sie dribbelt mit Zug zum Tor und spielt Pässe mit einer Übersicht und Präzision, die an einen glatzköpfigen Franzosen mit algerischen Wurzeln erinnern. Was sie unterscheidet, ist ihr Temperament: Zidane konnte jähzornig und gemein sein; Necib, 24, wirkte (wenigstens bei dieser WM) höchstens melancholisch mit einem fotogenen Lidstrich. Dennoch: Dass Louisa Necib auf dem Fußballplatz so gut aussieht, hat in erster Linie mit ihrem Spiel zu tun. Milan Pavlovic

Frauen-WM 2011: Elf des Turniers

Homare Sawa

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(Foto: dpa)

Als Homare Sawa Ende 1993 ihr erstes Länderspiel für Japan machte, da lief für Deutschland eine gewisse Silvia Neid auf. Und eine gewisse Steffi Jones kam etwas später dazu. Neid und Jones sitzen heute im Hosenanzug auf der Trainerbank bzw. im OK-Hubschrauber. Wer schon mal in den Genuss kam, Sawas unendliche Freundlichkeit aus der Nähe zu erleben, würde ihr jeden Trainerposten und jedes Flugobjekt anvertrauen. Sawa aber lenkt bis heute das japanische Mittelfeld. Sie ist mit 32 Jahren die modernste und torgefährlichste Lenkerin dieser WM. Hätte Michael Ballack im Leverkusener Stadion ein ähnliches Kopfballtor erzielt wie Sawa beim 4:0 gegen Mexiko, wäre von einem Abschiedsspiel nie die Rede gewesen. So leichtfüßig verteilt sie die Bälle, dass man an den spanischen Kurzpass-Roboter Xavi denkt. Wobei Sawa viel variabler ist. Vor dem 0:1 im Halbfinale gegen Schweden zeigte sich, dass sie anders als Xavi sogar Fehlpässe im Repertoire hat. Boris Herrmann

Frauen-WM 2011: Elf des Turniers

Lotta Schelin

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(Foto: dapd)

Linker Fuß nach vorne, rechter Fuß nach vorne. Hüfte nach hinten, Hüfte nach vorne. Rechte Hand nach oben, halbe Drehung nach hinten. Linke Hand nach oben, halbe Drehung nach vorne. So funktioniert der Logobitombo, der Jubeltanz der schwedischen Fußballerinnen, Lotta Schelin hat ihn ihren Kolleginnen vor der WM beigebracht. Bis zum Halbfinale durften sie tanzen und auch nach dem Spiel um Platz drei. Die schwedische Stürmerin war so, wie diese Frauen-WM sein wollte: sportlich herausragend, abseits des Platzes charmant. Sie kam wie eine erwachsene Version von Pippi Langstrumpf daher - frech und freundlich. Fußballerisch erinnerte Schelin an Zlatan Ibrahimovic, den männlichen Fußballhelden Schwedens, der den Ball auch lieber streichelt als darauf einzuprügeln und Gegner gerne mit Kreislaufbeschwerden zurücklässt. Lotta Schelin ist deshalb der einzige Mensch weltweit, der unbelächelt rosa Fußballschuhe tragen darf. Jürgen Schmieder

Frauen-WM 2011: Elf des Turniers

Ri Ye Gyong

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(Foto: dpa)

Der Auftritt der Nordkoreanerinnen war traurig, die Spielerinnen waren traurig, doch Ri Ye Gyong war die traurigste von allen. Mit großen, leeren Augen schlich sie über den Rasen, so bedröppelt, so enttäuscht. Würden Nordkoreanerinnen weinen, Ri Ye Gyong hätte in diesem Moment geweint. Sie wollten Weltmeister werden, doch Nordkorea schoss in drei Spielen nicht ein Tor. Dabei war keine so dicht dran wie Ri Ye Gyong. Gegen die USA traf sie die Latte, mit einem Schuss wie ein Blitz. Gegen Schweden köpfelte sie freistehend aufs Tor, sie traf den Ball mit Wucht, doch die letzte Schwedin verrenkte sich arg und köpfelte den Ball von der Linie. Es wäre Ri Ye Gyongs Tor gewesen, es hätte ihrem kleinen Land neben den Dopingdiskussionen zumindest etwas Fußball-Ehre beschert. Doch Ri Ye Gyong schoss kein Tor. Sie ist längst zurück in Nordkorea, bei Amrokgang, ihrem Militärklub. Wie es ihr wohl geht? Ob wir sie je wiedersehen? Carsten Eberts

Frauen-WM 2011: Elf des Turniers

Lisa de Vanna

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(Foto: Getty Images)

Lisa de Vanna misst 1,57 Meter. Wenn sie nach misslungenem Angriff zurück in die eigene Hälfte stapft, sieht sie aus wie ein trotziges Kind, das dem Ball gleich mit einem Messer die Luft ablässt. Lisa de Vanna aus Perth ist eine Göre, die im Frauenfußball Erfolg hat, weil sie mit dem Ball am Fuß ihre Kinderstube vernachlässigen und über ihre 1,57 Meter hinauswachsen kann. Mit dem Ball am Fuß wird aus dem australischen Frechdachs eine rasende, trickreiche, sogar elegante Fußballerin, die Gegnerinnen den Gleichgewichtssinn raubt. So hat sie Australien erstmals ins Viertelfinale geführt. Ist das Spiel vorbei, verwandelt sie sich zurück in eine Göre. Sie zeigt Zuschauern den Mittelfinger, raunzt Funktionäre an, stellt Fotos von aufblasbaren Riesenpenissen ins Netz. Der australische Verband sperrte sie, weil sie "unverhandelbare Benimmparameter" verletzt habe. Aber wenn der Frauenfußball aufholen will, braucht er eine Skandalnudel. Eine wie Lisa. Ulrich Hartmann

Frauen-WM 2011: Elf des Turniers

Élodie Thomis

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(Foto: AFP)

Beeindruckend, diese Frau, unter dem blauen Tuch lugen die Zöpfchen hervor wie Tarantelbeine. Élodie Thomis, gelernte Sprinterin: eine der schnellsten und coolsten Spielerinnen bei der WM, eine Waffe. Der Trainer bringt sie, wenn die Abwehr der anderen aufgerissen werden soll. Das funktioniert. Was nicht funktioniert: der Torschuss. Sie ist keine Vollstreckerin, sie belohnt sich zu selten. Manchmal ist sie sogar schneller als der Ball. Aber Élodie Thomis jammert dann nicht, sie gestikuliert verhalten. Sie versucht es wieder. Sie schleppt den Ball, wie Sisyphos den Fels geschleppt hat. Sie schleppt den Ball mit dem stoischen Gesicht des Sprinters am Start, des Boxers bei der Hymne. Das Spannende ist der Moment, wenn sich eine Regung in ein Pokerface schleicht. Und es war ein großer, kleiner Augenblick, sie zu sehen nach ihrem Tor gegen Schweden. Wie sie tanzte, wie sie leise lächelte. Es hat am Ende nichts gebracht, das Tor. Aber Élodie wird weiterrennen. Holger Gertz

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