Frauen-WM 2011: Deutschland - Frankreich:Gewinnerin Grings

Weil Birgit Prinz beim 4:2 gegen Frankreich 90 Minuten lang pausieren muss, bekommt Inka Grings ihre Chance - und nutzt sie eindrucksvoll. Die deutsche Mannschaft scheint endlich eine Angriffsformation gefunden zu haben, die sie bis zum WM-Titel tragen soll. Nur in der Abwehr gibt es noch Probleme

Carsten Eberts, Mönchengladbach

Inka Grings war sich ihrer Sache sicher. Sehr sicher. Bereits Sekunden nach dem Elfmeterpfiff und der roten Karte gegen Frankreichs Torhüterin Berangere Sapowicz hatte sie den Anlauf zum Elfmeterpunkt vermessen, das Tor fixiert - und nun wartete sie.

Frauen-WM 2011: Deutschland - Frankreich: Gewinnerin des Frankreich-Spiels: Inka Grings

Gewinnerin des Frankreich-Spiels: Inka Grings

(Foto: AP)

Die Französinnen begannen gerade erst, die missliche Lage zu realisieren: Sie protestierten kurz, dann schlurfte Sapowicz frustriert zur Seitenlinie; bis Ersatzfrau Celine Deville endlich einsatzbereit war, dauerte es wiederum eine Weile. Inka Grings, 32, stemmte die Arme in die Hüften. Und wartete.

Nun gäbe es sicher Spielerinnen, die in dieser Zeit das Grübeln beginnen. Wohin der Schuss gehen soll? Links unten oder in die Mitte? Ob nicht doch lieber eine andere schießen sollte? In den ersten Spielen war Grings schließlich nur Ersatzspielerin gewesen, die Partie gegen Frankreich war ihre erste von Beginn an. "Ich hätte auch noch eine Stunde warten können", erklärte Grings stattdessen, "so sicher habe ich mich gefühlt."

Als es endlich weiterging, verwandelte die sechsmalige Bundesliga-Torschützenkönigin den Elfmeter sicher: halbhoch neben den rechten Pfosten. Und es war nicht Grings' einzige gelungene Aktion beim 4:2 im letzten Vorrundenspiel: Nach der Führung durch Kerstin Garefrekes (25. Minute) hatte sie schon in der ersten Halbzeit per Kopf auf 2:0 erhöht (32.).

Nach dem Elfmeter (68.) legte sie Célia Okoyino da Mbabi auch noch das finale 4:2 per Kopfballverlängerung auf. "Es war nicht einfach, ich habe die letzten Tage sehr an mir gearbeitet", sagte Grings später: "Dass mir heute so ein Comeback gelungen ist, ist natürlich wunderbar."

Damit steht Deutschland, so die Nachricht des Tages, als Gruppenerster im Viertelfinale, trifft am Samstagabend in Wolfsburg auf die Auswahl aus Japan. Vor allem jedoch hat die deutsche Mannschaft ihr mit Abstand offensivstes und bestes Spiel bei dieser WM gezeigt. "Die Spielerinnen haben sich wunderbar reingekämpft", lobte Bundestrainerin Silvia Neid: "Wir haben von der ersten Minute an befreit aufgespielt. So wollen wir nun auch in das Spiel gegen Japan gehen."

Dennoch, bei allem Lob: Im deutschen Spiel lief längst nicht alles zufriedenstellend - trotz einer deutlichen Leistungssteigerung und vier selbst erzielten Toren. Da waren nämlich auch noch die zwei Gegentore: beide recht einfacher Natur, nach Standardsituationen, zweimal per Kopf, erst durch Marie-Laure Delie (56.), danach durch Laura Georges (72.). Die deutsche Abwehr um Abwehrchefin Annike Krahn wirkte in diesen Situationen wenig strukturiert, die Spielerinnen tauchten entweder unter den Bällen hindurch oder ließen den Französinnen arg viel Platz.

Birgit Prinz 90 Minuten auf der Bank

Neid kritisierte deshalb: "Bei den Standards haben wir die Gegner schon auf der Sechserposition nicht gut geblockt. Da müssen wir hoffen, dass uns das nicht wieder passiert." Auch Krahn bezeichnete die Gegentore als "sehr ärgerlich", die Abwehrleistung insgesamt als "ausbaufähig". Zu diesem Zeitpunkt saß die defensiv begabte Mittelfeldchefin Simone Laudehr bereits auf der Bank; sie wurde wegen ihrer gelben Karte aus dem Nigeria-Spiel geschont.

Das Spiel kippte in diesen Phasen gegen Frankreich nicht. Auf dem Weg zum möglichen WM-Titel dürften bereits Japan, spätestens jedoch die USA oder Brasilien solche Missstände weitaus schmerzhafter aufdecken, als es die harmlosen Französinnen am Dienstagabend taten.

So muss sich Neid bis zum Viertelfinale plötzlich mit einer veränderten Ausgangslage auseinandersetzen. In den ersten beiden Partien funktionierte vor allem die Abwehr passabel, im Sturm lagen die Probleme. Nun hakt die Abwehr - stattdessen scheint Neid im Angriff eine gewinnbringende Formation gefunden zu haben: mit Grings in der Spitze, dahinter die quirlige Okoyino da Mbabi, über rechts wie gewohnt Kerstin Garefrekes, über links Lira Bajramaj. Die spielte erstmals von Beginn an, holte den Elfmeter raus und brachte deutlich mehr Unberechenbarkeit ins Spiel als zuletzt Melanie Behringer oder Alexandra Popp.

Auch die Bundestrainerin hatte viel Lob übrig. "Mit Inka und Célia waren wir vorne viel variabler und sind den Bällen besser nachgegangen", sagte Neid. Mittelfeldfrau Ariane Hingst hatte eine andere Erklärung: "Es liegt uns einfach, wenn das Spiel nicht so ruppig ist und der Gegner mitspielt." Das trifft zweifellos auf die Französinnen zu - und auch auf Japan, den nächsten deutschen Gegner im Viertelfinale.

Wohlgemerkt, im verbesserten Angriffsspiel fehlte eine bislang prägende Figur: Birgit Prinz, die Kapitänin. Die wurde schon in den ersten beiden Spielen frühzeitig ausgewechselt, gegen Frankreich nun nahm sie von Beginn an auf der Bank Platz und blieb dort auch über 90 Minuten. Zum ersten Mal seit 28 Monaten führte nicht Prinz, sondern Garefrekes die Nationalmannschaft auf den Platz. Prinz dürfte bei dieser WM noch schwere Tage vor sich haben.

Stattdessen empfahl sich in überzeugender Manier Inka Grings. "Ich habe immer gesagt, dass ich brenne und auf meine Chance warte", sagte sie, "ich wollte ein Zeichen setzen, dass ich unbedingt in die Mannschaft rein will." Dies ist nun auch gegen Japan ihr Ziel. In Richtung der Bundestrainerin formulierte Grings: "Ich hoffe, dass ihr die Entscheidung schwerfällt und sie keine ruhigen Nächte vor sich hat."

Ganz so schlecht dürften die Chancen von Inka Grings auf einen neuerlichen Startplatz tatsächlich nicht stehen. Im Gegensatz zu denen von Birgit Prinz.

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