Süddeutsche Zeitung

Frauen-WM 2011: Birgit Prinz:Die Kapitänin ist zurück

Unzufrieden mit der Leistung, überrascht vom Druck, überwältig von der Kritik: Mit einem bemerkenswerten Auftritt bricht Birgit Prinz ihr Schweigen. Ihren stärksten Moment bei dieser Weltmeisterschaft hat sie damit zunächst einmal abseits des Platzes.

Kathrin Steinbichler

Eine Woche lang hatte Birgit Prinz geschwiegen, zumindest der Öffentlichkeit gegenüber. Sieben Tage hatte sich die Kapitänin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft zurückgezogen, so weit das eben geht bei einer laufenden Weltmeisterschaft im eigenen Land.

Keine Interviews, keine Fernsehauftritte, selbst nach dem 4:2 gegen Frankreich, das Prinz nur von der Bank aus erlebte, fand sie an den Medien vorbei aus dem Stadion, indem sie die Fifa-Regel beiseite schob, wonach jede Spielerin durch die Mixed Zone zu laufen hat. Sie ging einfach nicht durch, sondern dran vorbei.

Birgit Prinz wollte nicht reden, und sie wollte nicht gefragt werden. Noch nicht. Die 33-Jährige musste nachdenken. Nachdenken über das, was da gerade passierte mit ihr als Sportlerin und mit ihr als Mensch. Und wie sie diesen Geschehnissen begegnet, als Sportlerin, vor allem aber als Mensch.

"Ich habe versucht zu verstehen: Was trifft mich jetzt so arg?", erzählt Prinz jetzt und blickt an diesem Donnerstag vom geschwungenen Pressepodium des deutschen Teams über die gut gefüllten Sitzreihen in der weiß getünchten Turnhalle des VfL Wolfsburg. Sie wollte diesen Termin, diese Gelegenheit, sich zu erklären, und so blickt Prinz ruhig, aber konzentriert durch ihre kleine ovale Brille in die Menge.

Allein die verschränkten Hände verraten in diesem Moment die Anspannung der an Titeln derzeit erfolgreichsten Fußballerin der Welt. Zwei Tage sind es noch bis zum WM-Viertelfinale gegen Japan, und die etwas mehr als 15 Minuten, die nun folgen, sind die stärkste Pressekonferenz, die eine Kapitänin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft je hingelegt hat.

Es ist gerade eine Woche her, da wurde Prinz in Frankfurt im zweiten WM-Vorrundenspiel der Deutschen gegen Nigeria zum zweiten Mal in diesem Turnier ausgewechselt. In der 52. Minute, als Spielführerin und Rekord-Nationalspielerin. Schon im Auftaktspiel gegen Kanada hatte Prinz nach 56 Minuten für Sturmkollegin Inka Grings weichen müssen.

Früh genug also, um zu wissen, dass die Trainerin keinen taktischen Kniff ausprobieren will, sondern schlichtweg mit ihrer Leistung unzufrieden ist. Jeder im Stadion wusste es, und jede im deutschen Team war unzufrieden mit dem eigenen Spiel, Birgit Prinz selbst am meisten, und so stapfte sie sichtbar wütend vom Platz.

Sie habe sich "selbst zu sehr unter Druck gesetzt", gesteht Prinz, "es nicht geschafft, mit dem Druck umzugehen" und "emotional reagiert". Sie wollte als Kapitänin bei dieser WM vorangehen und spürte doch, dass sie eigentlich selbst etwas Beistand gebrauchen könnte. Doch auf das, was folgte, war sie einfach nicht vorbereitet.

Der Sturm der Kritik, der nach ihrer zweiten Auswechslung tagelang durch die deutsche Medienlandschaft zog, warf sie einfach um. "Es hatte ein bisschen was von einer Hetzjagd", konstatierte Birgit Prinz am Donnerstag und bestätigte, sogar an Rücktritt gedacht zu haben. "In der ersten Emotion", sagt Prinz, habe sie sich gedacht: "Was soll das eigentlich, was tue ich mir da an?"

Das Warum hatte Prinz für sich schon lange vorher beantwortet: Diese erste Weltmeisterschaft im eigenen Land soll der Schlusspunkt ihrer internationalen Karriere werden, und "ich fühle mich auch immer noch gut genug, um der Mannschaft etwas zu geben", sagt Prinz.

Vor dem dritten Spiel aber gestand sie sich ein, was wohl niemandem so schwer fällt wie dem Kapitän einer Mannschaft: Dass das, was sie derzeit auf dem Platz zeigen kann, einfach nicht reicht. "Ich hatte das Gefühl, der Mannschaft in diesem dritten Spiel nicht helfen zu können. Deshalb waren Silv' und ich uns einig, dass besser eine andere spielt, die mit der Situation besser klarkommt."

Viel und oft habe sie mit Bundestrainerin Silvia Neid über die Situation gesprochen und sich mit einer Entscheidung herumgeplagt. "Zu sagen: Hey, ich glaube, ich kriege es nicht gut hin, war keine leichte Entscheidung", sagt Prinz. Dass sie sich traute, Schwäche einzugestehen in einem Umfeld, das nur Stärke akzeptiert, hat Größe.

Und es ist der Umstand, der die Situation von Birgit Prinz von der des damit oft verglichenen Michael Ballack unterscheidet. Eine Woche lang hörte Prinz in sich hinein, dann wusste sie wieder, was bei einer WM wirklich wichtig ist: "Ich habe mich immer als Teamspielerin verstanden, und wenn ich der Mannschaft derzeit nicht auf dem Platz helfen kann, muss ich meine Stärken eben anderweitig einbringen."

Ob sie nun am Samstag (20.45 Uhr) im Viertelfinale auflaufen wird? "Ich gehe nicht davon aus, dass ich von Anfang an spielen werde", sagt Prinz, spielen aber will sie bei dieser WM auf jeden Fall noch einmal. "Ich würde gern einen anderen Eindruck hinterlassen", sagt Prinz. "Ich habe das Gefühl, ich habe mich gut sortiert, und außerdem denke ich, dass ich meine PS wieder gut auf die Straße kriege." Dann steht Prinz auf, sie hat gesagt, was sie sagen wollte. Die Kapitänin ist zurück.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1117777
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.07.2011/jüsc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.