Frauen im Fußball:Frauen dürfen die Häppchen reichen

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Frauenförderung mit Rouge und Robe: Beim Pokalfinale in Berlin degradiert der DFB immer besonders viele Damen zur Staffage. (Foto: Matthias Koch/imago)
  • Es gibt einen Bereich der Gesellschaft, der sich dem Fortschritt verweigert: Fußball.
  • Frauen sitzen hier nicht in Führungspositionen, sondern reichen Häppchen oder stehen mit Goldfarbe angesprüht Spalier.
  • Wenn doch einmal eine Frau ein Fußballspiel pfeift oder kommentiert, folgt sofort die Exotendebatte. Die Kommentare sind erniedrigend.

Von Ronny Blaschke

Gemischte Gruppen versprechen mehr Erfolg als reine Frauen- oder Männerteams, das belegen Studien der Psychologie. Politik und Wirtschaft haben sich zögerlich darauf eingestellt. Die 105 deutschen Unternehmen, die an der Börse notiert sind, kommen mittlerweile in ihren Aufsichtsräten auf durchschnittlich 28,1 Prozent weibliche Mitglieder. Grund ist die gesetzliche Frauenquote in diesem Bereich. Eine gemischtgeschlechtliche Sichtbarkeit ist hier immerhin auf den Weg gebracht.

Doch es gibt einen Bereich der Gesellschaft, der sich dem Fortschritt verweigert: Fußball.

Gibt es Ausnahmen, folgt prompt die Exoten-Debatte

Am Sonntag endet die Frauen-EM in den Niederlanden. Dass die DFB-Elf diesmal schon im Viertelfinale scheiterte, dürfte der Popularität des Frauenfußballs nicht schaden. Inzwischen sind mehr als 1,1 Millionen Mädchen und Frauen hierzulande in Vereinen organisiert. Aber: Laut einer Studie des Antidiskriminierungsnetzwerkes Fare, Football Against Racism in Europe, sind nur 3,7 Prozent der Führungspositionen im europäischen Fußball mit Frauen besetzt. Wie können Verbände und Vereine in TV-Spots und Selbstbeschreibungen stolz von Vielfalt und Demokratie sprechen, wenn eine Hälfte der Gesellschaft an ihren Schnittschnellen fast nicht vorkommt?

Gibt es mal Ausnahmen, folgt prompt die Exoten-Debatte: Bei der EM 2016 kommentiert Claudia Neumann im ZDF als erste Frau bei einem Männerturnier! Der FC St. Pauli macht Sandra Schwedler zur Aufsichtsrat-Chefin! In Frankreich wird der Männer-Zweitligist Clermont Foot von Corinne Diacre trainiert! Und Bibiana Steinhaus pfeift als erste Schiedsrichterin in der Männer-Bundesliga! Dass diese Frauen sich durchgesetzt haben, sei hervorragend, findet Katja Kraus - doch Ursachen für die Ungleichheit würden dadurch noch nicht hinterfragt. Kraus war von 2003 bis 2011 Vorstandsmitglied beim Hamburger SV. "Es gibt bei der Jobvergabe eine hohe Versorgungsmentalität von ehemaligen Spielern für ehemalige Spieler", sagt sie. Perspektiven von außen würden mitunter als Bedrohung angesehen.

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Neumann, Steinhaus und Kraus mussten viele erniedrigende Kommentare über sich lesen. Offener Sexismus. Doch es gibt auch unterschwellige Ausgrenzung: Von 17 Mitgliedern des DFB-Präsidiums ist eines weiblich. Bei Partien wie dem DFB-Pokal-Finale reichen Frauen die Häppchen oder stehen mit Goldfarbe angesprüht Spalier. Sogar bei der Frauen-EM wurden zehn der 16 Teams von Männern trainiert. In der vergangenen Frauen-Bundesligasaison waren es neun von zwölf.

Von Vorgesetzten hört man oft, dass sich zu wenige Frauen für Führungsaufgaben anbieten würden. Doch damit würde man den zweiten Schritt vor dem ersten machen, findet Daniela Wurbs, die langjährige Geschäftsführerin des Fannetzwerkes FSE, Football Supporters Europe: Es gebe in Werbung und Medien nicht viele Bereiche, die traditionelle Geschlechterrollen so kultivierten wie der Fußball. Das kann engagierte Frauen abschrecken.

Ein Schlüsselereignis: die Frauen-WM 2011 in Deutschland. In einer Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung bescheinigte die Soziologin Nina Degele dem DFB eine "Vermarktung der Weiblichkeit". Dazu passte der offizielle Slogan: "20elf von seiner schönsten Seite". Ein Spielzeughersteller brachte eine Fußball-Barbie auf den Markt. Für ein Kosmetikunternehmen posierten Nationalspielerinnen in engen Abendkleidern, ergänzt mit Internettipps für Make-up und Haarpflege. Fünf Ligaspielerinnen ließen sich im Playboy ablichten. Der Focus schlussfolgerte, "dass die Fußball-Damen nicht bullig, sondern anmutig, nicht unweiblich, sondern schön anzusehen sind". Vielleicht war auch diese Sexualisierung einer der Gründe dafür, warum die Fußballerinnen 2011 wie fremdbestimmt wirkten und schon im Viertelfinale scheiterten. Doch auch danach gab es kein Umdenken: Das ZDF sendete zur Frauen-EM 2013 einen Spot, in dem eine Spielerin einen dreckigen Lederball in eine Waschmaschine kickt.

Aktuelle Nationalspielerinnen beteiligen sich kaum an der Geschlechterdebatte - ihre Kolleginnen in Schweden oder in den USA melden sich da deutlich selbstbewusster zu Wort. Wohl auch deshalb kommen Funktionäre und Vermarkter hierzulande unwidersprochen mit ihren Stereotypen durch.

Der DFB erlaubte Frauenfußball in Deutschland von 1970 an, davor überwog bei den Funktionären die Sorge, das Spiel schädige die "weibliche Anmut". Das Nationalteam wurde erst 1982 formiert. Schon das wirkt in der Rückschau grotesk. Seither hat sich vieles getan, aber womöglich wäre mehr möglich gewesen. Dass der Fußball weiterhin als Schaufenster für heterosexuelle Männer ausgeleuchtet wird, liegt auch am Mangel von Frauen im Sportsponsoring und im Fußballjournalismus, sagt Nicole Selmer, stellvertretende Chefredakteurin des österreichischen Fußballmagazins Ballesterer und Mitbegründerin des Netzwerks F_in, Frauen im Fußball. Doch das Netzwerk, das sich für die Selbstbestimmung von Frauen durch Fußball stark macht, wächst: mit NGOs wie "Discover Football", "Kicking Girls" oder "Women Win".

Trainerin bei den Männern? Inka Grings macht einen Umweg

Die deutschen Fußballerinnen haben in den vergangenen Wochen wieder ein Millionen-Publikum vor die Fernseher gelockt, und auch bei Männer-Länderspielen liegt der weibliche Anteil des TV-Publikums bei rund vierzig Prozent. Jenseits dieser Events aber scheinen sich Frauen weniger aufgehoben zu fühlen. Zwar wollen immer mehr Frauen für den Breitensport die C-Lizenz als Trainerin erwerben, die unterste Kategorie, aber schon für die B-Lizenz sinkt der Anteil beträchtlich. Vorbilder wie Inka Grings sind rar: Die 96-malige Nationalspielerin möchte sich als Trainerin bei den Männern durchsetzen und geht dafür einen Umweg. Sie legte ihren Posten bei den Duisburger Bundesliga-Spielerinnen nieder und betreut nun die B-Junioren von Viktoria Köln.

Wie lässt sich die Entwicklung beschleunigen? Seit 2015 müssen börsennotierte Unternehmen in Deutschland ihre frei werdenden Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzen, bis dreißig Prozent weiblich sind. Auch Parteien oder Redaktionen haben diesen Weg eingeschlagen. Im Fußball hat der Weltverband Fifa eine Generalsekretärin: die Senegalesin Fatma Samoura. Sie gilt aber als Marionette des umstrittenen Präsidenten Gianni Infantino. Im neuen Führungsrat der Fifa, dem Council, sollen sechs von 36 Mitgliedern weiblich sein. Aber was können diese tatsächlich entscheiden? Und unterhalb der Spitzenebene? Selbst die großen Nationalverbände ziehen nicht wirklich mit.

Von den rund 280 DFB-Mitarbeitern in Frankfurt sind rund vierzig Prozent weiblich - aber es gibt nur eine Direktorin. In den ehrenamtlichen Gremien der 21 Landesverbände sind die wenigen Frauen meist für Frauenförderung zuständig. Das soll sich ändern, auch durch ein "Leadership-Programm". Seit einem Jahr werden 24 interessierte Frauen mit Führungsaufgaben im DFB vertraut gemacht, das Programm soll ausgeweitet werden. Doch selbst in seinen drei Sozialstiftungen sind von zusammen 68 Kuratoriumsmitgliedern nur sechs weiblich.

Korruption, Menschenrechtsfragen, Kommerz: Man wüsste gern, wie Gegenwartsthemen des Fußballs in gemischten Gremien diskutiert würden. Vorerst bleibt das eine Utopie.

© SZ vom 04.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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