Frauen-Handball:Mit der Zeit wird's besser

Handball EM: Niederlande - Deutschland

Allzu lückenhaft: Die deutschen Handballerinnen (hier Emily Bölk/links und Marlene Zapf) mussten im Deckungsverbund zu oft mitansehen, wie die Niederländerinnen (hier Kelly Dulfer) frei zum Abschluss kamen.

(Foto: Marco Wolf/dpa)

Die deutschen Handballerinnen werten ihren neunten Platz bei der EM als Beginn einer Entwicklung. Bundestrainer Henk Groener kann ein Spitzenteam formen.

Von Ulirch Hartmann, Nancy/München

Nach dem Einzug ins Halbfinale ging der Dank auch an jenen Nationaltrainer, der mit verschränkten Armen am Spielfeldrand stand. Die Niederländerinnen jubelten, aber der Niederländer Henk Groener war bedient. Die Erfolge seiner Heimat sind nicht mehr seine Erfolge, und dass die deutschen Handballerinnen in Nancy als Neunte bei der Europameisterschaft ausgeschieden sind, ist ja in gewisser Weise auch seine Schuld. Groener, der neue Bundestrainer der deutschen Frauen, hat die Kontrahentinnen aus den Niederlanden in jahrelanger, mühevoller Arbeit so stark gemacht. "Daran, dass wir so viele Spielerinnen auf so hohem Niveau haben, hat Henk Groener großen Anteil - vielen Dank dafür", sagte Helle Thomsen, die niederländische Nationaltrainerin.

Von 2009 bis 2016 hat Groener aus den international bedeutungslosen niederländischen Handballerinnen ein Spitzenteam geformt. Während die Niederlande weiterhin die Früchte seiner Arbeit ernten, hat Groener sich entschlossen, wieder von vorne zu beginnen: mit der international bedeutungslosen deutschen Frauenauswahl. Das erste Turnier auf dem vermutlich erneut jahrelangen und mühevollen Weg in die Weltspitze wertet der 58-Jährige zweckoptimistisch als Erfolg. "Wir gehören noch nicht zur Weltspitze", sagt er, "aber wir haben trotzdem eine tolle EM gespielt. Eine bessere, als es manche erwartet hatten."

Besser als erwartet - das ist allerdings eine gewagte Interpretation. Man hatte doch gar nicht gewusst, was man von dieser stark veränderten und verjüngten Mannschaft unter ihrem neuen Trainer erwarten sollte. Nach der 33:32-Sensation zum EM-Auftakt gegen Titelverteidiger Norwegen war die Freude natürlich groß, aber an diesem selbst geschaffenen Maßstab scheiterten die deutschen Handballerinnen danach. Es gab noch zwei weitere Siege, gegen Tschechien, den punktlosen Letzten der Vorrundengruppe, sowie gegen Spanien, den punktlosen Letzten der Hauptrundengruppe. Gegen Ungarn sowie vor allem gegen die Halbfinalisten Rumänien und Niederlande verlor das deutsche Team. In den beiden letztgenannten Spielen war es nahezu chancenlos.

Mit 162 Toren in sechs Spielen war die Mannschaft das siebtbeste Team, mit ihrer Ausbeute von insgesamt 58 Prozent erfolgreicher Würfe gehörte sie zu den Top Ten. Auffällig war, dass über die Flügel nur eine Trefferquote von 47 Prozent gelang - die zweitschlechteste Ausbeute aller 16 EM-Teilnehmer. Positiv fällt hingegen die Zahl der schnellen Gegenstöße auf, da erarbeitete sich das deutsche Team 34, nur die Halbfinalisten Frankreich (45) und Russland (36) sowie Norwegen (45) waren besser. Es war ja das erklärte Ziel des deutschen Teams gewesen, über die erste und zweite Welle schnell auf einfache Tore zu spielen. Nur die Umsetzung könnte besser werden: 68 Prozent Trefferquote nach Kontern bedeuten in der EM-Statistik nur Platz 13.

"Ich bin jetzt erst mal enttäuscht, aber mit etwas Abstand wird das Fazit besser ausfallen", sagte die Rückraumspielerin Xenia Smits. "Mit etwas Abstand werden wir sehen, dass wir hier gute Resultate erzielt haben", sagte Angie Geschke. "Mit ein bisschen Zeit wird sicher etwas werden aus unserer Mannschaft", sagte Emily Bölk. Das war diesmal der entscheidende Unterschied zur großen Depression nach dem zwölften Platz bei der Heim-WM vor einem Jahr, als viele Spielerinnen wussten, dass ihre Karriere im Nationalteam zu Ende geht. Diesmal werteten sie die EM als Beginn einer Entwicklung. Dafür stehen die 23 Jahre alte Torhüterin Dinah Eckerle, der Rückraum mit Smits, 24, Bölk, 20, und Alicia Stolle, 22, sowie Talente wie die 19 Jahre alte Amelie Berger. "Auf diesem Turnier können wir aufbauen", sagte Eckerle.

Und so wirkten am Ende alle zumindest irgendwie zufrieden: die Spielerinnen, der Trainer und auch der Präsident des Deutschen Handballbundes. "Die Mannschaft hat auch wegen ihres guten Miteinanders überzeugt, das ist vor allem ein Verdienst des Trainers", lobte Andreas Michelmann. Schon bei der Weltmeisterschaft 2019 in Japan steigen die Erwartungen aber. Henk Groener sagt: "Ich bin überzeugt, dass wir dort den nächsten Schritt machen."

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