Frauen-Fußball:Statisten sind jetzt andere

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Deutsche Fußball-Frauen setzen beim 13:0 über Portugal ihre Vermarktung fort.

Reutlingen - Am Ende des Abends dämmerte Nuno Cristovão, warum er überhaupt hier war. "Ohne uns hätte das Spiel nicht statt gefunden", sagte der Trainer der portugiesischen Frauenfußball-Auswahl mit ernstem Gesicht, "wir haben versucht mitzuspielen und uns zu zeigen." Cristovão hatte gedacht, er und seine Fußballerinnen würden an diesem Abend ein Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 2005 absolvieren. Die Statistik gibt ihm Recht. 13:0 (3:0) gewann die deutsche Weltmeister-Elf gegen die heillos unterlegenen Portugiesinnen, stellte so den höchsten Sieg ihrer Geschichte auf und steht weiter an der Spitze der EM-Qualifikationsgruppe 4.

Ein paar Meter weiter erklärte Nationalspielerin Renate Lingor lächelnd, mit einem von Fans bemalten Bettlaken um die Schultern, was da vor ausverkauften Rängen im Reutlinger Stadion an der Kreuzeiche wirklich stattgefunden hatte: "Wir sind jetzt dort, wo wir immer hin wollten. Wir werden zur besten Sendezeit live im Fernsehen übertragen, und die Fans haben uns begrüßt, als seien wir die Backstreet Boys." Der Samstag Abend gehört im deutschen Fernsehen der Unterhaltung. Für Nuno Cristovão und seine Spielerinnen blieben da lediglich Statistenrollen.

13 500 Fans im Stadion und fast sechs Millionen Fernseh-Zuschauer verfolgten den ersten Auftritt der deutschen Fußballerinnen nach Gewinn der WM vor fünf Wochen. "Wir wussten, da draußen schaut ein Riesenpublikum zu. Das wollten wir nutzen, wann haben wir schon mal Samstag Abend gespielt?", sagte Stürmerin Birgit Prinz, die nach den Rücktritten von Spielführerin Bettina Wiegmann und Maren Meinert als neue Kapitänin auflief. Neben dem Raunen, Singen und Klatschen, das 90 Minuten lang jede gelungene Aktion der Deutschen begleitete, war es immer wieder die 26-jährige Prinz, die vom Publikum mit "Birgit, Birgit"-Rufen gefeiert wurde. Mit vier Treffern in der zweiten Halbzeit (46., 58., 63., 65.) war die WM-Torschützenkönigin erfolgreichste Deutsche. Zuvor hatte Sonja Fuss mit einem beherzten Schuss zum 1:0 (9.) das Scheibenschießen gegen die körperlich und technisch unterlegenen Portugiesinnen eröffnet. Tore von Sandra Minnert (31.), Kerstin Garefrekes (45.), Sandra Smisek (51.), Viola Odebrecht (64.), Renate Lingor (81.), Ariane Hingst (84.) und Conny Pohlers (77., 86.) komplettierten den Sieg. Bundestrainerin Tina Theune-Meyer wusste den Erfolg jedoch einzuschätzen: "Portugal war kein Maßstab".

Richtige Kontrahenten muss sich die deutsche Mannschaft bei der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2004 in Athen in Testspielen suchen. Bis dahin liegt die größte Herausforderung neben dem Platz. "Der Spannungsbogen dieser Euphorie, die durch den WM-Erfolg ausgelöst wurde, wird auf einem guten Niveau bis nach Athen reichen und dort auf dem Prüfstand stehen. Das dreiviertel Jahr bis dahin muss gut genutzt werden", sagte Siegfried Dietrich, Sprecher der Frauen-Bundesliga und Manager von Meister und Pokalsieger 1. FFC Frankfurt. "Man spricht jetzt von der Leistung statt von der Optik, der Respekt vor der Leistung wird weiter da sein", sagte Bundestrainerin Theune-Meyer, "wir müssen das Spiel der Frauen jetzt jeden Tag aufs Neue verkaufen, auch in der Liga. Von alleine passiert da nichts."

Der DFB hat auf die frischen Erwartungen bereits reagiert: Gegen Portugal war die Frauen-Nationalelf erstmals mit dem neuen Trikot mit einem goldenen WM-Stern, einem eigenen Mannschaftsbus und einem Hauptsponsor ausgestattet. Nach Aufnahme in die Eliteförderung bekommen die Nationalspielerinnen nun monatlich zusätzlich 350 Euro von der Deutschen Sporthilfe. Nia Künzer, Schützin des deutschen WM-Siegtreffers, kann sogar bald von ihrem Sport leben. Einen ersten von insgesamt vier bis fünf Premiumsponsoren will ihr Manager Siegfried Dietrich in den nächsten Tagen vorstellen. Auch bei Prinz und Lingor laufen bereits Gespräche. "Wenn jetzt nichts passiert", sagte Prinz, "wann dann?"

Kathrin Steinbichler

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