Frauen-Finale:Problemlöserin gegen Schnelllernerin

French Open

Klare Körpersprache: Die Amerikanerin Sofia Kenin hat sich mit Leidenschaft in ihr zweites Grand-Slam-Finale gekämpft.

(Foto: Christian Hartmann/Reuters)

Sofia Kenin spielt um ihren zweiten Grand-Slam-Titel 2020, Iga Swiatek dagegen um ihren ersten überhaupt.

Von Gerald Kleffmann, Paris/München

Sie bejahte die Frage sofort: "Definitiv, es war wirklich ein verrücktes Jahr. Es begann sehr gut, dann kam das Virus", erzählte Sofia Kenin, "alles in allem bin ich echt glücklich, wie ich nach der Pause zurückgekommen bin." Die Amerikanerin saß da gerade bei der Pressekonferenz in New York, sie hatte im Achtelfinale der US Open verloren, 3:6, 3:6 gegen die Belgierin Elise Mertens. Sie war dennoch längst im Soll, Ende Januar hatte sie die Australian Open gewonnen, mit 21, es war der Höhepunkt einer dieser manchmal vorkommenden Geschichten im Tennis: ärmere Eltern (aus Russland), in die USA ausgewandert, um dem Kind eine bessere Zukunft zu ermöglichen, viele Opfer, Tausende von Stunden Training unter der Sonne Floridas. Maria Scharapowa war einen ähnlichen Weg gegangen, nun also war Kenin auf ihre Art gefolgt. Aber ein verrücktes Jahr? Das resümierte Kenin dann doch ein bisschen zu früh.

2020 sollte noch was mit ihr vorhaben.

Da war zunächst mal eine Höchststrafe. Als Kenin zum Turnier nach Rom gereist war und gleich gegen Viktoria Asarenka aus Belarus antrat, gelang ihr als Grand-Slam-Siegerin des aktuellen Jahres nicht ein Spiel. Von 86 Punkten verbuchte sie nur 29, nach 62 Minuten war der Spuk vorbei: 0:6, 0:6! Kenin war den Tränen nahe, sie ist eine emotionale Person. In Melbourne habe sie sogar vor den Matches häufig geweint, gestand sie mal. Aber auch nach Erfolgen ist ihr danach zumute.

Dann kam Paris, und nach zwei Wochen steht fest: Die 19 Jahre alte Polin Iga Swiatek mag sich wie aus dem Nichts ins Finale der French Open am Samstag (15 Uhr/Eurosport) gekämpft haben, bei keinem ihrer sechs Siege hatte die von der Grundlinie feuernde Weltranglisten-54. mehr als fünf Spiele abgegeben. Aber dass Kenin auch im Endspiel steht, ist ebenfalls überraschend, wenngleich etwas weniger.

Ihr half eine günstige Auslosung, um ins Turnier zu finden. Als es mal enger wurde, biss sie sich durch. Dreimal siegte sie im dritten Satz. Nervenaufreibend war der Erfolg gegen Fiona Ferro im Achtelfinale, als die Französin einseitig von Zuschauern, die begrenzt im Court Philippe-Chatrier zusehen durften, unterstützt wurde. Fair fand Kenin das nicht. Aber sie wehrte sich, auch, weil sie inzwischen Freude am Sandbelag als Untergrund hat. Fünf Turniertitel errang Kenin, vier auf Hartplatz, einen auf Rasen. Sie mag es schneller.

Die Partie im Halbfinale gegen die zweimalige Wimbledon-Siegerin Petra Kvitova (6:4, 7:5), eine vorzügliche Ballbeschleunigerin, kam ihr so gesehen gerade recht. Druckvolle Schläge druckvoll zu erwidern, ist eine ihrer Stärken. Eine andere: "Ich bin eine Problemlöserin", findet Kenin. An Swiatek dürfte sie dann wieder ihre Freude haben. Denn die wird ihr zusetzen.

Dem Teenager aus Warschau mag es an Erfahrung mangeln, aber dass sie eine Schnelllernerin ist, hat sie schon bewiesen. Sie war eine der besten Juniorinnen, über kleine Turniere erspielte sie sich erste Weltranglisten-Punkte, kletterte rasch hoch und bestritt 2019 in Wimbledon ihr erstes Grand-Slam-Match (sie verlor). Im Januar, als Kenin in Melbourne triumphierte, erreichte sie bereits das Achtelfinale eines Grand Slams. Jetzt noch einmal die Euphorie abzublocken, das wird Swiateks Herausforderung sein, in Paris hat das bisher exzellent geklappt. Ihre Arbeit mit einer Sportpsychologin macht sich bezahlt. Im wahrsten Sinne. 800 000 Euro erhält die Verliererin des Finales, die Siegerin das Doppelte.

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