Frauen-Bundesliga:Unter einem Dach

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Sophia Kleinherne (links), Laura Feiersinger und Torschützin Laura Freigang (vorne) freuen sich über den ersten Saisonsieg.

(Foto: Oliver Zimmermann/imago images/foto2press)

Der 1. FFC Frankfurt wirbt zum Auftakt der Saison für seine Zukunft: Der Zusammenschluss mit der Männerabteilung der Eintracht soll ein gesellschaftspolitisches Zeichen sein - und der Schritt aus dem Mittelmaß.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Irgendwann in der Halbzeitpause wollten Cacau, 38, und Fredi Bobic, 47, in der gut gefüllten Gaststätte im Stadion am Brentanobad mal unter sich bleiben. Um über alte Zeiten zu plaudern. Im Männerfußball. Die ehemaligen Bundesliga-Stürmer hatten bis auf dieses kurze Intermezzo ihren Freitagabend voller Überzeugung dem Frauenfußball gewidmet, um in unterschiedlicher Rolle das Eröffnungsspiel der Frauen-Bundesliga zwischen dem 1. FFC Frankfurt und Turbine Potsdam (3:2) zu verfolgen.

Cacau sah sich als Integrationsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nach der munteren Begegnung der Altmeister überzeugt von seiner zuvor geäußerten Einschätzung: "Wer den Frauenfußball vor sechs, sieben Jahren verfolgt hat, der sieht jetzt eine Entwicklung." Der eingebürgerte Brasilianer, der über seinen vorrangig im weiblichen Segment tätigen Berater Dietmar Ness regelmäßig bei Vereins- und Länderspielen auf der Tribüne sitzt und auch die Frauen-WM in Frankreich verfolgte, kann sich ein fachliches Urteil allemal erlauben.

Bobic begutachtete als Sportvorstand von Eintracht Frankfurt mit seinem Vorstandskollegen Axel Hellmann, wer da künftig im Adlerhorst Unterschlupf findet. Der Frauen-Rekordmeister 1. FFC Frankfurt soll ab der Saison 2020/21 unter dem Dach der Eintracht antreten. FFC-Manager und Investor Siegfried Dietrich kam bei der Überzeugungsarbeit zupass, dass Bobic in seinen aktiven Zeiten 1998 als elftes Mitglied dem damals gerade gegründeten Frauenfußballverein 1. FFC Frankfurt beitrat.

Die Zusammenarbeit mit den Männern sei alternativlos, sagt Dietrich

Mehr als zwei Jahrzehnte später ist die Zeit reif für den nächsten Schritt - denn seit geraumer Zeit verkörpert der stolze Standort Frankfurt nur noch Mittelmaß. Dietrich sieht es als alternativlos an, sich deshalb an die starken Männer-Lizenzvereine zu hängen, um sportlich, wirtschaftlich und infrastrukturell das höchste Level zu stemmen. Die Vorzüge brachte der designierte Vorsitzende des neuen DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen am Freitag in einer Talkrunde vor den Vereinsvertretern an: "Männer- und Frauenfußball unter einem Dach - das steht jedem Verein gesellschaftspolitisch gut zu Gesicht." Die Eintracht-Bosse Bobic und Hellmann mussten dem Vernehmen nach in der Männerrunde des Aufsichtsrates aber dicke Bretter bohren.

Für die Zusammenarbeit sind mittlerweile nur noch Formalien zu klären. Dietrich soll in einem Jahr Generalbevollmächtigter der Eintracht Frankfurt Fußball AG für den Frauenfußball werden. Dem 62-Jährigen war das beschwingte Statement des frischen, entwicklungsfähigen Frankfurter Ensembles vor 2550 Stadionbesuchern wichtig, denn: "Das war unsere erste Mitgift in der Verlobungssaison." Der Zusammenschluss wird nach seinem Dafürhalten eine "Traumhochzeit." Sein Ziel: "Frankfurt zum größten Frauenfußball-Standort in Deutschland, vielleicht in Europa zu machen." Ralf Kellermann, Sportlicher Leiter beim Doublegewinner VfL Wolfsburg, geht bereits davon aus, dass aus dem Zweikampf um die deutsche Meisterschaft zwischen Wolfsburg und dem FC Bayern in den nächsten Jahren ein Dreikampf wird.

Titeltauglich war es am Freitagabend noch nicht, was die einstigen Erzrivalen und Altmeister boten, aber abwechslungsreich allemal. Den späten Siegtreffer erzielte die eingewechselte U19-Nationalstürmerin Shekiera Martinez (81.) mit einem Abstaubertor, nachdem zuvor die Österreicherin Laura Feiersinger per Foulelfmeter (6.) und Laura Freigang (17.) getroffen hatten. Die Slowenin Lara Prasnikar (14. und 50.) glich zweimal vergeblich aus. Allzu traurig wirkte Potsdams Trainer Matthias Rudolph trotzdem nicht. "Zwei junge Mannschaften, die mit offenem Visier nach vorne gespielt haben. Das war ein richtig gutes Spiel zum Anfang", sagte der Turbine-Coach, der vom Bedeutungsverlust des deutschen Frauenfußballs gar nicht viel wissen will. "Essen, Freiburg, Hoffenheim, Frankfurt oder Potsdam: Wir bilden eine Nationalspielerin nach der anderen aus. Die Bundesliga ist auf höchstem Niveau." Nach seinem Dafürhalten müsse nur mehr daraus gemacht werden. Übrigens auch bei der Frauen-Nationalmannschaft.

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg lobte "ein interessantes und torreiches Spiel". Ihr Fazit: "Die Zuschauer haben eine ausgeglichene Begegnung gesehen, die Lust auf die neue Saison gemacht hat." Auch ARD-Expertin Nia Künzer ist hoffnungsvoll, dass die Frauen-Bundesliga ihren Bedeutungsverlust noch rechtzeitig bekämpft: "Der Zug ist nicht an uns vorbeigefahren. Wir müssen nur aufpassen, dass er es nicht tut." Regelmäßige Übertragungen in der ARD-Sportschau am Samstag sollen ebenfalls die Wahrnehmung erhöhen.

Der 1. FFC Frankfurt spielt kommenden Freitag (19.15 Uhr) beim Vizemeister FC Bayern und kündigt auf dem Campus im Münchner Norden den nächsten beherzten Auftritt an. "Wir haben einfach Bock auf diese Saison und können gegen jeden Gegner was holen. Außerdem spiele ich Freitagabend unter Flutlicht am liebsten", sagte Angreiferin Freigang. Der neue Fernsehpartner Eurosport, der künftig an jenem Tag immer ein Spiel live überträgt, dürfte dies gerne hören. Die Premiere sahen 136.000 Zuschauer, was als Erfolg gewertet werden darf: Bei der Zusammenfassung der Männer-Zweitligaspiele am späten Abend bei Sport1 schalteten 119.000 Zuseher ein.

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