FrankreichNoch ein Sieg für Zinédine

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Jedes Spiel könnte nun das letzte sein für Frankreichs gealterten Kapitän Zidane - und jetzt geht es ausgerechnet gegen Spanien.

Ralf Itzel

In diesen Tagen erreichte Zinédine Zidane die traurige Nachricht, dass Jean Varraud im Alter von 85 Jahren gestorben ist, der Mann, der ihn einst entdeckte. Zinédine war 14 und kickte für einen kleinen Klub am nördlichen Stadtrand von Marseille, als der Talentspäher des AS Cannes auf ihn aufmerksam wurde.

Der schwierige Abschied einer Legende: Zinedine Zidane.
Der schwierige Abschied einer Legende: Zinedine Zidane. (Foto: Foto: AP)

Varraud überzeugte seine Vorgesetzten und bot ihm eine Ausbildung sowie eine Gastfamilie an. Der junge Fußballer und die Eltern willigten ein. "Ihm verdanke ich alles", sagte Zidane später, als er der Beste der Welt war. Nie ließ er den Kontakt abreißen.

Die Weltmeisterschaft ist bisher nicht gerade fröhlich verlaufen für den Kapitän der französischen Mannschaft. In Zeiten, in denen das Spiel mit allen Mitteln beschleunigt wird, zeigte ihm der Schiedsrichter eine absurde gelbe Karte, weil er gegen die Schweizer einen Freistoß zu schnell ausführte.

Eine Tür eingetreten

Gegen Korea setzte es für einen Rempler eine weitere Verwarnung, und er wurde ausgewechselt, vor den Augen seiner Frau Véronique und seiner zwei älteren Söhne. In den Katakomben des Zentralstadions in Leipzig trat er vor Frust eine Tür kaputt.

Es hätte das letzte Spiel sein können, nach dem Turnier ist ja Schluss. Am Freitag, seinem 34. Geburtstag, sah Zidane die Partie gegen Togo, die Frankreich gewinnen musste, in der Kabine der Kölner Arena im Fernsehen. Trotz der Sperre hätte er sich auf die Bank setzten können, aber er hasst das Blitzlichtgewitter.

Vor vier Jahren in Korea kam es in einer ähnlichen Situation zu einer Rangelei unter den Fotografen. In den Katakomben leistete der ebenfalls gesperrte Eric Abidal Gesellschaft.

"Wir haben uns fast verletzt, so hart haben wir bei jeder verpassten Chance auf unsere Wasserflaschen gehauen", erzählte der junge Verteidiger hinterher, "dann, bei den beiden Toren, flogen die Flaschen durch die Gegend."

So wird er nicht abtreten

Die Kollegen draußen siegten auch für Zidane, wie der französische Verbandspräsident Jean-Pierre Escalettes berichtete: "Sie wollten ihm unbedingt diesen Erfolg schenken. Eine Woche lang hatten alle immer wieder davon gesprochen: So wird Zinédine nicht abtreten."

Er ist so nicht abgetreten, das Stadion verließ er trotzdem fast unbemerkt. Weil die Fifa alle dazu verpflichtet, musste auch er an den Reportern vorbeigehen, aber es war mehr ein Huschen, schnell und wortlos. Nun also bleibt noch ein Spiel, mindestens, und natürlich wird er auflaufen an diesem Dienstag gegen die Spanier.

Vor der Partie gegen Togo hatten einige Experten geunkt, dass es vielleicht ohne ihn besser gehen würde. Der moderne Fußball benötige Akteure, die den Ball schneller passen als Zidane, sagten sie. Und hätte die Équipe de France ohne ihren Kapitän großartigen Sport geboten, die Debatte wäre wirklich losgetreten worden.

Aber der Vortrag gegen die Togoer war nicht brillant, was vermutlich ein Glück ist für die Franzosen, denn so eine Diskussion wäre in diesem Moment schädlich. Ohnehin hätte Raymond Domenech nie auf ihn verzichtet, sonst hätten die Landsleute den Trainer bei einer vorzeitigen Rückkehr nach Paris mit der Guillotine empfangen.

Blasphemie

Zizou zu kritisieren gilt jenseits des Rheins als Blasphemie, der Held der WM 1998 ist in den Umfragen immer noch der beliebteste Franzose, als erster Sportler der Geschichte.

Der alte Weggefährte Bixente Lizarazu empörte sich in seiner Kolumne in der Zeitung L'Équipe über die aufkommenden Zweifel: "Von einem Tag auf den anderen zu vergessen, was Zidane bringt und gebracht hat, ist eine Respektlosigkeit", schreibt der frühere Münchner, "er ist und bleibt unverzichtbar."

Doch das Spiel ist tatsächlich rastloser geworden, und mit dem dreimaligen Weltfußballer agiert Frankreich zumindest anders. Der Ball wird auf der Suche nach der Lücke von einer Seite zur anderen getrieben, der Gegner dabei müde gespielt, aber weniger überrumpelt.

Die Elf gewinnt Ballbesitz und Kontrolle, verliert aber Spontaneität und Direktheit. Allerdings ist Zidane dabei, sich umzustellen. Gegen die Schweiz lancierte er Stürmer Henry zuweilen umgehend. Und läuferisch sowie kämpferisch stimmte die Leistung bisher ebenfalls. Malouda wird vermutlich weichen müssen, der schwächste Mittelfeldmann gegen Togo.

Spanien also, ausgerechnet die Auswahl des Landes, das seine Heimat geworden ist. Auf der Abschiedstour vor und bei dieser WM hat Zidane nur einmal geweint, nicht in Paris nach dem letzten Länderspiel im Stade de France, sondern in Madrid nach dem abschließenden Auftritt mit Real im Estadio Santiago Bernabeu.

Irgendetwas mit Kindern

Obwohl die Karriere jetzt zu Ende geht, werden die Zidanes in der spanischen Hauptstadt bleiben. Sie haben gerade gebaut, ein prachtvolles Haus in einem der schönen Wohnviertel. Zidane will Real verbunden bleiben, würde gerne irgendetwas mit Kindern machen. Seine eigenen gehen auf die französische Schule.

Zidane hat mittlerweile vier Söhne, nach Enzo, Luca und Théo wurde an Weihnachten Elyaz geboren. Die Gattin brachte ihn in Marseille zur Welt, die Zidanes verbanden den Klinikaufenthalt mit einem Besuch bei seinen Eltern. An den Abenden kickte Zinédine mit den alten Freunden aus dem Viertel. Wie damals, als alles begann.

© SZ vom 27.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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