Frankreichs Nationalteam:Bloß nichts Neues wagen

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Didier Deschamps und Nationaltorhüter Lloris sind auf dem Weg zur Fußball-EM 2020. (Foto: REUTERS)
  • Bei Weltmeister Frankreich läuft es auch in der gerade angelaufenen EM-Quali gut: Gegen Moldawien gelingt ein klarer Sieg.
  • Trainer Deschamps vertraut seinen Weltmeistern - er will keine großen Experimente machen.

Von Oliver Meiler, Paris

Von Didier Deschamps gibt es Sätze, die sind so elementar in ihrer Logik, dass sie für sich ewige Gültigkeit reklamieren. Als der französische Fernsehsender M6 zur Pause des Spiels Frankreich gegen Island, Qualifikationsgruppe H für die Fußball-Europameisterschaft 2020, den Nationaltrainer zur Leistung seiner Mannschaft befragte, sagte der: "Unser Plan ist es, eine Spielaktion jeweils in einer Hälfte zu beginnen und in der anderen zu beenden." Hat es jemals jemand schöner gesagt? Den Weltmeistern gelang dieses organische Hälftewechseln ganz gut, manchmal sogar fliegend.

Am Ende stand ein ausgeruhtes 4:0, und die Sporttageszeitung L' Équipe titelte: "La fête continue" - die Party geht weiter. Vor einigen Tagen hatten die Franzosen Moldawien 4:1 besiegt, die Nummer 170 des Weltfußballs. Die Gruppe H ist nun mal keine Hammergruppe: Andorra, Albanien und die Türkei stehen noch auf der Liste. Und so fragte man sich in Frankreich, warum Didier Deschamps nicht ein bisschen experimentieren mochte, eine Nuance Neues wagen, eine sanfte Renovierung. War zwar nie sein Ding, aber diesmal, mit diesen Gegnern, wäre etwas möglich gewesen. Fanden die französischen Medien.

Giroud spielt selten bei Chelsea, doch Deschamp hält an ihm fest

Er hätte zum Beispiel Clément Lenglet und Aymeric Laporte befördern können, Stammverteidiger beim FC Barcelona respektive bei Manchester City. Sie wären ziemlich geeignete Alternativen zu Samuel Umtiti von Barça und Raphaël Varane von Real Madrid, dazu zweifellos in besserer Form. Doch Deschamps ist ein Wohlfühltrainer, einer, dem die soziale Kompatibilität unter den Spielern wichtiger ist als deren jeweilige Form. Und wenn die in ihren Klubs nicht spielen? Tant pis, sei's drum. "Ich verstehe euch ja", sagte Deschamps unlängst zu den Journalisten: "Neues ist immer nett."

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Solange er Erfolg hat, ist die legendäre, schrullige Sturheit des Basken nur ein weit entfernter Randaspekt. Umtiti zum Beispiel fiel im Klub wegen einer Verletzung lange aus, Lenglet machte ihn beinahe vergessen. Doch gegen Island stand wieder Umtiti in der Startelf und traf dann auch noch mit dem Kopf zum 1:0. Auch Olivier Giroud, der Mittelstürmer, spielt nur noch selten in seinem Klub, dem FC Chelsea. In der Premier League bringt er es in dieser Saison auf nur sechs Volleinsätze. Bei der WM in Russland gelang ihm das unglaubliche Kunststück, in 546 Spielminuten nicht ein einziges Mal aufs Tor zu schießen.

Und was macht Deschamps? Behält ihn im Team, weil er dessen Rackerqualitäten schätzt, dieses konstante Pressing gegen die gegnerischen Abwehrreihen, die Turmfunktion auch fürs hohe Anspiel. Giroud, der Vielbelächelte, schafft Räume, wo es sonst keine gäbe. Und gegen Island erzielte er das 2:0, mit der Innenseite des Oberschenkels, irgendwie halt, wie sich das für einen richtigen Stürmer gehört.

In der ewigen Rangliste französischer Torjäger steht Giroud nun an dritter Stelle, mit 35 Treffern. Nur Thierry Henry (51 Tore) und Michel Platini (41) trafen in ihrer Karriere häufiger als "Olive", wie sie ihn nennen. Hinter Giroud rangieren mittlerweile David Trézeguet, Zinédine Zidane, Jean-Pierre Papin und Just Fontaine - der Hochadel des französischen Fußballs.

Räume schafft Giroud unter anderem für Kylian Mbappé, 20 Jahre alt, die personifizierte Zukunftsversicherung der Franzosen. Mbappé braucht gar nicht viele von diesen Räumen, um allen Gegnern die Sinne zu verdrehen mit seinen fintenreichen Läufen über rechts, links, auch mal durch die Mitte. Deschampsches Hälftewechseln wirkt dank Mbappé oftmals wie ein Kinderspiel. Der junge Mann war gegen Island wieder der Beste, er schoss das 3:0 im Straucheln, nachdem er schon den Ball auf den Kopf Umtitis serviert hatte, und er legte dann auch für Antoine Griezmann das 4:0 auf. So viel Routine, so früh - wann hat es das schon gegeben?

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Mbappé könnte bald zur Hauptfigur eines langen und ziemlich verrückten Sommerfeuilletons werden. Die Zeitschrift France Football schreibt, Real Madrid interessiere sich dermaßen intensiv für den Spieler aus der Pariser Vorstadt, dass es bereit sei, alle bisherigen Richt- und Rekordwerte in diesem Geschäft zu pulverisieren. 280 Millionen Euro sollen für den Transfer bereitstehen. Das wären fast sechzig Millionen mehr, als Paris Saint-Germain vor zwei Jahren bei der Abwerbung von Neymar Junior zum FC Barcelona überwiesen hatte. Und hundert Millionen mehr, als PSG in der Saison danach für die Verpflichtung von Mbappé investierte.

Ein Wahnsinn? Das kommt auf die Perspektive an. Florentino Pérez, dem Präsidenten Reals, wirft man Fahrlässigkeit vor, weil er Cristiano Ronaldo ziehen ließ, ohne ihn passend zu ersetzen. Mit einer Großnummer des Sports, einem Galaktischen aus derselben sportlichen Kategorie und Marketingklasse wie CR7, oder eben knapp darunter. Eden Hazard zum Beispiel oder Neymar. So die Wahl tatsächlich auf Mbappé gefallen sein sollte, dann hat wohl Zinédine Zidane nach ihm gefragt, der alte und neue Trainer des Vereins. Ohne eminente Personalzusagen ließ er sich ja wohl kaum überzeugen, an seine eigene, schier nicht zu verbessernde Erfolgsära mit drei Siegen in der Champions League nacheinander anzuknüpfen. Alle dementieren. Aber auch das gehört nun mal zu einem guten Feuilleton.

© SZ vom 27.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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