Frankfurter Stürmer:Meier gut, Eintracht gut

Frankfurter Stürmer: Frankfurts wichtigster Spieler: Alexander Meier.

Frankfurts wichtigster Spieler: Alexander Meier.

(Foto: AP)

Dieser Typ Stürmer gilt eigentlich als ausgestorben: Doch Alex Meier, der robuste Innenrist-Knipser von Eintracht Frankfurt, führt die Torjägerliste der Fußball-Bundesliga an. Dazu musste er erst eine Art Machtkampf überstehen.

Von Thomas Kilchenstein, Frankfurt

Das sichere Alex-Meier-Tor hat Alex Meier erstaunlicherweise nicht gemacht. Es war eine Chance wie gemalt für ihn: 16, 17 Meter vor dem Tor, halb links versetzt, die Kugel am Fuß, die Innenseite offen. "Den", sagt Marco Russ, "macht er normal blind", selbst morgens um halb vier in Straßenschuhen. Doch das Normalste der Welt missriet Meier, der Ball strich über den Querbalken des vom Dortmunder Roman Weidenfeller gehüteten Tores. "Das kann eigentlich nicht sein", haderte der Lange, "das wurmt mich."

Alexander Meier, vor bald 32 Jahren in Buchholz in der Nordheide geboren, seit zehn Jahren bei Eintracht Frankfurt, ist ein Phänomen, ist das Herz des Teams, vielleicht auch ein Automat. Ein Torautomat. Meier trifft fast immer. Immer mit der Innenseite. Von seinen 90 Toren, die er in in 281 Spielen für die Eintracht erzielt hat, waren vielleicht fünf, sechs darunter mit Vollspann. Er ist kein Wühler, kein Dribbler, nicht mal ein guter Kopfballspieler, trotz seiner Größe von 1,96 Meter. Aber er ist ein höchst verlässlicher Knipser: Seine Schüsse mit der Innenseite sind kleine Kunstwerke, präzise, tödlich, ästhetisch, technisch anspruchsvoll.

Trainer Schaaf ließ ihn zunächst draußen

Als Kind, erzählt er gern, hat er auf Anweisung seines Vaters ganze Nachmittage Bälle gegen das Garagentor geschossen, um seine Innenseite zu schulen. In der laufenden Saison hat er, obwohl in den ersten Spielen kaum eingesetzt, schon acht Treffer markiert, öfter traf bisher keiner. "Er macht die Kirsche rein", sagt Trainer Schaaf knapp. Bester Torjäger der Saison? "Wird einer vom FC Bayern", sagt Meier.

So einen Spieler wie Meier gibt es eigentlich gar nicht mehr. Vereinstreu, uneitel (neuerdings allerdings mit Zöpfchen), unprätentiös, skandalfrei - und ohne je in der DFB-Auswahl zu stehen. "Dafür bin ich zu alt", hat er gesagt, als das Thema vor knapp drei Jahren aufkam. Da war er 29. Zwei Spiele im sogenannten Perspektivteam hat er gemacht, wer erinnert sich noch daran? Seine jüngste Vertragsverlängerung ging geräuschlos über die Bühne, bis 2017 hat er unterschrieben.

Im Januar wird er 32, von Müdigkeit keine Spur. Meier ist kräftiger geworden, besser, er ist kein Schlacks mehr, aber der wichtigste Spieler bei der Eintracht, ist ihre Lebensversicherung. Geht es Meier gut, geht es Eintracht gut, ist ein geflügeltes Wort am Main. Ohne seine Tore stünde es schlecht um den Klub; als er einmal länger verletzt war, stiegen die Hessen ab. Er trifft im Schnitt pro Saison zweistellig, dabei pendelt er laufstark zwischen Mittelfeld und Sturm, eine Art "Mittelfeldstürmer", wie die Frankfurter Rundschau schrieb. "Für Spieler wie ihn", sagte unlängst Vorstandschef Heribert Bruchhagen, "lohnt es sich, täglich im Büro zu arbeiten."

Machtkampf mit Schaaf?

Das sahen anfangs nicht alle so. Thomas Schaaf etwa, der am Sonntag erstmals als Trainer gegen Werder Bremen spielt, ließ ihn zu Saisonbeginn draußen - und baute auf den wankelmütigen Takashi Inui. Meier nahm es hin, streute nur ab und an subtile Spitzen. Was sich mit Schaaf geändert habe, ist er gefragt worden: "Wir waren im Trainingslager auf Norderney."

Die Zeitungen schrieben schon von einem Machtkampf. Kaum stand Meier in der Startelf, traf er regelmäßig ins Tor. Doch er musste stur in der Spitze spielen, alte Schule, vorne drin, Schaaf wollte es so. "Ich soll mir jetzt den Ball nicht mehr holen, dann mache ich es nicht mehr", sagte Meier. Manchmal kam er auf 20, 25 Ballkontakte im Spiel. Er traf trotzdem.

Schaaf und Frankfurt - das funktionierte anfangs überhaupt nicht. Der ewige Bremer verordnete den spielstarken Hessen ein Defensivkonzept mit seltsamen Hauruck-Bällen nach vorne - mit der Folge, dass die Frankfurter in spielerischer Armut versanken und fünf Pflichtspiele am Stück verloren. "So können wir in der Bundesliga nicht mithalten", insistierte Meier.

Dann, einen Tag vor dem Bayern-Gastspiel, begehrten die Spieler auf, baten den Coach um ein Gespräch. Sie wollten anders spielen, Initiative ergreifen, höher stehen, früher attackieren - so wie vor ein paar Jahren unter dem Trainer Armin Veh in der Europa League. Schaaf war klug genug, diese Form der Mitbestimmung zu akzeptieren. Seitdem agieren die Frankfurter im guten, alten Bremer Stil mit zwei Spitzen und einer Raute. Und Meier darf sich die Bälle wieder holen. Prompt gelang den Hessen mit zwei spektakulären Siegen (ein 3:1 in Mönchengladbach und das 2:0 gegen Borussia Dortmund) die Wende.

Alex Meier, das nur am Rande, traf auch in diesen beiden Spielen. Mit der Innenseite.

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