Süddeutsche Zeitung

Frankfurter Nullnummer:Sommers Tag

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Gladbachs Torwart rettet der Borussia ein 0:0 und treibt Frankfurt allmählich in die Verzweiflung. Nach ausgezeichneter Vorrunde will der Eintracht einfach kein Tor mehr gelingen.

Von Tobias Schächter, Frankfurt

Als Marco Fabian am 24. Januar 2016 für Eintracht Frankfurt debütierte, war die Sache mit dem Toreschießen dort noch ziemlich einfach. Der Mexikaner wurde in der Halbzeit des Spiels gegen Wolfsburg eingewechselt, am Ende hatten die Hessen 3:2 gewonnen. Fabian glänzte mit einer Torvorlage, und Alexander Meier hatte alle Frankfurter Tore erzielt. Nachher erklärte Fabian grinsend, er habe gehört, man müsse in Frankfurt nur Meier anspielen, dann falle schon ein Tor. Rund 14 Monate ist das her, aber viele Gewissheiten von damals gelten heute nicht mehr.

Dieter Hecking etwa war im Januar 2016 noch Trainer des VfL Wolfsburg. Am Samstag, nach dem glücklichen 0:0 seines neuen Klubs Borussia Mönchengladbach in Frankfurt, erklärte er: "Die deutlich schlechtere Mannschaft hat einen Punkt geholt, wir müssen uns bei Yann Sommer bedanken." Der Gladbacher Torwart rettete den Borussen mit mehreren Glanzparaden einen Punkt. In der 78. Minute parierte er sogar einen Elfmeter von Marco Fabian.

Sommers Glanztaten verhagelten der Eintracht den Nachmittag. "Ich könnte heulen", gab Frankfurts Trainer Niko Kovac zu. Trotz einer engagierten Leistung und vieler Torchancen reichte es nicht zum Sieg. Die Eintracht sammelte in der Rückrunde bislang nur acht Punkte in neun Begegnungen und erzielte dabei nur vier Treffer. In den zuletzt sieben Spielen ohne Sieg brachte die Elf sogar nur ein einziges Tor zustande. Der weltweit bekannte Lehrsatz der alten Frankfurter Schule (Ball zu Meier = Tor), er gilt nicht mehr.

Und das hat nicht nur damit zu tun, dass der bei der Eintracht als Fußballgott verehrte Meier diesmal verletzt fehlte. Der 34-Jährige hat seinen Status als Stammspieler unter Kovac eingebüßt. Am sensiblen Meier zehrt das, er spricht nicht über seine neue Rolle als Teilzeitkraft, und Kovac reagiert genervt auf Nachfragen. Mit fünf Toren ist Meier aber noch immer bester Torschütze. Weder Branimir Hrgota noch Ante Rebic oder Haris Seferovic sind kalte Torjäger, auch aus dem Mittelfeld zeigt kein Spieler dauerhaft Torgefahr. Läuft es gut, so wie in der Vorrunde, dann heißt es, die Eintracht habe sich endlich aus ihrer Meier-Abhängigkeit gelöst. Läuft es schlecht, so wie in der Rückrunde, dann wird Meiers Torgarantie vermisst.

Gegen Gladbach verschoss die Eintracht schon den vierten von fünf Elfmetern in dieser Runde (zwei davon vergab übrigens Alex Meier). Die Selbstverständlichkeit im Abschluss ist dem Torjäger in der Debatte um seinen Status offenbar abhandengekommen.

Mit 29 Zählern war die Eintracht nach der Vorrunde den Champions-League-Plätzen nahe, der Abstand auf den Relegationsrang 16 betrug 16 Punkte. Nun hat sich der Abstand nach hinten halbiert, die Champions-League ist wieder Utopie, und Kovac sagt: "Wir hatten unseren Lauf in der Hinrunde, jetzt kommen die anderen."

In der vorigen Saison schaffte die Eintracht mit dem für Armin Veh geholten Kovac über die Relegationsspiele noch den Klassenverbleib. Niemand hätte vor dieser Runde prognostiziert, dass die Eintracht nach 26 Spieltagen als Tabellensiebter eine realistische Europapokal-Chance besitzen würde - außerdem steht sie im Halbfinale des DFB-Pokals. Die Bilanz liest sich ohne die Geschichte dazu als Erfolgsstory. Aber so wie die Saison bis zum 17. Spieltag gelaufen ist, würde das Verpassen des Europapokals als Enttäuschung wahrgenommen werden, auch wenn die Leistungsstärke dieses Kaders eher im Mittelfeld zu verorten ist. Kovac, ein notorischer Realist, sagt: "Ich bin nicht blauäugig, ich schaue weiter nach unten." Bevor nicht 40 Punkte geholt sind, weigert sich der Kroate, höhere Ziele anzusprechen.

Doch das Team hat durch die außerordentliche Vorrunde nicht nur bei den Fans einige Sehnsüchte geweckt, die Ernüchterung im ganzen Klub ist groß. Und zumindest ein Lehrsatz trifft derzeit für die Eintracht zu wie für keine andere Mannschaft in dieser Liga: Wer keine Tore schießt, kann keine Spiele gewinnen - ob mit oder ohne Alex Meier.

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Quelle:
SZ vom 03.04.2017
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