Am Montagmorgen haben sie miteinander eine schnelle Zigarette geraucht, aber zur Wahrheitsfindung hat auch das nicht beigetragen. Armin Veh und Heribert Bruchhagen haben kurz übers Spiel vom Vortag geplaudert, über die 1:2-Niederlage der Frankfurter gegen den VfB Stuttgart. Sie waren ausgesprochen einig, sie waren beide der Meinung, dass es nicht die schlaueste Idee des Spielers Schwegler war, den Stuttgarter Boka so zu foulen, dass der Schiedsrichter einen Strafstoß gegen die Eintracht verhängen musste.
"Wenn Boka über rechts kommt, muss man überhaupt nicht grätschen, der hat doch bloß einen linken Fuß", brummte Veh. Er kennt diesen Boka ziemlich gut, er ist mit ihm 2007 Meister geworden. Armin Veh kennt viele Spieler ziemlich gut, das liegt daran, dass er schon 22 Jahre im Geschäft ist, was er seit 22 Jahren mit wechselnden Jahresangaben betont. Er hat noch nicht so viele Erstligisten durch wie der Kollege Magath, aber immerhin, er war schon in Rostock, Stuttgart, Wolfsburg, Hamburg, Frankfurt . . . - und Schalke?
Ob Veh sich schon entschieden habe, in Frankfurt zu verlängern oder, was allgemein erwartet wird, zu Schalke 04 überzuläufen? "Kann ich seriös auch nicht einschätzen", sagt Heribert Bruchhagen, der Vorstandschef der Eintracht. Er ist eine der Hauptfiguren in dieser schrägen Trainerstory, die das Publikum mit lustigen Widersprüchen unterhält.
Einerseits lassen die Frankfurter keine Gelegenheit aus, in aller Öffentlichkeit ihren "dringlichen Wunsch" nach einer Vertragsverlängerung zu hinterlegen, wie Bruchhagen sagt: "Wir wollen den Trainer unbedingt behalten." Andererseits sind sie doch etwas verstimmt, dass ihr Wunschtrainer sie immer so vor sich her treibt. Dass er in bewährtem Armin-Veh-Style stündlich neue Spieler fordert, und dass er - wenn er sie bekommt - irgendwie trotzdem nicht zufrieden ist.
"Manchmal fehlt mir etwas das Verständnis für seine Gedankengänge", sagt Bruchhagen. "In Wolfsburg und Hamburg hat es Armin aus verschiedenen Gründen nicht gefallen, diese Faktoren gibt es hier alle nicht. Und wenn es immer heißt, wir sollten ihm Perspektiven aufzeigen: Das haben wir doch gemacht. Armin hat in den zwei Jahren hier 30 Spieler geholt, und wir haben 16 Millionen mehr ausgegeben als eingenommen" - was natürlich auch an dem Jahr in der zweiten Liga lag, das weitgehend unter Erstliga-Konditionen bestritten wurde.
"Irgendwann kommt der Punkt, wo man als Klub sagen muss: Jetzt geht's nicht mehr. Wenn Sportjournalisten immer ,eine Vision' fordern, heißt das ja nichts anderes als: Schulden machen."
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Mario Gomez zeigt es mit einer edlen Einzelleistung gegen Leverkusen allen Kritikern, Schalkes Julian Draxler wird mit einer kuriosen Aktion zum Billardspieler und Freiburgs Trainer Christian Streich wird zum Prediger der Fußball-Bundesliga.
Darum geht es: dass Veh akzeptiert, dass er in Frankfurt gut aufgehoben ist, auch wenn Messi jetzt vielleicht doch nicht kommt. "Aber das öffentliche Fordern ist ja nur eine Facette des Trainers", sagt Bruchhagen, er betont das Wort: eine. Er meint damit: Mit seinen anderen Facetten können wir hier sehr gut leben.
"Wir wissen alle, dass Platz vier nicht unser natürlicher Lebensraum ist", sagt Bruchhagen, "und Armin weiß, dass wir hier auch Krisen gemeinsam durchstehen würden." Bruchhagen will dem Trainer die Angst vor der Fallhöhe nehmen, sein Angebot lautet: Mach' dir keine Sorgen, wenn wir nächstes Jahr Neunter oder Zwölfter werden, ich erklär' das den Leuten in Frankfurt dann schon. Ich werf' dich nicht raus.
Das aber ist, wie man ahnt, Vehs geringste Sorge. Er hat sich längst emanzipiert von diesen Branchenritualen. Entlassung? Wenn's ihm nicht mehr passt, hört er lieber von selber auf.
In den nächsten Tagen wird eine Entscheidung erwartet, das bestätigt Bruchhagen, auf einen genauen Termin lässt er sich nicht festlegen. In der Länderspiel-Pause werde es passieren, das sagte auch Veh am Sonntag, denn "dieses Rumgeeiere ist auf Dauer unerträglich". Ein Satz, der Bruchhagen einigermaßen amüsiert: "Es würde eigentlich eher mir zustehen, so was zu sagen. Von unserer Seite gibt es ja kein Rumgeeiere. Wir haben immer gesagt, dass wir Armin gern halten würden."
In Frankfurt werten sie diesen Satz als Selbstgespräch eines Trainers, den die Sache jetzt selbst langsam nervt. Veh, der coole Cowboy, hat sich lange Zeit listig auf die 40-Punkte-Grenze rausreden können, nach dem Motto: Danach werde er sich erklären. Da die Eintracht aber seit Wochen kaum mehr punktet, ist aus der Koketterie das Rumgeeiere geworden.
"Ich hoffe ja immer noch, dass Armin bleibt", sagt Bruchhagen. Ob er es auch für möglich halte? "Ich habe gesagt: Ich hoffe." Hört sich ganz so an, als könnte Schalkes Manager Horst Heldt bald seinen neuen Trainer vorstellen.