Frankfurt spielt 3:3 gegen Berlin:Nachmittag der Jubelposen

Ein wildes Spiel endet in einem gerechten Remis. Den Ausgleich in der Nachspielzeit köpfelt Zugang Michael Hector, der sich für seinen schwierigen Start entschädigt.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Alexander Esswein brauchte dringend den Spielball, aber den hatte sich leider schon der Gegner geschnappt. Doch der 26-Jährige ist ein mutiger junger Mann, und so wagte er sich selbst in diesem kniffligen Moment in Richtung der gegnerischen Fankurve. Ein Balljunge warf ihm einen anderen Ball zu, und danach musste sich Esswein zwar viele Pfiffe anhören - konnte aber auch mit dem Ball unterm Trikot und dem Daumen im Mund Grüße an seine Freundin schicken, die gerade im vierten Monat schwanger ist.

Es war wohl die auffälligste Torjubelpose bei diesem abwechslungsreichen und unterhaltsamen 3:3 (1:2) zwischen Eintracht Frankfurt und Hertha BSC. Die beiden Teams sind derzeit ja so überraschend gut platziert, dass ihr Aufeinandertreffen formal sogar als tabellarisches Topspiel des Tages gelten durfte. Herthas Trainer Pal Dardai ("Für die Zuschauer war das schön, aber für einen Trainer sind hier zu viele Tore gefallen") war mit dem Ergebnis zu Recht etwas unzufriedener als sein Pendant Niko Kovac, dessen Mannschaft zweimal einen Rückstand aufholte und in der Nachspielzeit den Ausgleich schoss. "Das zeigt, dass wir charakterlich auf einem guten Weg sind", sagte der frühere Hertha-Spieler.

Der muntere Nachmittag begann schon in der vierten Minute, als Frankfurts Danny Blum zur ersten guten Chance kam. Und nach 19 Minuten fiel auch das erste Tor. Herthas Valentin Stocker hatte im gegnerischen Strafraum den Ball, und von der Seite attackierte ihn Eintrachts Angreifer Haris Seferovic, nicht rüde, aber so ungeschickt, wie sich Angreifer im eigenen Strafraum manchmal anstellen. Zu Recht gab Schiedsrichter Felix Brych Strafstoß, und Vedad Ibisevic schoss so hart und platziert, dass Frankfurts Torwart Lukas Hradecky trotz des Sprungs ins richtige Eck den Ball knapp verfehlte.

Niemand erinnert sich an die C-Jugend-Weisheit

Nach dem 1:0 kontrollierte die Hertha das Spiel weitgehend und kam nach 34 Minuten zu ihrer nächsten Chance. Doch in der Mitte verpasste Genki Haraguchi eine Vorlage von Ibisevic knapp. Und so stand es kurz darauf 1:1 statt 2:0, und bemerkenswert an diesem Ausgleich war durchaus, dass er aus einer Ecke der Berliner resultierte. Das auffällige Hin- und Hergelaufe der Hertha-Spieler zeigte, dass sich offenkundig intensivere Gedanken um eine Eckball-Variante gemacht worden waren. Aber leider war es eine Eckball-Variante, bei der sich niemand an die gute alte C-Jugend-Weisheit erinnert hatte, nach der sich für einen etwaigen Abpraller immer irgendein Spieler nahe der Sechzehnerlinie zu positionieren hat.

Es gab also einen Faust-Abpraller von Hradecky, kein Herthaner, sondern ein Frankfurter kam an den Ball, und aus dem folgenden Konter resultierte der Ausgleich: Ball nach links zu Danny Blum, weite Hereingabe nach innen, wunderbare Annahme und platzierter Abschluss des Mexikaners Marco Fabian. "Diesen Spielzug trainieren wir genau so immer", gab Flankengeber Blum hinterher preis, wofür er sich eine Rüge seines Trainers Niko Kovac einfing: "Der soll doch nicht alles verraten."

Fast im Gegenzug hatten die Herthaner die Chance zur erneuten Führung, aber Hradecky parierte - und dafür war die Eintracht plötzlich dank Alex Meier vorne. Es gehört zu den grundsätzlichen Glaubensfragen in Frankfurt, ob der Mann mit dem Dutt nun eher als Mittelstürmer oder als hängende Spitze auflaufen soll, weil er irgendwie so schwer einzuschätzen ist.

Berlin profitiert von einem Wechsel

Er ist weder ein echter Neuner noch ein falscher Neuner noch ein schwarzer, roter, gepunkteter oder sonstwie zu charakterisierender Neuner. Sondern er ist einfach jemand, der ganz oft ahnt und weiß, wo der Ball hinkommt - und der deswegen recht viele Tore schießt. Kovac setzt ihn derzeit meist ganz vorne ein, dahinter agiert dann der in dieser Saison aufblühende Marco Fabian, und Haris Seferovic kommt eher von rechts außen. Jedenfalls ahnte Meier nach einem Eckball kurz vor dem Halbzeit-Pfiff mal wieder am besten, wo der Ball hinkommt. Er prallte ihm vor der Füße, kein Gegenspieler war zu sehen. Schon stand es 2:1.

Ganz gerecht war das nicht, aber die Berliner ließen sich davon auch nicht aus dem Konzept bringen. Und sie profitierten erheblich von einem Wechsel. Trainer Dardai schickte in der Pause Alexander Esswein aufs Feld, um so auf der rechten Angriffsseite Schnelligkeit zu gewinnen, und gleich in den beiden ersten Szenen mit dessen Beteiligung zahlte sich das aus. Erst flankte er von rechts auf Ibisevic, der schnell reagierte und mit seinem dritten Saisontreffer zum 2:2 einschoss (58.). Und nur wenig später verlud Esswein Gegenspieler Ante Rebic und schlenzte den Ball ins lange Eck zur 3:2-Führung (65.), wofür er dann den Ball unters Hemd und den Daumen in den Mund steckte.

Danach rannte Frankfurt zwar an, richtig zwingende Möglichkeiten ergaben sich aber nicht. Doch in der Nachspielzeit flankte der eingewechselte Rebic noch einmal auf den gleichfalls eingewechselten Michael Hector. Es war fast ein Wunder, dass der zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Feld stand. Bei seinem ersten Einsatz für Frankfurt hatte er Gelb-Rot gesehen, bei seinem zweiten Rot, und nach ein paar Minütchen gegen Ingolstadt unter der Woche kam er nun völlig straffrei durch seinen 60-minütigen Einsatz gegen die Hertha. Und nicht nur das, er köpfelte den Ball auch noch zum 3:3 ins Netz.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: