Süddeutsche Zeitung

Eintracht Frankfurt auf Platz zwei:Ein unzufriedener Bayern-Jäger

Eintracht Frankfurt gewinnt 3:0 gegen Schalke 04, weil aus wenigen klaren Chancen drei Tore entstehen. Doch Trainer Oliver Glasner sagt: "Wenn wir jedes Spiel so bestreiten, werden wir nicht so viele Punkte machen".

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Thomas Reis gab sich im pechschwarz getünchten Presseraum der Frankfurter Arena erst gar keine Mühe, die Enttäuschung eines mal wieder ernüchternden Bundesliga-Spieltags zu verschweigen. "Ein sehr, sehr bitterer Nachmittag für uns. Ich denke, man hat heute brutal gesehen, warum wir da unten stehen und die Eintracht so weit oben steht", fasste der Trainer des FC Schalke 04 den nächsten Genickschlag einer aus königsblauer Sicht weiterhin ziemlich verkorksten Saison zusammen.

Derweil wollte Gegenüber Oliver Glasner trotz des 3:0-Erfolgs von Eintracht Frankfurt im frisch verschneiten Stadtwald erst gar keinen Überschwang aufkommen lassen. "Es ist ein Sieg, der in dieser Höhe nicht verdient war. Schalke hat mir fast besser gefallen als das, was wir gezeigt haben." Seine Elf sei "nicht konsequent, ein bisschen träge" gewesen, weshalb der Frankfurter Fußballlehrer lieber den Gästen reichlich Komplimente machte - auch wenn sie in Gelsenkirchen niemand mehr hören kann.

Denn nach der langen WM-Unterbrechung begann eben auch das neue Jahr mit einem Misserfolg, der angesichts mancher Erfolgserlebnisse der Konkurrenz im Tabellenkeller - allen voran der Sieg des Ruhrrivalen VfL Bochum - die Wahrscheinlichkeit auf einen erneuten Schalker Abstieg vergrößert. "Natürlich bist du Tabellenletzter, also sind die meisten Mannschaften ein bisschen besser", merkte Reis mit einer Prise Fatalismus an.

Frankfurts Trainer Oliver Glasner lässt der Sprung auf Platz zwei kalt: Das sei "völlig belanglos".

Derweil koppelte sich Kollege Glasner lieber von den tabellarischen Realitäten ab. Niemand solle ihm trotz des Sprungs auf den zweiten Rang mit dem Begriff des Bayern-Jägers kommen. "Wenn wir jedes Spiel so bestreiten, werden wir nicht so viele Punkte machen", kritisierte der 48 Jahre alte Österreicher, der das Ranking gar als "völlig belanglos" bezeichnete. Die Effizienz seines Ensembles, in dem WM-Entdeckung Randal Kolo Muani trotz Krankheitssymptomen auflief und keine Hilfe darstellte, war indes meisterhaft.

Den Hessen reichte letztlich die individuelle Klasse, um den Unterschied herzustellen: Einen einstudierten Spielzug nutzte der flinke Jesper Lindström, um Schalke-Verteidiger Henning Matriciani vor dem 1:0 einfach mal zu überlaufen (22.). In der Schlussphase trafen der eingewechselte Rafael Borré (84.) und der nach langer Leidenszeit debütierende Aurelio Buta (90.+2), die sich damit beide für Beharrlichkeit in der Vorbereitung belohnten.

Ansonsten aber hatte auch Manager Markus Krösche an der teils fahrigen Vorstellung einiges zu bemängeln: "Das war kein gutes Spiel von uns: Die Art und Weise ist nicht das, was wir uns vorstellen. Wir müssen uns steigern." Sonst würden die beiden nächsten "schweren Spiele" beim SC Freiburg (Mittwoch) und beim FC Bayern (Samstag) nicht gut ausgehen.

Deutliches Zeichen für die Verhältnisse auf dem Platz: Torwart Trapp ist bester Frankfurter

Tatsächlich stand der beste Frankfurter zwischen den Pfosten: Der seit Wochen um eine vorzeitige Vertragsverlängerung pokernde Nationaltorwart Kevin Trapp drehte mit den Fingerspitzen einen Kopfball von Simon Terodde an den Pfosten (28.), wehrte einen Versuch von Soichiro Kozuki (47.) ab oder rettete gegen den eingewechselten Michael Frey (90.+4). Chancenlos wäre er gegen Kozuki gewesen, doch da rettete der Pfosten (32.).

"Natürlich verzweifelst du draußen, am liebsten würdest du die Chancen selbst machen", haderte Reis, der sich nur schwerlich damit tröstete, dass "die Mannschaft alles versucht und größtenteils auf Augenhöhe gespielt hat". Der 49-Jährige hat die Abschlussschwäche längst als Kardinalproblem seiner Mission identifiziert: "Frankfurt hat aus wenigen Möglichkeiten viel Kapital geschlagen. Wir benötigen dafür wahrscheinlich acht Chancen." Vielleicht sind die Heimspiele gegen RB Leipzig (Dienstag) und den 1. FC Köln (Sonntag) eine Gelegenheit, Alternativen für den abermals ziemlich glücklosen Aufstiegshelden Terodde in vorderster Linie zu erproben.

Sowohl der von der U23 hochgezogene und mit einem Profivertrag ausgestattete Kozuki, als auch der gerade erst verpflichtete und mit einem Kurzeinsatz erprobte Frey zeigten Hoffnung stiftende Ansätze. Reis stellte ihre Unbekümmertheit heraus, die vielleicht noch nützlich werden könne, "wenn man mit dem Allerwertesten an der Wand steht".

Der von Royal Antwerpen geliehene Schweizer Frey scheint zudem mit einer Menge Selbstbewusstsein gesegnet zu sein. "Ich habe in den letzten zwei Jahren über 40 Tore in Belgien gemacht. Ich glaube schon, dass ich helfen kann. Ich habe eine Mannschaft gesehen, die sich zerreißt", urteilte der 28-Jährige, der bei der Anfrage des "Riesentraditionsvereins" angeblich sofort vom Helfersyndrom gepackt war. Zumindest einer hörte sich also so an, als sei es für die Königsblauen im Tabellenkeller noch nicht zappenduster.

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