Frankfurt-Leipzig (18 Uhr):Auf der Kovac-Spur 

SC Freiburg - Eintracht Frankfurt

Will an den unerwarteten Europacup-Erfolg gegen Olympique Marseille anschließen: Eintracht-Coach Adi Hütter.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Eintracht Frankfurts Trainer Adi Hütter scheint sich leise von seiner Vorliebe für Offensivfußball zu verabschieden - und schmiedet den Plan B: Er stellt die Mannschaft nach den Stärken der Vorsaison auf.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

In Frankfurt sind sie ziemlich konsequent. Auf der großen Hinweistafel, die vor dem Haupteingang der Arena immer die anstehenden Heimspiele der Eintracht anzeigt, fehlt vom kommenden Gegner das Wappen. Auch der Homepage ist zwar zu entnehmen, dass der hessische Bundesligist am Sonntag gegen RB Leipzig antritt, aber ein Bullenlogo kommt weit und breit nicht vor. Über der Eintracht prangt der Adler. Über Leipzig steht nur weißer Raum. Bloß nicht werben für ein ziemlich ungeliebtes Konstrukt, da herrscht im Verein ziemlich große Einigkeit. Auch damit kann ausgedrückt werden, was ein Klub von einem anderen hält.

Nur bei Adi Hütter war am Freitag auf der Pressekonferenz von solchen Animositäten nichts zu hören. Der Österreicher hat ja selbst 2014/2015 den FC Red Bull Salzburg trainiert, ehe unterschiedliche Auffassungen mit Ralf Rangnick nach nur einer Spielzeit in der Trennung mündeten. Aus dieser Zeit kennt Hütter heutige Leipziger Leistungsträger wie Peter Gulacsi, Stefan Ilsanker, Marcel Sabitzer oder Konrad Laimer bestens ("Ich freue mich auf ein Wiedersehen unter Rivalen"), und über die bevorzugte Spielweise ("Pressing und Gegenpressing") müsse ihm auch niemand etwas erzählen. Er sagte: "Das wird Stressfußball."

Natürlich hat der Eintracht-Trainer mitbekommen, dass Kollege Rangnick seine Protagonisten gehörig unter Feuer setzen wird, nachdem die Sachsen im Brause-Bruderduell der Europa League eben gegen Salzburg (2:3) nicht gerade durch Übereifer auffielen. Ganz anders als die Hessen, die nach fünfjähriger Abstinenz von der internationalen Bühne im Geisterspiel bei Olympique Marseille (2:1) trotz eines sehr unpassenden Rahmens ein vorbildliches Engagement in die Waagschale warfen und durch ein spätes Tor des eingewechselten Luka Jovic sogar in Unterzahl den Europa-League-Finalisten bezwangen.

Spätestens als Heißsporn Jetro Willems sich im Stade Vélodrome nach knapp einer Stunde die zweite Hinausstellung der jungen Saison einhandelte, befahl Hütter den geordneten Rückzug. Seine bestens verständlichen Anweisungen - hörbar selbst in der Fernsehübertragung - erinnerten seine Spieler im beinahe menschenleeren Stadion die letzte halbe Stunde fast ausnahmslos an defensive Pflichten. Hütter nahm deshalb die Atmosphäre im Nachgang fast als Vorteil wahr; nämlich um sich endlich mal Gehör zu verschaffen: "Man versteht gewisse Dinge auf dem Platz einfach besser."

"Ich gewinne lieber 4:3 als 1:0 und spiele gerne nach vorn", sagte Hütter im Sommer

Es waren ja schon leise Zweifel aufgekommen, ob dieser eher leise Typ Fußballlehrer wirklich der richtige für den neu zusammengestellten Kader ist, den Sportvorstand Fredi Bobic im Sommer gebastelt hat. Aber vielleicht hat es dieses Erweckungserlebnis in der südfranzösischen Hafenstadt gebraucht; nun hat die Eintracht immerhin schon zwei von sechs Pflichtspielen gewonnen. "Es könnte möglicherweise eine Initialzündung für die Spieler sein", sagte Hütter nach der Rückreise. "Wir müssen gegen Leipzig dort weitermachen, wo wir in Marseille aufgehört haben und unsere Tugenden wie Laufbereitschaft, taktische Disziplin und Zweikampfstärke einbringen. Wenn ich die Statistik sehe, sind wir nach RB Leipzig die Mannschaft, die am zweitmeisten sprintet." Auch Schlagwörter wie Mentalität, Emotion und Leidenschaft fielen.

Es sind genau jene Tugenden, die an selber Stelle eigentlich Woche für Woche Hütters Vorgänger Niko Kovac beschworen hat. Tief verteidigen, penetrant wehren - und dann irgendwann selbst zuschlagen. So hatten die zur Einheit verschweißte Eintracht ja nicht nur die Bayern im Pokalfinale geschlagen, sondern es war der Markenkern unter dem heutigen Bayern-Trainer, dem die Metamorphose vom Abstiegskandidaten zum Europapokalteilnehmer gelang, ehe er dem Lockruf aus München erlag. Wenn Hütter sich nun an den Errungenschaft des Vorgängers orientiert, ist das gewiss nicht verkehrt.

Heimlich, still und leise hat sich der 48-Jährige von jenen Prämissen verabschiedet, die er bei seiner Vorstellung verkündete. Da gab sich der Vorarlberger, gerade mit Young Boys Bern Schweizer Meister geworden, als ausgesprochener Offensivliebhaber zu erkennen. "Ich gewinne lieber 4:3 als 1:0 und spiele gerne nach vorn, aber Plan B ist nicht ausgeschlossen." Es spricht für einen gewissen Pragmatismus, dass er den Alternativplan inzwischen zur Anwendung bringt.

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