Süddeutsche Zeitung

Eintracht Frankfurt:Ausgerechnet jetzt verfliegt der Zauber

Seitdem klar ist, dass Trainer Hütter Frankfurt verlässt, wirkt die Eintracht kraftlos und uninspiriert. Es mehren sich Indizien, dass der Zusammenhalt von Coach und Team gelitten hat - exemplarisch ist der Umgang mit Amin Younes.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Der plötzliche Wärmeeinbruch am Sonntag hatte auch Adi Hütter flugs zum Kleiderwechsel veranlasst. Hellgraue Stoffhose, weißes Polo-Shirt: Der Trainer von Eintracht Frankfurt verfolgte beim 1:1 im Nachbarschaftsduell gegen den FSV Mainz 05 im luftigen Antlitz eine der schwächsten Heimleistungen der Saison.

Ausgerechnet in Hütters 100. Bundesligaspiel an der Seitenlinie wirkte seine Mannschaft eine Halbzeit lang eher wie eine Ansammlung halbstarker Jungs, die sich zum Sommerkick im nahe gelegenen Stadionbad verabredet haben: Ohne Struktur, Tempo und Plan spulte jeder für sich sein Tagwerk ab. Obgleich die erstmalige Qualifikation für die Champions League winkt und mehr als 10 000 Postkarten im Spielertunnel hingen, die treue Anhänger waschkörbeweise zur Unterstützung an die Geschäftsstelle geschickt hatten.

Seit Hütter, 51, seinen Weggang zu Borussia Mönchengladbach angekündigt hat, ist der bereits am Niederrhein beklagte Leistungseinbruch unter einem Trainer, der wechseln wird, nun auch in der Mainmetropole zu beobachten. Die vier Punkte aus vier Spielen, drei vom FC Augsburg fast geschenkt, verschweigen, wie kraftlos das Ensemble seitdem auftritt. Es scheint, als habe jemand im Frankfurter Stadtwald den Stecker gezogen. Der Zauber ist ohnehin verflogen - bis auf die eine Szene, in der Ajdin Hrustic, australischer Nationalspieler mit multikultureller Vita, im Sitzen den Ball per Bogenlampe ins Mainzer Tor bugsierte (86.). Trotz des künstlerisch wertvollen Treffers rutschten die Hessen erstmals seit Ende Januar aus den Top Vier.

Ausgerechnet Mainz soll der Eintracht nun helfen

Die routinierten Führungskräfte spürten sofort, dass einiges aus dem Ruder gelaufen war. Kapitän Makoto Hasebe, 37, vermisste die Kreativität und Intensität, Torwart Kevin Trapp, 30, rätselte über Angst und Lähmungserscheinungen. Es mehren sich die Indizien, dass Chef Hütter seine Angestellten nicht mehr so zu packen bekommt wie vorher. Exemplarisch dafür steht der Umgang mit Amin Younes.

Mit dem im März wieder in der Nationalmannschaft eingesetzten Trickser geriet der Trainer vor Wochen in der Kabine aneinander, seitdem spielt Younes, 27, für die Startelf kaum noch eine Rolle. Offiziell heißt es immer, der Spieler sei angeschlagen, aber nach seinen Einwechslungen trumpft er putzmunter auf. Entsprechend gereizt reagierte der Fußballlehrer aus Vorarlberg auf Nachfragen zu dieser Personalie.

In der vertrackten Gemengelage scheinen nicht mal mehr die finalen Aufgaben beim FC Schalke 04 (15. Mai) und gegen den SC Freiburg (22. Mai) für Frankfurt so leicht. Hütter geriet sichtlich in den Zwiespalt: "Wir haben heute das Ding aus der Hand gegeben. Mal sehen, ob wir am Ende nicht noch was in der Hand haben." Und er schob hinterher: "Der Fight ist noch nicht zu Ende."

Hütter zeigt einen Anflug von Resignation

Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass ausgerechnet die in Frankfurt ungeliebten Mainzer, stolze neun Spiele in Folge hintereinander ungeschlagen und dank des Tores von Karim Onisiwo (11.) lange im Vorteil, beim Kampf um die Königsklasse zum Zünglein an der Waage werden. Die Nullfünfer, selbst so gut wie gerettet, treten am Sonntag gegen Borussia Dortmund und dann beim VfL Wolfsburg an. "Wir spielen für Mainz und wollen in der Liga verbleiben", sagte Trainer Bo Svensson. Er könne versprechen, "das Beste in den letzten Spielen zu machen".

In Frankfurt haben die sensationellen Leistungen von Januar bis April die hohe Erwartungshaltung geschürt. Speziell in Corona-Zeiten sollte die üppige Entlohnung in der Champions League nicht leichtfertig verspielt werden. Hütter spürt, dass ihm der Negativtrend angelastet wird. Seine Rechtfertigung verriet einen ersten Anflug von Resignation: "Wir haben schon so viel gewonnen. Im schlechtesten Fall werden wir Fünfter."

Dann würde die Eintracht zwar das dritte Mal binnen vier Jahren in der Europa League antreten, doch das Erreichen würde gewiss nicht ganz so frenetisch bejubelt wie früher. Das hätte weniger mit den Begleitumständen der Pandemie zu tun, sondern mehr mit einem Trainer, der diesen Sommer wie viele andere Kollegen partout auf eine Luftveränderung drängte.

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