Frankfurt in der Europa League:Cup der Gewinner

Frankfurt in der Europa League: Frankfurter Festabende: In der Europa League jubelt die Eintracht vor großer Kulisse - und jetzt kommt Barcelona.

Frankfurter Festabende: In der Europa League jubelt die Eintracht vor großer Kulisse - und jetzt kommt Barcelona.

(Foto: Joaquim Ferreira/HMB-Media/Imago)

Seit Beckenbauers Bonmot vom Verlierer-Wettbewerb hat die Bundesliga ein schwieriges Verhältnis zum kleinen Europacup. Zumindest die Eintracht hat donnerstags Lust - das Viertelfinale gegen Barça soll gar ein "Jahrhundertspiel" werden.

Von Philipp Selldorf, Köln

Olaf Thon hat bereits, wie er der WAZ erzählt hat, mit allen telefoniert: "Soweit sie können, kommen sie auch - mit Begleitung. Wir sind dann eine Menge Leute und wir werden alle im Stadion sein - und hoffentlich gegen St. Pauli einen Sieg feiern."

Der 8. Mai könnte für den FC Schalke 04 ein schöner Tag werden. Vielleicht bejubelt das Publikum dann vorschussweise zwei Weltereignisse auf einmal: die Rückkehr in die Bundesliga - und das Jubiläum der Eurofighter. Punkt eins ist aus heutiger Sicht ungewiss, aber bis auf weiteres möglich. Punkt zwei steht faktisch nicht in Frage, ist aber lediglich in Gelsenkirchen ein Grund zum Feiern - im übrigen Fußballdeutschland gibt das Jubiläum Anlass zu Wut, Trauer und Betroffenheit.

Während der Mittelfeldspieler Olaf Thon und seine Kameraden unter Anleitung von Trainer Huub Stevens am 24. Mai den 25. Jahrestag ihres Triumphs im Uefa-Cup 1996/97 begehen, könnte Hans-Joachim Watzke als Spitzenvertreter des Profifußballs im Namen von DFL und DFB eine Vermisstenanzeige aufgeben: Gesucht wird der Klub, der die Bundesliga endlich wieder auf die Siegerliste dieses verdammten Wettbewerbs setzt.

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(Foto: Horstmüller/Imago)

Lange genug währt schon die Peinlichkeit. Nur zwei deutsche Vereine, Borussia Dortmund 2002 und Werder Bremen 2009, haben seit der besagten königsblauen Nacht von Mailand noch das Finale im Uefa-Cup respektive der Europa League erreicht - beide verloren. Seit Anbruch des 21. Jahrhunderts ist der Wettbewerb eine spanische Domäne, der FC Sevilla (allein sechs Mal), Atlético Madrid, Valencia und Villarreal vereinigen elf Titelgewinne. Warum haben die Spanier die Attraktion des Wettbewerbs erkannt, und die Deutschen nicht?

Sobald irgendwo in Deutschland Menschen über das Thema Europa League reden, fängt garantiert jemand an, Franz Beckenbauer zu zitieren und das Wort "Verlierercup" in die Runde zu werfen. Lustig ist das keineswegs. Beckenbauer hat so viele wunderbare Bemerkungen gemacht, aber diese ist zum Verhängnis geworden.

Sein vor bald 30 Jahren beiläufig gesprochenes Urteil ist über Generationen hinweg als tiefenpsychologisches Gift ins Bewusstsein der Bundesliga-Menschen eingedrungen. Als vor zwei Jahren der ehemalige Bayern-Spieler und Uefa-Cup-Gewinner von 1996, Thomas Helmer, auf der Bühne stand, um die Lose für die Europa League zu ziehen, hat er seinen Gastgebern das toxische Zitat als Witz präsentiert: "Wissen Sie, wie Franz Beckenbauer den Wettbewerb genannt hat? Cup of Losers." Helmer fand das sehr witzig, die Herren von der Uefa gar nicht.

Eintracht Frankfurt macht es in Europa besser als Wolfsburg, Hertha oder Gladbach

Der geeignete Konter hätte darin bestehen können, dem unsensiblen Deutschen die Namen von ein paar Klubs zu nennen, die in den vergangenen Jahren Vertreter der Bundesliga blamiert haben: Dass, nur mal als Beispiel, der VfL Wolfsburg im Vorjahr schon in der Vor-Qualifikation an AEK Athen scheiterte oder Mönchengladbach 2019 unter anderem wegen eines 0:4 gegen den Wolfsberger AC in der Gruppenrunde scheiterte, oder dass Dortmund neulich den Glasgow Rangers unterlag. Unvergessen und fast schön in seiner Vollendung: Wie Hertha BSC vor fünf Jahren in einer Gruppe mit Östersunds BK und Sorja Luhansk abgeschlagen Letzter wurde.

Wenn es einen deutschen Klub gibt, der sich in der Europa League ausnahmsweise nicht vorsätzlich blamiert, dann ist das Eintracht Frankfurt. Vor dem Viertelfinale gegen den FC Barcelona stehen die Frankfurter nun wieder im Mittelpunkt der nationalen Aufmerksamkeit. "Kein Verein identifiziert sich so mit dem europäischen Fußball, mit der Europa League, wie die Eintracht", nennt Heribert Bruchhagen im kicker ein Motiv des Phänomens.

Der frühere Frankfurter Klubchef glaubt, "eine positive Eigendynamik" habe die Beziehung in Gang gebracht, eine Mischung aus Zuspruch durch die eigenen Zuschauer und sportlicher Motivation. Bruchhagen erinnert sich an beispielhafte Ausflüge nach Kopenhagen 2006 und nach Bordeaux 2012, als 12 000 Frankfurter Fans die Stadt bereisten. Und die Kampagne, die 2019 bis ins Halbfinale gegen den FC Chelsea führte - mit unverdient unglücklichem Ende -, hat die Eintracht vorübergehend reich, berühmt und größer gemacht. Doch dann kam die Corona-Krise und bremste den geplanten Aufstieg zum Spitzenklub.

Die Wirkung der Fan-Resonanz ist einer der wenigen konkreten Ansätze zur Erklärung der deutschen Europa-League-Misere. Das extrem laute, selbstbewusste und vergnügungsfreudige Frankfurter Publikum stattet die Eintracht mit einem Traditionsklub-Bonus aus, den Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim oder die Berliner Hertha mit ihrer trüben Spielstätte nicht haben. Der 1. FC Köln, der rheinische Verwandte der Eintracht, ist im Jahr seiner Rückkehr in den Europacup (2017/18) zwar in die zweite Liga abgestiegen, aber vom Auftritt beim FC Arsenal, als mehr Kölner denn Einheimische im Stadion waren, erzählen sich die Leute immer noch gern.

Frankfurt in der Europa League: Barcelonas junges Schmuckstück Pedri, am Donnerstag in Frankfurt zu Gast.

Barcelonas junges Schmuckstück Pedri, am Donnerstag in Frankfurt zu Gast.

(Foto: Joan Monfort/dpa)

Steffen Baumgarts Mannschaft bekommt die Kölner Sehnsucht nach weiteren Abenteuerreisen jetzt wieder zu spüren, und der Trainer gehört gewiss nicht zu den Vertretern seines Standes, die beim Thema Europa League an Überbelastung denken statt an tolle Auslandstouren. Das Bejammern der Strapazen durch Trainer und Manager hat schon manchen Bundesliga-Klub ins Europacup-Aus befördert.

Diesmal aber ist die Liga immer noch prominent vertreten in der zweiten europäischen Liga. RB Leipzig ist gegen Atalanta Bergamo ein Einzug ins Halbfinale zuzutrauen, bei der Eintracht sieht man sich gegen den Barcelona als Außenseiter. Der Klub hatte angeblich 300 000 Kartenanfragen erhalten, es gab aber bloß 48 000 Tickets.

Dieses Spiel ist auch nicht nur bloß ein Spiel, sondern das "Spiel der Spiele" (Frankfurter Rundschau) respektive ein "Jahrhundertspiel" (FAZ) oder auch das "zweitgrößte Spiel der Vereinsgeschichte", wie Trainer Oliver Glasner sagte. Nummer eins ist immer noch das Endspiel gegen Real Madrid im Landesmeister-Pokal von 1960 (3:7). Aber wer weiß? Glasner hatte schon nach der Auslosung verkündet: "Ganz klar, wir wollen ins Halbfinale." Vielleicht folgt auf das eine Jahrhundertspiel gleich das nächste und das übernächste.

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