Frankfurt:Abstiegskampf ist spannend!

1. FSV Mainz 05 - Eintracht Frankfurt

Abtritt ohne Regung: In der 40. Minute erhielt Frankfurts Alexander Meier nach wiederholtem Foulspiel die gelb-rote Karte.

(Foto: Fredrik Von Erichsen/dpa)

Die ungefährliche Eintracht nähert sich nach der nächsten Enttäuschung in Mainz immer mehr den hinteren Tabellenplätzen.

Von Ulrich Hartmann, Mainz

Breaking News aus Frankfurt: Der Fußballtrainer Armin Veh hat bislang NICHT seinen Rücktritt erklärt. Es ist Winter, seine Mannschaft tut sich schwer, das Tabellenende rückt näher. Eigentlich wäre jetzt traditionell Anlass für ihn zu erklären, dass es so nicht weitergeht. Nach dem 1:2 seiner Eintracht beim FSV Mainz 05 hat Veh der Mannschaft schwere Defizite im körperlichen Spiel diagnostiziert und einen bis zum Saisonende dauernden Abstiegskampf prophezeit. Doch statt wie vor einem Jahr als Stuttgarter Trainer zu beschließen, solch einen Existenzkampf nicht begleiten zu wollen, oder wie vor eineinhalb Jahren in Frankfurt, sich für Herumkrebsen im bedeutungslosen Tabellenmittelfeld nicht begeistern zu können, sagt Veh diesmal: "Wir müssen mal anfangen zu punkten." Das klingt verwirrend kämpferisch und so, als wolle sich Veh tatsächlich auf den Abstiegskampf einlassen. Er spricht sogar schon über personelle Veränderungen im Kader, um die Mannschaft für eine bessere Zukunft zu rüsten.

Am 3. März 2014 hatte der 54 Jahre alte Fußballtrainer dezidiert erläutert, warum er bei Eintracht Frankfurt eigentlich nicht glücklich werden kann. Dem Klub seien Grenzen gesteckt, "und ich will nicht nach jedem Spiel dem gegnerischen Trainer gratulieren müssen." Am Ende jener Saison wechselte Veh von der Eintracht zum VfB, ist vor einem halben Jahr aber wieder zurückgekehrt. Seitdem hat er in 14 Bundesligaspielen sechs Mal dem gegnerischen Trainer gratulieren müssen, zuletzt am Samstag dem Mainzer Martin Schmidt. Um 18.20 Uhr sagte Veh in der Pressekonferenz im Souterrain des Mainzer Stadions: "Gratulation an meinen Kollegen."

Die Eintracht hat in Stefan Reinartz, Luc Castaignos, Marc Stendera, Johannes Flum und Marco Russ zurzeit Verletzte, die ihr schmerzlich fehlen, sie hat in Mainz nach viereinhalb Minuten den 0:1-Rückstand erlitten, nach 40 Minuten wegen strenger Strafauslegung per gelb-roter Karte ihren Stürmer Alexander Meier verloren, zwei Minuten später das 0:2 bekommen und ist dann von ihren schmollenden Fans demonstrativ ignoriert worden. Den Frankfurtern ist in den vergangenen zehn Ligaspielen nur ein Sieg gelungen, sie haben nur zwei Punkte aus den jüngsten vier Partien erwirtschaftet und in siebeneinhalb Stunden Fußball zuletzt zwei Tore geschossen. Der Stürmer Meier hat seit sechs Wochen nicht mehr getroffen, sein Nebenmann Stefan Aigner in dieser Saison gar nicht. Meier, der wegen seines Platzverweises auch im brisanten Hessen-Derby am kommenden Sonntag gegen Darmstadt 98 fehlt, äußerte am Samstag, man erleide derzeit eine Pechserie. Er sprach in einer branchenüblich derben Version sinngemäß von Exkrementen am Fuß.

Als Veh im März 2014 seinen Abschied aus Frankfurt ankündigte, war die Eintracht mit 23 Punkten Zwölfter. Als er im November 2014 in Stuttgart hinschmiss, war der VfB mit zwölf Punkten Sechzehnter. Jetzt ist Frankfurt mit 14 Punkten Dreizehnter, und als der Trainer am Samstagabend vor der Abreise aus Mainz noch kurz vor Journalisten die Situation reflektierte, tat er ironisierend so, als sei seine Prophezeiung eines bis zum Saisonende dauernden Abstiegskampfes doch zumindest unter dem Gesichtspunkt der Spannung eine recht gute Nachricht. Im gesicherten Mittelfeld sei so eine Saison ab dem Frühjahr doch wohl eher bedeutungslos.

Veh wünscht sich Profis für Eins-gegen-eins-Situationen

Veh entdeckt im fortgeschrittenen Alter offenbar neue Seiten an sich, womöglich sogar eine gewisse Freude am Überlebenskampf im Tabellenkeller. Die 1:2-Niederlage in Mainz hat jedenfalls seinen jüngsten Eindruck bestätigt, "dass wir unser Personal irgendwann so ändern müssen, dass wir auch mal Eins-gegen-eins-Situationen gewinnen, das brauchst du in der Bundesliga, sonst bist du zu leicht auszurechnen". Man habe in Frankfurt zwar durchaus "einen ordentlichen Kader" beisammen, "aber für ein paar Situationen brauchen wir solche Spieler".

Am liebsten hätte Veh einige qualifizierte Kampfkicker bereits für die Aufgabe gegen Darmstadt. Das Sonntagsderby gegen den geografischen und tabellarischen Nachbarn hat wegweisenden Charakter, weshalb sie den baumlangen Mittelstürmer Meier mit seinem stets kämpferischen Gestus schon vermissen werden. Veh kritisierte Meiers Risiko in Mainz, als bereits Verwarnter in der 40. Minute etwa 70 Meter vor dem eigenen Tor im Mittelfeld ein unnötiges taktisches Foul begangen zu haben. "Alex weiß, dass er Mist gebaut hat", sagte Veh halbwegs nachsichtig.

Manchmal aber fallen kleine Sünden gerade im Kontext des Misserfolgs ins Gewicht. Meier nennt die derzeitige Konstellation "gefährlich". Im Spiel gegen Darmstadt wird er also fehlen, danach, wenn er wieder mitspielen darf, gastiert Frankfurt in Dortmund. Der Trainer Armin Veh hat so richtig schöne spannende Wochen vor sich.

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