Franken-Duell Fürth gegen Nürnberg:Winterspeck für die Seele

Premiere für ein Traditions-Derby: Fürth und Nürnberg treffen erstmals in der Bundesliga aufeinander. Die Klub-Verantwortlichen wissen: Ein Sieg im Nachbarschaftsduell könnte den Rest der Saison beeinflussen.

Christof Kneer

SpVgg Greuther Fuerth - Fortuna Duesseldorf

Der Aufstieg macht's möglich: Greuther Fürth trifft nun auch in der Bundesliga auf den 1. FC Nürnberg.

(Foto: dapd)

Dieter Hecking und Mike Büskens haben in dieser Woche jeweils einen neuen Freund gefunden. Das ist schön für sie, denn Freunde sind wichtig, wenn die Familien Hunderte von Kilometern entfernt leben. Dieter Hecking ist Fußballtrainer im fränkischen Nürnberg, Mike Büskens ist Fußballtrainer im fränkischen Fürth. Heckings Familie lebt in Bad Nenndorf/Niedersachsen, Büskens' Familie in Gelsenkirchen/Schalke. Wenigstens können sich die Familien seit dieser Woche damit trösten, dass sie ihre Männer und Väter in der Fremde noch besser aufgehoben wissen als bisher schon. Jeder der Männer hat, wie gesagt, jetzt einen neuen Kumpel. Der neue Kumpel von Dieter Hecking heißt Mike Büskens. Der neue Kumpel von Mike Büskens heißt Dieter Hecking.

Franken wartet auf das Derby, die ganze Woche wurde die Uhr heruntergezählt, und jede Geschichte, die sich nicht bei drei auf einen der Bäume hinter einem der Trainingsplätze geflüchtet hatte, wurde gnadenlos erzählt. In all den Geschichten ging es um Rivalität in all ihren Ausprägungen, und das hat jetzt dazu geführt, dass sich die Parteien so nahe gekommen sind wie nie zuvor. Am Mittwoch waren Hecking und Büskens erst beim kicker, dann bei den Nürnberger Nachrichten, dann bei der Nürnberger Zeitung, dann bei der örtlichen Bild-Filiale, begleitet wurden sie von einem Kamerateam von Sky. Es gibt jetzt Bilder, die einwandfrei belegen, wie hervorragend Hecking und Büskens sich verstanden haben, und Menschen, die dabei waren, versichern, Hecking und Büskens hätten sich hervorragend verstanden.

Es ist ein kurioses Spiel, das der Bundesliga bevorsteht. Nürnberg und Fürth, das ist einerseits das Derby aller Derbys, es ist 110 Jahre alt und wurde bisher 254 Mal ausgetragen, genauso oft wie das heilige Duell zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona. Andererseits ist es ein Derby, das Leute in Hamburg, Frankfurt oder Bad Nenndorf kaum dazu ermuntert, die Uhr herunterzuzählen. "Würde ich in Gelsenkirchen in der Innenstadt erzählen, dass das älteste, größte und emotionalste Derby Deutschlands ansteht, könnte es sein, dass das einige anders sehen", sagt Mike Büskens. Er weiß ja, wie das ist, wenn Dortmund und der S04 aufeinanderprallen und mit solider Verachtung "Herne-West" und "Lüdenscheid" zueinander sagen. Nürnberg und Fürth sagen Nämberch und Färdd zueinander, aber für den Rest der Republik klingt das nicht nach Verachtung, sondern Fränkisch.

Derby gilt als Hochsicherheitsspiel

Aber wer die Woche in Franken verfolgt hat, wird dieses Derby nicht unterschätzen. Es steckt voller schöner alter Geschichten, aber es enthält auch jede Menge aktuelle Sorgen. Die alten Geschichten sind die aus den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, beide Teams waren damals so prägend, dass die deutsche Nationalelf 1924 in einem Spiel gegen die Niederlande ausschließlich mit Nürnbergern (fünf) und Fürthern (sechs) antrat. Die Spieler reisten im selben Zug, aber in verschiedenen Abteilen an, und als dem Fürther Karl Auer das Siegtor gelang, gratulierten fünf Mitspieler. Fünf Mitspieler gratulierten nicht.

SpVgg Greuther Fuerth - Borussia Moenchengladbach

Will vor dem Duell gegen Nürnberg deeskalierend wirken: Fürth-Trainer Mike Büskens.

(Foto: dapd)

Aus jenen Tagen speist sich die Rivalität, die den Verantwortlichen im Jahr 2012, beim ersten Aufeinandertreffen der Rivalen in der ersten Liga, ernsthafte Sorgen bereitet. Auch deshalb haben Hecking und Büskens sich ja gemeinsam in ihren Medien-Marathon gestürzt: um Feindbilder abzumontieren, um zu deeskalieren, um darauf hinzuweisen, dass es sich hier um einen sportlichen Wettstreit im Rahmen des 13. Bundesliga-Spieltags handelt. Kleeblatt gegen Club gilt den Behörden dennoch als Hochsicherheits-Spiel, spätestens, seit ein paar Dutzend Club-Ultras vor einem Monat ein Klubhaus von Fürth-Anhängern angriffen und eine Massenkeilerei anzettelten. Im Dezember 2011 hatten die Club-Fans mit ansehen müssen, wie die SpVgg Greuther Fürth, damals noch Zweitligist, im Nürnberger Stadion ungefragt ein Pokalspiel gewann und im Feindesland eine Jubelpolonaise startete.

Sieg als Seelenretter

An jenem Spiel aus dem Dezember 2011 kann man ablesen, wie viel Macht dieses Frankenderby immer noch besitzt. "Aus unserem Sieg im Pokal ist eine Kraft erwachsen, die uns dann bis in die erste Liga geführt hat", sagt Helmut Hack, der Fürther Präsident. Das klingt pathetisch, ist aber die reine Wahrheit. In Franken kann dieses Derby Seelen retten, das ist der Aspekt, der dieses Spiel für die Klub-Verantwortlichen so verführerisch macht. "Für den Saisonverlauf kann man in diesem Spiel viel mehr gewinnen als nur drei Punkte", sagt Nürnbergs Sportchef Martin Bader.

"Für das Selbstwertgefühl eines Club-Fans bedeutet ein Derby-Sieg extrem viel, man kann die Fans für eine Weile glücklich machen. So eine Stimmung könnte uns allen helfen." Nürnbergs Elf läuft noch nicht rund, Bader ahnt, dass ein harter Winter auf den Club zukommen könnte, und ein Derby-Sieg würde für jenen Winterspeck sorgen, von dem die Anhänger ein Weilchen zehren könnten. Wenn Fürth die Magie eines Derby-Siegs zum Aufstieg nutzen kann, dann sollte die emotionale Wucht eines Derby-Siegs auch fähig sein, in Nürnberg jene Ruhe zu garantieren, die Bader und Hecking zum Arbeiten brauchen.

Ob den überwiegend unfränkischen Spielern wohl bewusst ist, was dieses Derby bedeutet? "Die leben ja nicht auf den Bäumen", sagt Bader, "die haben das sehr genau mitbekommen." Und ihrem Japaner Hiroshi Kiyotake haben sie sicherheitshalber noch gesagt, Nürnberg gegen Fürth sei ungefähr so, als ob Gamba Osaka und Cerezo Osaka gegeneinander spielen.

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