Franck Ribéry und Arjen Robben:Zukunft im Trachtenjanker

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Die berühmteste Flügelzange der Vereinsgeschichte verabschiedet sich.

Von Claudio Catuogno, München

Wie oft der Ball im Netz gelandet war, wie viele Tore bejubelt wurden vom Publikum in der Münchner Arena, das hat am Ende niemand mehr zählen können. Nicht mal der Torwart Javi Martínez, der sich sowieso allenfalls symbolisch in die Bälle warf, die da auf ihn zugerollt kamen. Abgefeuert von der Nummer zehn. Mit links. Natürlich mit links - wie sich das für einen jungen Robben gehört. Papa Arjen, 35, gab seinem Sohn Luca, 11, derweil ein paar Vorlagen und trug ansonsten die Meisterschale spazieren. Familienidylle im Konfettischnipselmeer.

Dass Fußballer ihren in der Regel sehr zahlreich vorhandenen Nachwuchs zu sich auf den Stadionrasen holen, wodurch selbst eine hochoffizielle Meisterfeier irgendwann so wuselig daherkommt wie ein Maifest im Kindergarten, das ist längst ein beliebtes Ritual am Saisonende geworden. Nach dem 5:1 (1:0) des FC Bayern gegen Eintracht Frankfurt war diese multiple Familienaufstellung aber noch etwas spezieller als sonst. Alles sah sehr nach Abschied aus. Der viel beschworene Umbruch beim FC Bayern, den der Präsident Uli Hoeneß auch am Samstagabend wieder thematisierte ("Wenn wir selbst im Umbruch Meister werden, muss es einem um den FC Bayern nicht bange werden") - dieser Umbruch wurde jetzt endgültig greifbar in kleinen Szenen und Geschichten. Bei allem, was die Hauptpersonen auf dem Rasen so taten, schwang der Gedanke mit: Das tun sie hier jetzt zum letzten Mal!

Franck Ribéry trug ein irritiert dreinblickendes Baby auf dem Arm, ehe er sich größeren Objekten zuwandte: den unvermeidlichen Weißbiergläsern. Später brachte Ribéry auch noch die Meisterschale in seinen Besitz und gab sie nicht mehr her. Das kennen sie längst bei den Bayern, dass sich am Ende Ribéry um die Silberware kümmert. Vielleicht, weil er sich mehr noch als alle anderen über diese Titel definiert? Legendär jedenfalls, wie er sich 2013, in der Nacht nach dem Gewinn der Champions League, nach eigener Aussage noch unter der Bettdecke an den Henkelpott kuschelte.

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(Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Fast schon zu dreist als Schlusspointe: Sowohl Franck Ribéry...

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(Foto: Matthias Balk/dpa)

als auch Arjen Robben kamen spät und trafen.

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(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Zum Abschied auf Händen getragen: Rafinha, 33.

Zwischendurch war Ribéry am Samstag noch am Zaun zur Südkurve, hundert Hände schütteln. Als ihm jemand das Stadionmikrofon hinhielt, brachte der 36-jährige Franzose nur ein tränenersticktes "Dankeschön! Mir san mir!" hervor.

Als man Ribéry dann aber später berichtete, dass auch der Präsident Uli Hoeneß auf seinem Ehrenplatz hatte weinen müssen - in der 72. Minute nämlich, als Ribéry tatsächlich noch mal ein Tor beisteuerte zu diesem 5:1 -, da war dem Franzosen schon wieder zum Scherzen zumute: "Was? Uli hat geweint? 'At er nischt gesagt: Wir machen ein Jahr mehr!"? Ribéry persiflierte da quasi seinen berühmtesten Satz aus zwölf Jahren beim FC Bayern: "Isch 'abe gemacht fumf Jahre mehr", so hatte er 2010 vom Rathausbalkon die frohe Kunde seiner Vertragsverlängerung überbracht.

Arjen Robben, 35, hat man am Samstag hingegen nicht weinen sehen. Nur genießen. Robben schien gar nicht heraus zu wollen aus der Arena, die jetzt zehn Jahre lang seine Heimat war. Draußen brummte der Motor des Mannschaftsbusses, der Pressesprecher hatte schon eine strenge Ansage gemacht ("Arjen, wir warten nur noch auf dich!"), auch die Ordner wurden unruhig - aber Robben stand immer noch vor den Mikrofonen und sprach von seiner grenzenlosen Dankbarkeit. Was ist schon eine Meisterfeier im kleinen Kreis am Nockherberg, zu der die Mannschaft jetzt loswollte, gegen diesen Abschied auf der ganz großen Bühne, den Robben hier noch mal aufsaugen konnte?

Dass es jetzt tatsächlich zu Ende geht für die berühmteste Flügelzange der Vereinsgeschichte, Ribéry aus Frankreich und Robben aus den Niederlanden, das hatte sich lange abgezeichnet. Der Verein 'at gemacht kein Jahr mehr. Beide waren lange verletzt gewesen, und in Kingsley Coman und Serge Gnabry stehen ihre Nachfolger nicht nur bereit - sondern längst in der Startelf. Coman erzielte das 1:0 (4.), Gnabry legte das vermeintliche 2:0 nach, das der Videoschiedsrichter wegen Abseits aber wieder einkassierte. Robben und Ribéry? Die durften erst mitmachen, als der 29. Meistertitel im Fernduell mit Borussia Dortmund durch weitere Treffer von David Alaba (53.) und Renato Sanches (58.) schon unter Dach und Fach war. Erst dann startete die Tour d'honneur. Aber wie!

Bekam die Trophäe für den Torschützenkönig: Robert Lewandowski. (Foto: Florian Peljak)

Ribéry kam in der 61. Minute, Robben sechs Minuten später. Beide Male wurde es laut - und dann begannen diese fast kitschigen 20 Minuten, die man nun auf ewig mit diesem Meistertitel verbinden wird. 72. Minute: Ribéry dribbelt von links in den Strafraum, an zwei Frankfurtern vorbei, wie das immer seine Spezialität war - dann löffelt er den Ball ins Tor, sein 86. Treffer im 273. Ligaspiel (424 insgesamt mit den Bayern). Dann die 78. Minute: Alaba legt den Ball quer, Robben muss nur noch einschieben, mit links, sein 99. Treffer im 201. Ligaspiel (insgesamt: 308). Ribéry wurde begraben von seinen Mitspielern, Roben lief feixend wie ein kleiner Junge zur Seitenlinie, eher er ebenfalls in einer Jubeltraube verschwand. "Das kann man nicht besser inszenieren", sagte der Trainer Kovac. Und Hoeneß verortete die beiden "in die Phalanx der ganz Großen" um Beckenbauer, Müller, Matthäus oder Kahn. Und fügte an: "Da geht ein Teil der Familie, das ist für mich immer was ganz Schlimmes." Er meinte damit auch den Brasilianer Rafinha, 33, dessen Vertrag ebenfalls ausläuft.

Was die Zukunft bringt? Nun, irgendwann werden die drei Helden wohl wieder in der Arena stehen, im Trachtenjanker, und der nächsten Generation zur Meisterschaft gratulieren. Zur 30., zur 31., zur 32. und immer so weiter.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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