Franck Ribéry:Vom Erdarbeiter zum neunmaligen deutschen Meister

Lesezeit: 2 min

Lief am Samstag zum letzten Mal für den FC Bayern in einem Bundesligaspiel auf: Franck Ribéry. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Franck Ribéry ist eine der prägendsten Figuren, die der FC Bayern je hatte. Seine Herkunft hilft zu erklären, wie er dazu wurde.

Von Claudio Catuogno

Auf dem Schulhof in Boulogne-sur-Mer nannten sie ihn "Quasimodo", wegen der Narben im Gesicht, die er als Zweijähriger bei einem Autounfall davontrug. Vom Sportinternat in Lille haben sie ihn weggeschickt, die Noten waren zu schlecht. Mit 19 kickte er für 1500 Euro im Monat in der dritten französischen Liga, in Alès, Region Languedoc-Roussillon. Ehe der Klub pleite ging und Franck Ribéry sogar das Geld fehlte, um etwas zu essen zu kaufen. Also nahm ihn der Vater mit auf den Bau. Sie erledigten Erdarbeiten.

In den 16 Jahren, die danach kamen, wurde Ribéry neunmal deutscher Fußballmeister, so oft wie kein anderer Spieler bisher. Und natürlich hat das eine mit dem anderen zu tun: die Demütigungen und Existenzängste von früher - und dieser wundersame Aufstieg zu einer der prägendsten Figuren, die der an prägenden Figuren reiche FC Bayern München je beschäftigt hat. "Irgendwie", lautet Ribérys Erklärung, "habe ich meine ganze Wut in mein Spiel gepackt."

Jérôme Boateng
:Der einsamste Bayern-Spieler

Während Rafinha, Robben und Ribéry jede Ehre bekommen, steht Jérôme Boateng unbeteiligt daneben. Nach 286 Pflichtspielen wird er als ein Spieler gehen, der sich vom FC Bayern entfremdet hat.

Von Martin Schneider

Wo jemand herkommt, hilft oft zu erklären, was aus ihm wird. Entscheidend ist aber auch, wer einen auf diesem Weg begleitet. Als Ribéry, 36, am Samstag zum letzten Mal für den FC Bayern in einem Bundesligaspiel auflief und dabei kurz nach seiner Einwechslung ein letztes Tor erzielte, da kamen auf der Tribüne dem Präsidenten Uli Hoeneß die Tränen. "Irgendeiner da oben hat Regie geführt", sagte er später. Der Verdacht fiel sofort auf den Fußballgott.

Hoeneß war es, der Ribéry 2007 nach München holte, nachdem der damals noch junge Franzose über Brest, Metz, Istanbul und Marseille einen rasanten Aufstieg hingelegt hatte. Und Hoeneß war es auch, der Ribéry immer alles verzieh. Etwa seine Streiche. Ribéry schmierte Zahnpasta unter Türklinken, füllte Salz in die Zuckerstreuer, kippte Wasser vom Dach der Geschäftsstelle über den Kopf von Oliver Kahn. Franck, der Filou. Das ist der lustige Teil der Geschichte.

Oft saß Ribéry aber auch auf Hoeneß' Sofa und beklagte sich bitterlich. Wenn der Trainer ihn ausgewechselt hatte! Oder: gar nicht erst aufgestellt! "Uli war wie ein zweiter Vater für mich": Zum Abschied hat Ribéry noch mal verkündet, was ohnehin alle wussten. Er stand unter Hoeneß' persönlichem Schutz.

Halal-Fleisch stand für den zum Islam konvertierten Ribéry stets bereit

Nötig war das vor allem, wenn Ribéry mal nicht nach Späßen zumute war. Wenn der Trotz und die Unbeherrschtheit von früher wieder hervortraten. Etwa, als er Anfang des Jahres mit dem Verzehr eines Blattgold- Steaks einen Shitstorm auslöste - und seine Kritiker dann mit derben Beleidigungen überzog. Oder als die französische Justiz gegen ihn ermittelte, weil er eine minderjährige Prostituierte hatte einfliegen lassen (deren Alter er nach eigener Aussage nicht kannte, was ihn vor einer Strafe bewahrte). Dass er bei der WM 2010 einen Trainingsstreik mit anzettelte, gilt bis heute als größte Schande des französischen Fußballs. In seiner Heimat hat ihn das Publikum danach quasi ausgebürgert. Da war es ein Segen, dass sie ihm in München die bayerische Staatsbürgerschaft geradezu andienten. Die Liebe der Fans war grenzenlos, und der Verein tat sein Bestes. Halal-Fleisch stand für den zum Islam konvertierten Ribéry ebenso stets bereit wie ein Privatjet.

Als Ribéry zum ersten Mal auf dem linken Flügel seine Gegenspieler schwindelig spielte, im August 2007 bei einem 3:0 gegen Hansa Rostock, standen außer ihm für die Bayern auf dem Platz: Kahn, Lahm, Lúcio, Demichelis, Jansen, Van Bommel, Zé Roberto, Schweinsteiger, Toni, Klose. Ribéry ist ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit, trotzdem ist er nie aus der Mode gekommen mit seinen Tricks, seinen Übersteigern, seiner Dynamik. Ribéry war der Mann, der das Spektakel zum FC Bayern brachte. Und nun ist Schluss, nach 273 Bundesligaspielen. Irgendwo wird er jetzt noch etwas Geld verdienen, dann will Ribéry zurück in seine Heimat ziehen. Nein, nicht nach Frankreich. Nach München.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungMeisterschaft des FC Bayern
:Ende gut, nicht alles gut

Der FC Bayern ist Deutscher Meister, aber im Verein steht gerade sehr viel zur Debatte. Dass es trotzdem zum Titel reichte, ist eine beunruhigende Botschaft an die Konkurrenz.

Kommentar von Claudio Catuogno

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: