Franck Ribéry:Er tanzt nicht mehr

Der Franzose ist längst eingemünchnert - an seinem letzten Abend auf der ganz großen Bühne bleibt sein Können verborgen.

Der Mann, der sich noch mal einen großen Auftritt vorgenommen hatte, einen Auftritt, bei dem alle auf ihn schauen, auf ihn allein, lief hinein in die Leere des Raumes. Jetzt müsste nur noch der Ball zu ihm kommen, dann wäre der Weg frei zum gegnerischen Tor, dazwischen lagen knapp 50 Meter, auf denen weit und breit kein Gegenspieler zu finden war. Der Ball aber kam nicht. Und so lief Franck Ribéry immer weiter in die Leere hinein, und in seinem Rücken war ein erstes Mal zu erahnen, dass dieser Abend sein letzter auf der ganz großen Bühne sein sollte.

Franck Ribéry, vor fast 36 Jahren geboren in Boulogne-sur-Mer, längst aber eingemünchnert in seinem nun zwölften Jahr beim FC Bayern, wollte nicht sehen, wie an der gegenüberliegenden Eckfahne die falsche Mannschaft jubelte, der FC Liverpool, der gerade das erste Tor dieses Abends in der Champions League erzielt hatte. Also lief Ribéry immer weiter weg, den Blick starr nach vorne, irgendwann blieb er stehen, die Hände in die Hüfte gestemmt.

Champions League - Round of 16 Second Leg - Bayern Munich v Liverpool

Zu wenig Pfiff, zu wenig Tempo: Franck Ribéry (rechts) kommt nicht an Liverpools Trent Alexander-Arnold vorbei.

(Foto: Andrew Boyers/Reuters)

Ein paar Meter von Ribéry entfernt stand Jürgen Klopp, gegen den der Franzose den größten Abend seiner Karriere erlebt hatte - als er, Ribéry, im Finale der Champions League 2013 das entscheidende Tor gegen Klopps Dortmunder vorbereitet hatte, mit einem Pass auf den anderen Part dieser berühmten bajuwarischen Flügelzange, auf Arjen Robben. Aber gerade sah Ribéry Klopp nicht. Er schaute einfach in die Leere des Raumes.

Es war bis zu diesem Mittwochabend noch nicht die Saison des Franck Henry Pierre Ribéry. Es ging zwar nach wie vor um die Flügelspieler beim FC Bayern, aber erst ging es darum, dass Kingsley Coman der Außenbahnsprinter der Zukunft und auch schon der Gegenwart sei, dann ging es darum, dass Coman verletzt war, irgendwann darum, dass Serge Gnabry in einer prächtigen Verfassung sei. Um Ribéry drehten sich die Gespräche eigentlich nur kurz vor Weihnachten, als er der Mannschaft mit zwei starken Auftritten ein einigermaßen frohes Fest bescherte. Auch vor diesem Rückspiel gegen Liverpool war die Frage weniger, ob Ribéry spielt, sondern eher, wie fit Coman sein werde und ob er schon starten könne. Ribéry war endgültig degradiert zum zweiten Mann auf der Position, die er in den vergangenen zwölf Jahren so unnachahmlich beherrscht hatte. Da half auch das Lob von Trainer Niko Kovac nur wenig, der am Dienstag gesagt hatte: "Franck ist einer, der dem Spiel mit seinem Namen und seinem Können den Stempel aufsetzen kann."

Ribéry hatte dann auch seine Momente. Zum Beispiel als er an der Seitenlinie leidenschaftlich mit David Alaba diskutierte. Oder als er applaudierte, als Alaba den Ball auf die Tribüne klärte. Oder als er Thiago zu mehr Bewegung aufforderte. Er war also ganz der leidenschaftliche Mentalitätsspieler, als der er in all seinen Münchner Jahren auch stets so wertvoll war. Aber der Trickser, der Dribbler, der etwas Verrücktes ausprobierte und dann damit auch noch durchkam, der war er an diesem Abend nicht.

Champions League - Round of 16 Second Leg - Bayern Munich v Liverpool

Sind nicht ganz einer Meinung: Trainer Niko Kovac (links) und der nach einer Stunde ausgewechselte Franck Ribéry.

(Foto: Andreas Gebert/Reuters)

Auf seiner linken Seite boten sich manchmal Räume, nicht nur als Liverpool an der gegenüberliegenden Eckfahne das erste Tor bejubelte. Und so dribbelte Ribéry gelegentlich los, den Ball eng an den Füßen. Die Zuschauer erhoben sich dann, sie raunten, es wirkte so, als ob sie da noch einmal den zehn Jahre jüngeren Ribéry losdribbeln sahen, der dann so lange mit dem Ball tanzte, bis der Ball im Tor lag. Doch an diesem Abend tanzte Ribéry nicht mehr. Meistens blieb er spätestens vor dem Strafraum hängen. Und als er dann doch einmal durchkam, in der letzten Minute der ersten Halbzeit, da schlug er eine Flanke ins Niemandsland. Seine beste Szene hatte der Spieler, der dem FC Bayern in zwölf Jahren so viele unvergessliche Momente geschenkt hat, in der 61. Minute: Als er, weit nach rechts gerückt, mit einem Pass Gnabry bediente, dessen flache Hereingabe Robert Lewandowski knapp verfehlte. Keine 30 Sekunden später war Ribérys Zeit dann vorbei. Für ihn kam Coman.

Ribéry lief diesem nicht entgegen, er ging auf seiner Seite raus, so musste er um das halbe Spielfeld herum. Erst ging er gemächlich, dann trabte er, für eine halbe Ehrenrunde. Kurz winkte er, ganz schüchtern, so, als wolle er noch nicht Abschied nehmen.

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