Franck Ribéry beim FC BayernDer Teilzeit-Filou

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Stark als Teilzeitkraft: Franck Ribéry.
Stark als Teilzeitkraft: Franck Ribéry. (Foto: dpa)

Franck Ribéry vom FC Bayern demonstriert, dass er momentan der wertvollste Teilzeitbeschäftigte des deutschen Fußballs ist. Die Münchner planen bereits für die Zeit nach dem Franzosen.

Von Claudio Catuogno, München

Wenn Pep Guardiola einen Witz macht, dauert es immer eine Weile, bis man es merkt. Trotz seiner Fortschritte beim Deutschlernen muss man die Satzbausteine des Bayern-Trainers ja immer erst einmal dechiffrieren, neu zusammensetzen und eine Weile nachklingen lassen, um ihn zu verstehen. Dass er auch mal etwas nicht so ernst meint, vermittelt sich dann erst mit Zeitverzögerung.

Am Samstagabend, gerade war dieses aufreibende Bundesligaspiel zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund zu Ende gegangen, war die Frage an Guardiola gewesen, ob er Franck Ribéry in der 70. Minute eingewechselt habe, weil die Bayern-Fans lautstark dessen Namen gesungen hatten: "Ribbery, Ribbery, Ribbery." Guardiola sagte: Ja, so sei es gewesen. Ausnahmsweise mal wörtlich zitiert: "Es ist eine Frage von Respekt. Wenn die Zuschauer fragt etwas, ich muss machen."

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Die Bayern waren lange nur Zuschauer

Zu jener Zeit, als dem BVB-Trainer Jürgen Klopp noch nach Scherzen zumute war (ist lange her), hat er diese gerne mit einem breitem Grinsen vorgetragen. Guardiola grinste nicht. Irgendwann grinsten dann die Leute. Ah, ein Witz! So weit, dass Pep Guardiola beim FC Bayern Fanbefragungen durchführt bei der Frage, wen er auf dem Platz mit Problemlösungen betraut, wird es nämlich sicher nie kommen.

Vielmehr ist es so, dass manche Dinge einfach auf der Hand liegen. Zum Beispiel, dass es immer eine gute Idee ist, Ribéry einzuwechseln, vor allem in einem Spiel, in dem man Probleme hat und Lösungen braucht. Weil der Franzose zwar neuerdings einen fusseligen Bart trägt, ansonsten aber keine Persönlichkeitsveränderungen bekannt sind. Er hat in der Vergangenheit schon oft den vielbeschworenen "Unterschied" ausgemacht, und das gelang ihm nun auch gegen Dortmund. Zwei starke Aktionen - und aus einem 0:1 wurde ein 2:1. Man kann es auch so sagen: Franck Ribéry ist gerade der wertvollste Teilzeitbeschäftigte des deutschen Fußballs.

Zunächst einmal zu den Problemen. Die hatten genau genommen schon vor dem Anpfiff begonnen - mit Unsicherheit. Die Frage war ja gewesen: Welcher BVB würde sich in München vorstellen? Der Krisen-BVB aus dem Tabellenkeller? Oder der internationale Spitzenklub, der seine Champions-League-Gruppe anführt?

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Die Antwort: eher letzterer, jedenfalls in der ersten Halbzeit. In diesen ersten 45 Minuten gingen die Dortmunder durch Marco Reus in Führung (31.), nach einem Hochgeschwindigkeits-Angriff, der exemplarisch vorführte, welche Qualität in dieser Mannschaft steckt: Abwurf, Hacke, Doppelpass, Flanke, Tor - und das alles in 11,5 Sekunden. In diesen ersten 45 Minuten, klagte Guardiola nachher, "waren wir nur die spectators vom BVB".

Die Bayern als Zuschauer statt als überlegene Spielgestalter - in dieser Hinsicht war die Konsequenz des Tabellen-16. sogar noch beeindruckender als jene von Borussia Mönchengladbach beim 0:0 eine Woche zuvor. Da attackierten Reus, Shinji Kagawa und Pierre-Emerick Aubameyang zu dritt extrem früh das Münchner Aufbauspiel, da stellte insbesondere Kagawa den Spanier Xabi Alonso so geschickt zu, dass er als Anspielstation beinahe ausfiel. Es sprach für die Bayern, dass sie auch als "spectators" noch ein halbes Dutzend Großchancen herauskombinierten.

Statt über Alonso lief die Spieleröffnung jetzt oft über Jérôme Boateng, "ich hatte etwas mehr Freiheiten", berichtete der Innenverteidiger, "ich kann das aber natürlich nicht wie der Alonso machen". Und je öfter Thomas Müller, Arjen Robben und Robert Lewandowski vorne den Ball nicht an Roman Weidenfeller vorbeibrachten, desto deutlicher wurde: Es würde jetzt einen neuen Impuls brauchen, um das Spiel noch zu drehen, zumal sich Mario Götze durch weitgehende Unsichtbarkeit für eine Auswechslung anbot. Also: Ribbery, Ribbery, Ribbery.

Pep Guardiola verstehen - der TV- Sender Sky beschäftigt zu diesem Zweck eigens eine Lippenleserin. Und als der Coach nun also Franck Ribéry die entscheidenden Anweisungen für seinen Teilzeiteinsatz gab, wild fuchtelnd wie meistens am Spielfeldrand, will die Expertin diesen Satz mitgelesen haben: "Feuer frei mit Subotic!" Neven Subotic war beim BVB zur Halbzeit für den verletzten Mats Hummels gekommen, Subotic kämpft sich gerade nach einer längeren Pause (Kreuzbandriss) zurück ins Spiel, wie sich ja auch Ribéry gerade zurück ins Spiel kämpft nach Rückenbeschwerden im Sommer und einer Patellasehnenreizung im Herbst.

Aber Subotic ist Abwehrspieler - und Guardiola hatte ihn nun als Schwachstelle ausgemacht. "Franck sollte bei Subotic spielen", sagte der Trainer, "und seine Stärken im Eins-zu-eins-Spiel zeigen." Eine Maßnahme, mit der Guardiola Spielverlauf und Ergebnis mal wieder auf seine Seite zwang. Jürgen Klopp jedenfalls sagte später, beinahe resignierend: "Dass Ribéry im Eins-gegen-eins Vorteile hat, ist klar."

Nach der frustrierenden ersten Halbzeit waren die Linien der Bayern in der zweiten etwas weiter in die Dortmunder Hälfte gerückt, um mehr Druck zu erzeugen. "In der zweiten Halbzeit waren wir, wer wir sind", nannte das Guardiola. Und Franck Ribéry war in diesem System, wer er ist: der Antreiber und Spielentscheider. In einen für Arjen Robben gedachten Steilpass des Franzosen grätschte Subotic hinein - doch der Ball rollte direkt zu Robert Lewandowski, der den Ausgleich erzielte (72.). Und wie sich Ribéry dann im Laufduell so geschickt mit Subotic verhakte, dass es schließlich jenen Strafstoß gab, den Robben zum Sieg verwandelte (85.): auch unnachahmlich.

Der Teilzeit-Filou ist jetzt 31 und aus der französischen Nationalelf bereits zurückgetreten. Auch, weil er nicht mehr ewig die linke Bayern-Seite entlangflitzen wird, machen die Münchner so ein öffentliches Theater um eine mögliche Verpflichtung von Marco Reus. Sie planen für die Zeit nach Ribéry, Reus könnte sein Nachfolger werden. Noch unterscheidet die beiden allerdings mehr als nur ein fusseliger Bart.

© SZ vom 03.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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