Franck Ribéry:Anarchist wird müde

Ribéry entzog sich gegen Petersburg anfangs wie immer jeder strengen Ordnung und flitzte nach eigenen Regeln - bis auch er still stand.

Klaus Hoeltzenbein

Ganz bestimmt hat Franck Ribéry schon bessere Elfmeter geschossen. Zum Beispiel früh in der Saison gegen Bremen, als er sich seinem deutschen Publikum erst vorstellte mit einem frechen Chip in die Tormitte. Tim Wiese, der Schlussmann, ruhte sanft in einer Ecke. Oder jüngst im April, als sein Elfmeter Nummer zwei in der Liga stramm rechtsunten im Tor des VfL Bochum landete. Ribéry scheint sie also zu beherrschen, die Kunst der Nervenstarken, und so war es schon erschreckend, wohin er am Donnerstag in Minute 18 zielte.

Franck Ribéry: Im Nachschuss korrigierte Franck Ribéry seinen verunfallten Elfmeter.

Im Nachschuss korrigierte Franck Ribéry seinen verunfallten Elfmeter.

(Foto: Foto: AP)

Er schien ja in Form zu sein an diesem Abend, hatte die ersten Sprints angezogen, die ersten Kringel gedreht, so dass Außenverteidiger Fernando Ricksen, der ihn bremsen sollte, über erste Knotenbildung in seinen Beinen klagte. Und dann eine solch banale Flugbahn beim Elfmeter: keine Finte, kein Effet, kein Chip - einfach mittenrein und damit leichte Beute für den Torwart. Nur: Malafejew hielt den Ball nicht fest. Wie ein Fisch flutschte er aus seinen Armen, lag wie tot im Fünfmeterraum, ein bitteres Geschenk, das Ribéry gerne in Empfang nahm. 1:0 im Nachschuss, die schnelle Korrektur eines schweren Unfalls für einen Künstler.

So leicht erklärbar war dieser Schuss im Stile eines Anfängers nicht, auch später nicht, denn der 25-Jährige wirbelte weiter. Ohne sich lange dort aufzuhalten, wo Verteidiger Ricksen ihn erwartete. Links, rechts, mittenmang - Ribéry tat, was er immer tut, wenn er sich wohl fühlt: Er entzog sich jeder strengen Ordnung, er flitzte nach eigenen Regeln. Und er verzog missmutig die Miene, wenn seine Mitspieler seine Pläne nicht verstanden. Eingeweiht hatte er sie nicht, sie sollten seine roten Schuhe suchen und ihn maßgerecht in den Tempolauf bedienen.

Es schien, als sei Ribéry immer noch auf der Flucht nach Irgendwo. Gestartet am Samstag in der Berliner Nacht, als er sich den DFB-Pokal schnappte und vom Podest stürmte, von dem aus seine Münchner Mitgewinner ihn erstaunt verfolgten. Und es schien auch, als wolle er ihn nie wieder loswerden, diesen ersten wirklich großen Pott seiner Karriere. Als Ribéry dann zu Wochenbeginn einer fragte, wo er denn jetzt sei, dieser Pott, kam die Antwort: "In meiner Garage.'"

Vermutlich sollen dort bald noch mehr geparkt werden, will Ribéry jetzt eine Trophäensammlung eröffnen. Es wäre eine Erklärung dafür, warum er eine Halbzeit lang so entschlossen über den Platz raste, als wolle er sich selbst belohnen. Allerdings hatte die ganze Rennerei auch einen unangenehmen Effekt: Der Flitzer, angeblich mit muskulären Problemen ins Spiel gestartet, wurde müde. Nach dem Schock des 1:1 fehlten seine Sprints, die für Erholung hätten sorgen können. Der Anarchist reihte sich ein, auch er wurde gewöhnlich. Die roten Schuhe standen still.

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