FRA vs. BRA:Alte Bekannte

Franzosen und Brasilianer treffen sich im Fußballalltag ständig

Ralf Wiegand

Thierry Henry klang fast ein bisschen neidisch, als er darüber philosophierte, wie glücklich so eine brasilianische Kindheit wohl ist. "Da ruft niemand um 18 Uhr, ,Schluss jetzt, komm' nach Hause'", sagte der französische Angreifer, überall und zu jeder Zeit könne so ein Brasilianer Fußball spielen, "am Strand, auf der Straße, in der Schule und auf dem Standstreifen an der Autobahn". Dann lobte er noch deren "Kultur des Balles", die ganz einfach so funktioniere, "dass sie immer den Ball haben wollen und ihn dann nicht mehr hergeben". Da sei wenig Berechnung im Spiel, alles geschehe eben einfach so. Und am Ende "kommt Brasilien immer ins Endspiel".

Das war natürlich nur eine heitere Zuspitzung von diesem Thierry Henry, denn genau das wollen er und die Franzosen an diesem Samstagabend in Frankfurt (21 Uhr) verhindern. Das Wissen über die Ballverliebtheit des Gegners, die Selbstverständlichkeit in dessen Spiel soll ihnen dabei helfen. "Es ist schon etwas Spezielles", sagte Henry, "wir wissen doch alle, dass die fünf Sterne auf dem Trikot haben. Aber wir kennen die Brasilianer sehr, sehr gut."

Allein in der vergangenen Saison spielte Henry, Angestellter des FC Arsenal, in der Champions League gegen die brasilianischen Kollegen Roberto Carlos, Ronaldo, Robinho und Cicinho (Real Madrid) - die wiederum allesamt Mitspieler des Franzosen Zinédine Zidane sind -, dazu gegen Emerson (Juventus Turin) und im Endspiel natürlich gegen Ronaldinho und den FC Barcelona. Alle an ihrer Heimatliga interessierten Franzosen kennen außerdem die Stärken und Schwächen von Juninho, Fred und Cris, die ihr Geld bei Olympique Lyon verdienen. Für den französischen Serienmeister laufen wiederum die französischen Nationalspieler Abidal, Malouda, Wiltord und Govou auf. Trezeguet und Vieira (Juve) spielen in Italien ständig gegen Kaka, Dida, Cafu (AC Mailand) oder Adriano (Inter). Lediglich der dritte Torwart Ceni sowie Ricardinho und Mineiro spielen nicht in Europa. Es gibt keine Geheimnisse mehr.

Parreira mag keine Überraschungen

"Dass wir uns so gut kennen, kann das Spiel durchaus beeinflussen", glaubt Henry. Ein Feuerwerk der Überraschungen wird's kaum geben, soll das wohl heißen, und das könnte dann wenigstens Carlos Alberto Parreira gefallen, denn Brasiliens Trainer mag überhaupt keine Überraschungen. Die Trikotnummern eins bis elf hat er ganz bewusst an jene elf Spieler vergeben, mit denen er am liebsten jede Partie beginnen würde. Für Samstag stehen die Chancen gut, dass er wieder die bekannte Formation an den Start bringt. Emerson und Kaka haben ihre Knieprobleme wohl überwunden. Wieder fit ist auch Robinho, den die brasilianische Öffentlichkeit, mindestens aber die dortigen Medien, gerne in der Startelf sähen. Adriano ist deshalb böse - wer lässt sich schon gerne aus der Mannschaft schreiben?

Auch im Lager der Franzosen haben sich auf alle offenen Fragen Ausrufezeichen gefunden. Ist Zidane schwer verletzt? Nein! Der alte Zizou, 34, pausierte am Donnerstag, absolvierte am Freitag aber das Abschlusstraining in Frankfurt. Kann Sagnol spielen? Ja! Der Abwehrspieler von Bayern München hatte sich bei ein paar Übungen geschont, am Freitag aber ebenfalls voll trainiert. Daher ist zu erwarten, dass es in diesem Spiel eines beim Anpfiff sicher nicht geben wird: große Überraschungen.

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