Fortuna Köln in der Relegation zur 3. Liga:Inspiriert vom Geist des Schäng

Jean Löring

Trainer Hannes Linßen (links) und Präsident Hans Jean Löring wussten es schon damals: Bloß nicht in die Kamera kucken.

(Foto: imago sportfotodienst)

Fortuna Köln, lange einer der kuriosesten deutschen Klubs, steht wieder an der Schwelle zum Profifußball: Gegen die U23 des FC Bayern geht es an diesem Abend um den Aufstieg - die Erinnerungen prägen den Verein noch immer.

Von Philipp Selldorf, Köln

Als Hannes Linßen noch Trainer in der zweiten Liga war, erhielt er eines Morgens einen Anruf von der Geschäftsstelle. Er möge bitte sofort ins Büro kommen, rief ihm aufgeregt der Geschäftsführer zu: "Der Ansgar Brinkmann hat in der Nacht getanzt." Das ist doch kein Problem, entgegnete Linßen, "wir haben Pause, er hatte frei, er darf doch tanzen". "Ja", sagte dann der Geschäftsführer, "aber er hat auf Autodächern getanzt." Fünf Minuten später machte sich Linßen auf den Weg.

Zugegeben, diese Geschichte hat sich vor etwa 17 Jahren beim FC Gütersloh abgespielt und hat nur mittelbar mit Fortuna Köln zu tun, aber sie besagt immerhin, dass Hannes Linßen, 64, auch anderswo lustige Dinge erlebt hat. Allerdings war es nirgendwo so lustig wie beim SC Fortuna Köln, dem Linßen viele Jahre als Spieler und als Trainer beigestanden hat.

In drei Phasen hat er die Teams dieses zweifellos eigentümlichen Klubs durch die zweite Liga gecoacht: Von 1984 bis 1986, von 1987 bis 1989 und 1993 bis 1995. Etwa zweieinhalbmal hat ihn dabei der Präsident entlassen (die andere Hälfte war eine Art Rücktritt), aber Linßen kam immer gern zurück, was vor allem am Präsidenten lag: Hans Löring, genannt "Jean" oder "Schäng", war eine Persönlichkeit mit hoher Anziehungskraft. Zu seinen Lebzeiten - er starb 2005 im Alter von 70 - war es so, dass man Löring sagen musste, wenn man von Fortuna Köln sprach. Mensch und Verein waren sozusagen eins.

Nach Lörings traurigem Tod schaffte es die Fortuna trotz diverser Insolvenzen weiterzuleben, und nun steht dieser zwischenzeitlich tief gesunkene Verein sogar wieder an der Schwelle zum Profifußball: Gegen Bayern Münchens U 23 geht es um den Aufstieg in die dritte Liga, am Mittwoch ist das Hinspiel.

Die Fortuna erwartet 10 000 Zuschauer im Südstadion und ist selbst verblüfft darüber: Die Anteilnahme ist sonst nicht so hoch. Doch die versteckten Sympathien der Kölner lernten schon die Ahnen der heutigen Fortunen kennen, als 1986 in der Relegation zur ersten Liga statt der üblichen 5000 plötzlich 47 000 Zuschauer ins Stadion kamen. Damals waren die Gegner die Dortmunder Borussen, denen eine historische Stunde schlug.

Hannes Linßen weiß nicht, ob sich die Fortuna als Aufsteiger in Liga eins hätte halten können, aber er ist überzeugt davon, dass der BVB nicht so groß wäre, wie er heute ist, hätte ihn nicht in der letzten Minute des Rückspiels Jürgen Wegmann gerettet. Der Mittelstürmer schoss das Tor zum 3:1, das ein 0:2 aus dem Hinspiel ausglich. Weil damals in der Relegation nicht die Auswärtstorregel aus dem Europacup galt - anders als jüngst beim Duell zwischen Greuther Fürth und dem Hamburger SV -, gab es ein finales Entscheidungsspiel in Düsseldorf. Der BVB gewann 8:0.

Für diese furchtbare Niederlage der Fortuna gab es viele Gründe. Einer war grassierendes Verletzungspech. Torwart Jacek Jarecki hatte ein paar Spieltage vor Saisonschluss einen Kreuzbandriss erlitten, er wollte aber die Runde zu Ende spielen. Training absolvierte er im Sitzen, so ließ er sich die Bälle zuwerfen.

In den Spielen gegen Dortmund trug er trotz brütender Hitze lange Hosen, "damit die Gegner nicht den dicken Verband sehen konnten - sonst hätten sie ab der Mittellinie draufgeschossen", wie Linßen erzählt. Der (inzwischen ebenfalls verstorbene) Jarecki wurde in Deutschland zunächst dadurch berühmt, dass er sein Gehalt beim Fußballtennis mit dem Präsidenten in dessen Eifel-Schloss ausspielte. Löring gewann, Jarecki musste mit deutlich weniger Geld auskommen.

Diskretes Wirtschaften

Nach dem zweiten Spiel gegen Dortmund waren die Kölner Verteidiger Richter und Hutwelker für den Showdown in Düsseldorf gesperrt, weil ihre gelben Karten auf das Saisonkonto angerechnet wurden. Die Kölner protestierten beim DFB gegen die Sperre, indem sie anführten, dass der zweiten Liga ja 20 Klubs angehörten, Fortuna also vier Spiele mehr bestritten habe als Borussia. Stimmt, erwiderte der DFB, das ändern wir - im nächsten Jahr.

Auf diese Ungerechtigkeit reagierte der stets trickreiche Löring, indem er - um Zeit zur Erholung zu schinden - dem Verband 13 Krankenscheine fürs Profiteam wegen Magen-Darm-Grippe vorlegte. Der DFB verlegte die Partie um eine Woche. Den Kölnern hat es nicht geholfen.

Was die Finanzen anging, war der Wirtschaftswunder-Unternehmer Löring diskret, inzwischen weiß man, dass er die Fortuna über Jahrzehnte hinweg mit den Millionen versorgt hat, die sie zum Leben brauchte. Die Handgelder wurden schon mal in Goldbarren ausgezahlt, weil Löring gerade, man muss nicht wissen warum, ein paar davon im Keller liegen hatte.

Doch in jenem Jahr, in dem sein Verein beinahe ein zweites Mal nach 1973 in die erste Liga aufgestiegen wäre, war Löring nicht richtig solvent. "Es war Weltwirtschaftskrise, zumindest in der Kölner Südstadt", wie sich Linßen erinnert. Löring entschied, dass die Profis keine Sieg- und Auflaufprämien bekämen, dafür eine Beteiligung an den Zuschauereinnahmen. "Aber wir haben doch gar keine Zuschauer", protestierte Linßen. "Eben", sagte Löring.

Am Ende der Saison standen die Extra-Erlöse der Relegation, "und ausnahmsweise", so Linßen, "hat nicht Löring die Fortuna finanziert, sondern es war umgekehrt". Eingeweihte sagen, er habe bis zu 70 Millionen Mark in den Klub gesteckt und umgeleitet, und sei trotzdem immer ein vernünftiger Geschäftsmann gewesen.

Nur im letzten Zweitligajahr nicht. Zur Saison 1999/2000 sagte die Fortuna dem großen FC den Kampf an, weil dieser in der zweiten Liga feststeckte, "und plötzlich war es so, dass die drei bestverdienenden Profis in Köln nicht beim FC, sondern bei der Fortuna spielten - das konnte ich nicht begreifen", sagt Linßen, damals Sportdirektor des 1. FC Köln. So endete die Geschichte des Mäzens, Patrons und Unternehmers Löring in der Pleite seiner Firmen und seines Vereins.

Sein Nachfolger Klaus Ulonska, der die Fortuna wiederbelebt hat, ist übrigens auch ein bisschen verrückt. "Ich hoffe, sie schaffen es, ich gönne ihnen den Aufstieg", sagt Hannes Linßen. Aber der Alt-Fortune wird an diesem Mittwoch nicht im Stadion sein: "Meine Fortuna war nun einmal die mit Jean Löring."

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