Fortuna Düsseldorf:Reif von der Insel

Bundesliga - Fortuna Dusseldorf v FC Augsburg

Löste Friedhelm Funkel bei der Fortuna ab: Trainer Uwe Rösler.

(Foto: Leon Kuegeler/Reuters)

Düsseldorfs Trainer Uwe Rösler profitiert im Abstiegskampf von seinen Erfahrungen in England. Bei Manchester City lernte er, "dass die Leute dankbar und stolz sind, wenn du rackerst".

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Den Satz, der sein weiteres Leben prägen sollte, hat Uwe Rösler Anfang 2004 gesagt: "Ich habe das mit dem Krebs geschafft, alles andere werde ich nun auch schaffen." Rösler war 34, er spielte bei Lilleström SK in Norwegen, als die Ärzte 2003 einen zwölf Zentimeter großen Tumor in seiner Brust fanden. Durch die Diagnose Lymphknotenkrebs brach eine Welt zusammen, die er in der Heilungsphase mühsam wieder aufbaute. Die Erfahrung hat ihn stärker gemacht, und wenn man ihn dieser Tage als Trainer der abstiegsgefährdeten Fortuna aus Düsseldorf am Spielfeldrand sieht, dann strotzt der 51-Jährige vor Kraft und Selbstvertrauen.

Beides ist zwingend erforderlich, wenn er seine Spieler am Samstag in die finale Bundesligapartie bei Union Berlin schickt. Zwei Punkte und vier Tore haben sie im Tabellenkeller Werder Bremen voraus, das zur gleichen Zeit gegen den 1. FC Köln antritt. Um halbwegs sicher Drittletzter zu bleiben, brauchen die Düsseldorfer ein Remis - um es ganz sicher zu bleiben, einen Sieg. Dann dürften sie am Donnerstag und am folgenden Montag noch zwei Relegationsspiele gegen den Dritten der zweiten Liga austragen. Dann könnten sie den Klassenerhalt aus eigener Kraft schaffen. Rösler, ein Mann markiger Worte, sagt: "Jetzt gibt es nur noch Spiele um Leben und Tod."

Im Fußball werden oft existenzielle Metaphern verwendet. Dabei ginge im Falle des Abstiegs das Leben in einem Jenseits namens zweite Liga weiter. Und von dort hat man schon etliche Klubs ins Diesseits zurückkehren sehen. Die Fortuna hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten sogar eine Art rheinisches Kastensystem durchlebt: wiedergeboren in allen vier Ligen von der Regional- bis zur Bundesliga. Ihr Karma ist schon länger orientierungslos.

In dieser Saison reizen die Düsseldorfer ihre fußballerische Auf-und-Ab-Tendenz in nahezu jeder Partie aufs Dramatischste aus. Sie verspielten schon acht 1:0-Führungen, ein 2:0 gegen Köln und sogar ein 3:0 gegen Hertha; als ihnen aber irgendwann bloß noch vorgerechnet wurde, dass sie nach Führungen bereits 24 Punkte hergegeben hatten, drehten sie den Spieß um: Sie besiegten Schalke nach 0:1-Rückstand, glichen gegen Hoffenheim ein 1:2 aus sowie in Leipzig ein 0:2 und gegen Augsburg jüngst ein 0:1. Die Fortuna ist im Guten wie im Schlechten die personifizierte Pointe, und da fragt man sich natürlich, welchen ultimativen Schlussgag sie sich wohl für den letzten Spieltag aufgehoben hat.

Mit diesem Entertainment-Faktor und ihrem leidenschaftlichen Fußball haben die Düsseldorfer im zermürbenden Abstiegskampf Sympathien gewonnen. Das liegt auch am Trainer. Rösler hatte im Januar die unangenehme Aufgabe, die erfolglose Mannschaft vom allseits beliebten Trainer Friedhelm Funkel zu übernehmen. Weder Fortunas Fans noch die Tabelle waren Rösler zunächst wohlgesinnt, aber der gebürtige Thüringer hat in seiner wechselhaften Karriere mit zwölf Spieler- und acht Trainerstationen gelernt, sich schnell zu akklimatisieren. Mitte der Neunziger war er vier Jahre lang der beliebteste Stürmer des Premier-League-Klubs Manchester City. Als 1995 der Klub-Almanach "Maine Road Encyclopedia" erschien, fand man unter dem Buchstaben "R" den Eintrag: "Rösler, Uwe: Benötigte nicht mal ein Jahr, um eine Kultfigur des Vereins zu werden."

Abstiegskampf mit Manchester: "Das war das Härteste, was ich je erlebt habe", sagte Rösler mal

Rösler war 1994 zu den Citizens gewechselt, nachdem es bei Dynamo Dresden und dem 1. FC Nürnberg gar nicht gut für ihn gelaufen war. In Manchester aber erlebte er traumhafte Jahre, lernte, "dass die Leute dankbar und stolz sind, wenn du rackerst", und erlernte den schwarzen Humor der Fans, als sie ein T-Shirt kreierten, auf dem stand: "Roesler's Grandad bombed Old Trafford." Rösler schenkte seinem Großvater aus Jux solch ein T-Shirt, dabei hatte dieser mit der Bombardierung des Stadions des City-Erzrivalen Manchester United im Zweiten Weltkrieg nichts zu tun.

Manchester, sagt Rösler gern, empfinde er nach wie vor als "spirituelle Heimat". Sein Sohn Colin, 20, hat dort neun Jahre lang das Abwehrspielen gelernt, seit Somer 2019 spielt er beim niederländischen Zweitligisten NAC Breda. Mit City stieg Rösler 1996 in die zweite Liga ab und fand sich auch dort im Abstiegskampf wieder. "Das war das Härteste, was ich je erlebt habe", erzählte er einmal. Da ist es kein Wunder, dass er den Abstiegskampf mit der Fortuna bislang so gut wegsteckt.

Für die ultimative Partie bei Union wünscht sich Rösler tatsächlich, dass seine Jungs "eine gewisse Spielfreude entwickeln". Voraussetzung dafür sei, "dass man spürt, dass es für uns um sehr viel geht; es ist ein Endspiel, und wir können es danach nicht wiedergutmachen - wir müssen also abliefern". Doch selbst für den Fall, dass die Fortuna absteigen sollte, erhielt Rösler vom Vorstandsboss Thomas Röttgermann kürzlich eine Jobgarantie: "Uwe hat eine Idee, und diese Idee passt zu uns; selten trug eine Mannschaft so schnell die Handschrift eines Trainers", sagte Röttgermann der Rheinischen Post: "Das macht uns so sicher, dass er der Trainer ist, dem wir Fortunas Zukunft anvertrauen wollen."

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