Süddeutsche Zeitung

Fortuna Düsseldorf:Prunkstück der Reliquien-Sammlung

Rouwen Hennings erzielt im Herbst seiner Karriere vermehrt Tore für Düsseldorf - beim wilden 3:3 auf Schalke gelingen ihm innerhalb von 23 Minuten drei Treffer, eines schöner als das andere.

Um die jugendliche Freude von Rouwen Hennings zu verstehen, muss man wissen, dass Beobachter die Bundesliga-Tauglichkeit des 32-Jährigen immer mal wieder in Frage gestellt hatten. Selbstzweifel hätten hinzukommen können, als drei seiner 1:0-Führungstreffer in dieser Saison auch noch mit einer Niederlage seiner Düsseldorfer Fortuna endeten. Man kann an einem solchen Punkt resignieren - oder man fordert das Schicksal heraus. Hennings hat sich für die zweite Lösung entschieden.

Gegen Mainz hat er zum fünften Mal das 1:0 geschossen (Endstand 1:0), danach gegen Köln zum sechsten Mal (Endstand 2:0). Die Erfahrung, auch Wirkungstreffer landen zu können, hat ihn mental noch stärker gemacht. Am Samstag hat er in der zweiten Halbzeit binnen 23 Minuten drei Mal eine Führung des FC Schalke 04 gekontert. Erst verwandelte er einen Elfmeter, dann kickte er den Ball gekonnt unter die Latte, und schließlich überlupfte er den Torwart Alexander Nübel, ein Tor schöner als das andere. Am Ende stand es 3:3 (0:1). Hennings, der in seiner Karriere zuvor in 45 Ligaspielen acht Tore geschossen hatte, traf in dieser Saison in elf Spielen schon neun Mal. Nur zwei Spieler trafen häufiger.

Als Hennings in der Schalker Arena den Platz verließ, war er guter Hoffnung. Er trug den Spielball bäuchlings unter seinem Trikot. Es ist eine ungeschriebene Regel, dass, wer drei Tore in einem Spiel geschossen hat, den Ball behalten darf. Der Ball und das Trikot, berichtete der gebürtige Bad Oldesloer, kommen in eine Kiste, in der er Reliquien von besonderen Spielen verwahre, und wenn er seine Karriere einst beende, dann werde er einige der Trikots vielleicht an die Wand hängen.

Das rote Fortuna-Trikot wird sich an einer Zimmerwand schön machen, aber es kann dort kaum widerspiegeln, was für ein wildes Spiel Hennings in der Arena auf Schalke gemacht hat. "Auf Schalke drei Mal zurückzuliegen und drei Mal zurückzukommen, das spricht für die Mentalität der Mannschaft", sagte Trainer Friedhelm Funkel. Der 65-Jährige weiß, was er an jenem Stürmer hat, der die Lücken füllt, die die abgewanderten Angreifer Dodi Lukebakio (Hertha BSC Berlin) und Benito Raman (Schalke) hinterlassen haben. In den ersten fünf Saisonspielen schoss Hennings zwei Tore, in den jüngsten sechs sieben. "Er ist topfit und selbstbewusst und trifft auch im Training, wie er will", berichtet Funkel. Die derzeitige Quote übertrifft locker seine früheren Werte. In der zweiten Liga waren Hennings 62 Tore in 208 Partien gelungen. Sein vormals einziger Dreierpack - im April 2014 bei einem 3:0-Sieg für den Karlsruher SC - kostete den damaligen Trainer von 1860 München den Job. Dieser hieß Friedhelm Funkel. Fünfeinhalb Jahre später lässt Hennings Funkel jubeln.

Als zweitbester deutscher Stürmer hinter Timo Werner müsste Hennings als Kandidat für die Nationalmannschaft ins Gespräch geraten, allerdings deutet sein Alter darauf hin, dass er seine Nationalmannschaftskarriere im Februar 2009 in der U21-Nachwuchsauswahl längst beendet hat. Die Europameisterschaft, die Deutschland im Frühsommer 2009 in Schweden gewann, verpasste er wegen einer Erkrankung. Umso mehr genießt er nun seinen späten Frühling in Düsseldorf und erklärt die plötzliche Treffsicherheit selbst mit mentaler Stärke. Für die Kinder daheim wird das freilich kein Trost sein, sie werden den am Samstag mitgebrachten Spielball nicht durch den heimischen Garten jagen dürfen. Schließlich soll dieser Ball ein Prunkstück der Erinnerungssammlung bleiben. Und so hat Hennings bereits verkündet: "Diesen Ball dürfen meine Kinder nur angucken."

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SZ vom 11.11.2019 / SZ
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