Formkrise von Hannover 96:Mysteriöse Probleme mit der Psyche

Hannover 96 v Hertha BSC - Bundesliga

Tayfun Korkut: Schwierige Lage in Hannover

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Fröhliche Zeiten stehen Hannover 96 und Trainer Tayfun Korkut nicht bevor.
  • Das 1:1 gegen Hertha BSC offenbart erneut Probleme mit der Psyche.
  • "Wir werden bis zum Saisonende leiden", sagt Korkut.
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Von Carsten Eberts, Hannover

Tayfun Korkut blieb auf der Trainerbank sitzen, als der Schlusspfiff ertönte. Brauchte 30 Sekunden, um sich zu sammeln, als um ihn herum schon alles im Aufbruch begriffen war. Korkut starrte aufs Spielfeld, dann erhob er sich, leerte seine Wasserflasche. Und verschwand im Kabinengang.

Zuvor war Korkut wie ein Derwisch in seiner Coachingzone auf und ab getobt. Links zur weißen Linie, rechts zur weißen Linie. Mit rudernden Armen hatte er seine Mannschaft nach vorne getrieben, dabei eine bemerkenswerte Kondition bewiesen. Ja, er hatte sogar die Richtung diktiert, in die seine Spieler die Einwürfe schicken sollten. Gereicht hat es wieder nicht. Nur 1:1 gegen Hertha BSC.

Zwölf Spiele in Serie ohne dreifachen Punktgewinn sind es nun. "Viel zu wenig" sei das, sollte Korkut später sagen. Er sah blass aus rund um die Nase. Die Lage für Hannover 96 wird immer prekärer in dieser Bundesliga-Spielzeit - und auch für Korkut.

Zwar hatte der Coach vor dem Spiel gegen Berlin mal wieder eine Jobgarantie erhalten. Hannover werde die Saison "mit ihm durchziehen", hatte Vereinspräsident Martin Kind über Korkut gesagt, was aber schon in der Wortwahl nicht wirklich vertrauensvoll wirkte. Hannover hat nun so oft nicht gewonnen, dass der Vorsprung auf die Abstiegsplätze bedenklich geschmolzen ist. Sollten der HSV und/oder Paderborn beginnen, ihre Spiele zu gewinnen, sähe sich schnell auch Kind zum Handeln veranlasst.

Das 1:1 gegen Berlin ließ kein gutes Zeugnis über Korkuts Team zu. Klar, es kämpfte, brachte diesmal sogar die Mehrheit der 46 000 Zuschauer in der Arena hinter sich, was in dieser Spielzeit gewiss nicht immer gelingen konnte. Noch auffälliger war aber, wie verunsichert das Team mittlerweile agiert. Das 1:0 durch Christian Schulz (75.) - ein Stochertor, wie es im Abstiegskampf schöner einfach nicht gelingen kann - belebte die Mannschaft nicht etwa: Es ließ sie erstarren. Normalerweise müsse sein Tor die Mannschaft ja beflügeln, erkannte Schulz richtigerweise, "bei uns war es nur leider wieder umgekehrt".

Korkut trotzt den Missetaten

Die Frage, was in den Köpfen der 96er passiert, sobald sie in Führung gehen, ist eine wichtige. Mehrfach hat Hannover in dieser Saison den so wichtigen knappen Vorsprung aus der Hand gegeben, zuletzt gegen die Bayern, Köln und Paderborn. Gegen Berlin wurde das Team ängstlich, den wichtigen Dreier vor Augen, und ließ in fast allen Disziplinen nach. Obwohl Korkut an der Seitenlinie weitere Offensivbemühungen anmahnte, zogen sich die Spieler urplötzlich zurück - nach einer Ecke der Herthaner sogar so weit in den eigenen Strafraum, dass sie Valentin Stocker am Sechzehnmeterraum vergaßen, der per wunderbarem Seitfallschuss zum Ausgleich traf (83.).

Der Schock saß tief. "Wenn es läuft, gewinnst du das Spiel 1:0", klagte Kapitän Lars Stindl, mal wieder Hannovers Bester, der den Klub nach Saisonende in Richtung Mönchengladbach verlassen wird. Alle waren sich einig: Diese Führung in diesem wichtigen Heimspiel gegen einen direkten Konkurrenten, sie hätte einfach reichen müssen für einen Sieg. Stindl glaubt: "Natürlich spielt die lange Zeit ohne Sieg dabei eine Rolle."

Hannover scheint mental schwer angeschlagen, und so stellt sich die Frage, wie das Team in dieser Spielzeit überhaupt noch einmal gewinnen will. Kommende Woche in Leverkusen? Schwierig. Danach zu Hause gegen Hoffenheim und Bremen, oder gar in Wolfsburg? "Wir haben nicht das Ziel, bis zum Saisonende immer nur unentschieden zu spielen", bemerkte Korkut trotzig, der sich - mal wieder - trotz aller Missetaten energisch vor seine Mannschaft stellte.

Sein Ausblick auf die verbleibenden sechs Spiele machte wenig Mut. "Wir werden bis zum Saisonende leiden", sagte Korkut. Immerhin fügte er hinzu: "Aber wir sind bereit dazu."

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