Formel-1-Rennen in Spielberg:Das Dilemma mit der Aufputschlimo

Formel-1-Rennen in Spielberg: Die F1-Zukunft von Sebastian Vettel ist vor allem eines: ungewiss.

Die F1-Zukunft von Sebastian Vettel ist vor allem eines: ungewiss.

(Foto: AP)

Sebastian Vettel bekommt für 2021 von Red Bull einen Korb. Deren zweites Cockpit ist schon besetzt, von einem thailändischen Fahrer - mit schlagenden Argumenten.

Von Philipp Schneider

Sebastian Vettel ist Anfang der Woche wandern gewesen, es gibt da einige schöne Touren rund um die Rennstrecke in Spielberg. Vettel ist also nicht in Monte Carlo gewesen, um dort auf Bildchen aufzutauchen wie Valtteri Bottas. Auf dem Gipfel eines Hügels in der Steiermark konnte Vettel auch schlecht wie Charles Leclerc einen Kellner treffen, der ihn auf der Terrasse eines Restaurants ablichtet und das Foto ins Internet stellt. Wo es nun zu finden ist an der Seite eines weiteren Motivs: Leclerc, Seite an Seite mit Kumpels in Monaco, ganz klar bei bester Laune. Was man weiß, weil sich ihr Lachen hinter keinem Mundschutz verbirgt.

Vermutlich darf man von einem Formel-1-Piloten nicht erwarten, mal für die Dauer von zwei Wochen nicht in das Land mit der höchsten Millionärsdichte der Welt zu reisen. Auch wenn er dort am Hafen mit den hübschen Yachten aufgewachsen ist wie Leclerc. Nicht einmal, wenn es gelten sollte, maximal Sorge zu tragen, dass sich das Coronavirus nicht im Fahrerlager einnistet. Wo es das Kartenhäuschen geschwind einreißen könnte, das die Formel 1 in der Abgeschiedenheit der Berge eingerichtet hat, um dort um ihr finanzielles Überleben zu fahren.

Leclerc und Bottas hatten die 81-seitigen "Richtlinien für die Rückkehr des Motorsports", das Anti-Corona-Manifest der Formel 1, offenbar genau studiert. Dieses unterteilt den Tross der Formel 1 in mehre Gruppen, die sich in eigenen "Blasen" voneinander fernzuhalten haben.

Doch, nanu? Siehe da! Lustreisen in ferne Länder zwischen den Rennen werden darin gar nicht explizit verboten?

So konnte Bottas pfiffig argumentieren, es mache "keinen Unterschied, ob ich mit denselben Leuten in derselben Blase hier oder zuhause in Monaco bleibe". Andererseits heißt es in Unterpunkt "6.1.10: Group Separation Strategy": Die Gruppe "sollte keine Kontakte zu Mitgliedern anderer Gruppen knüpfen und für die Dauer der Veranstaltung so unabhängig wie möglich bleiben." Mal so gefragt: Wäre Bottas ohne Spritztour nicht unabhängiger geblieben?

War er auf seiner Reise nach und beim Aufenthalt in Monaco nicht unweigerlich mit Personen in Kontakt geraten, die zeitlebens noch nie etwas von Hygieneblasen gehört haben? Beim unmaskierten Leclerc war der Verstoß offensichtlich, er erhielt eine Verwarnung. Und er berichtete stolz von zwei Corona-Tests, die vor seiner Rückkehr negativ ausgefallen waren (wobei sich bekanntlich die Inkubationszeit von Covid-19 ein paar Tage ziehen kann). Bottas blieb ohne Rüge. Und Vettel, er war wandern.

Von den Hügeln rund um Spielberg kann man den Blick schweifen lassen über den sogenannten Red-Bull-Ring, einen der Auswüchse des Imperiums von Dietrich Mateschitz, 76. In dieser Saison, in der er auf sein Karriere-Ende in der Formel 1 zusteuern könnte, hat Vettel vielleicht noch mal an die Anfänge gedacht. An den Oktober 2003, als er im Alter von 16 Jahren bei Vertragsverhandlungen zum ersten Mal Helmut Marko gegenübersaß, Mateschitz' sogenanntem Motorsport-Konsulent. Oder an den Großen Preis von Ungarn, wo er vier Jahre später im Toro Rosso saß, dem Ausbildungsflitzer von Mateschitz. Und an die Zeit von 2010 bis 2013, als Vettel vier Titel gewann und sich als jüngster Weltmeister der Formel-1-Geschichte in die Chronik schrieb.

Man weiß nicht, welche Gedanken Vettel kamen beim Wandern. Aber nachdem er wieder im Tal angekommen war, lief er in ein Studio von Servus-TV, einem weiteren Auswuchs von Mateschitz' Imperium. Vettel traf auf Christian Horner, Teamchef von Red Bull, der auch mal Vettels Chef war. Und auf Max Verstappen, 22, seinem Thronfolger bei Red Bull. Dort, im Studio, erzählte Vettel ein weiteres Mal, wie gerne er weiterfahren würde. Er sei ehrgeizig. Motorsport sei sein Leben. "Mit der richtigen Aufgabe und dem richtigen Platz würde ich mich nach wie vor sehr zuhause fühlen in einem Formel-1-Auto."

Die Leute von Ferrari, die ihn anstelle von Verhandlungen mit Schweigen bedachten, bieten diesen Platz nicht mehr. Mercedes? Da gab es nach warmen Worten von Teamchef Toto Wolff eine klare Absage von Konzernchef Ola Källenius. Zwar seien beide Plätze im Mercedes noch frei, weiß Vettel. "Aber wenn Lewis weitermachen will, ist klar, dass er weitermachen kann. Und bei Valtteri ist es nach seinem Sieg am Wochenende ähnlich."

Alonso kehrt zurück - aber was wird aus Vettel?

Renault, wo in dieser Woche Fernando Alonso, 38, für seine letzten Ausfahrten in den Sonnenuntergang unterschrieb? Kam für Vettel nie ernsthaft in Betracht: Nicht etwa, weil das Team sportlich im Mittelfeld zu finden ist. Sondern weil seine Struktur jener bei Ferrari ähnelt. Die ihn, wie er sagte, in den vergangenen fünf Jahren "viel Kraft gekostet hat". Red Bull? Wäre perfekt. Gab Vettel zu. Mateschitz, Horner und vor allem Marko, der stets Vettels Vertrauter geblieben ist, würden den verlorenen Sohn wohl gar mit offenen Armen in Empfang nehmen. Jetzt, da der erkannt hat, dass die Welt südlich der Alpen zwar groß, aber auch hundsgemein ist.

Aber es gibt ein Problem, weswegen ihm sowohl Horner ("Ich fürchte, das ist ein entschiedenes Nein") als auch sein Freund Marko absagten: An der Seite von Verstappen ist kein Platz für einen Heißsporn, der bei Red Bull schon mit dem weit langsameren Kollegen Mark Webber aneinandergeriet. Auch aus einem zweiten, pikanteren Grund, den Marko bei Auto, Motor und Sport ausplauderte: Verstappens Teamkollege Alex Albon sei zur Hälfte Thailänder. "Und Red Bull gehört zu 51 Prozent Thailändern." Welch Pointe!

Sie ist erklärungsbedürftig, beginnt im Jahr 1982 an einer Bar in Hongkong: Damals orderte ein der Welt unbekannter Handelsvertreter für Zahnpasta ein asiatisches Getränk namens "Krating Daeng". Das ist thailändisch, bedeutet "roter Stier". Der Drink beinhaltete Koffein und Taurin, eine organische Säure, die aus der Galle eines Ochsen isoliert wurde. Und er half Dietrich Mateschitz, seinen Jetlag zu überwinden. Er nahm Kontakt zu den Besitzern auf, passte die Rezeptur um ein paar Nuancen an. Und schon ging es los mit Red Bull. Der Vertrag, den Mateschitz schloss, hatte einen Haken: Er wurde Minderheitseigentümer, 51 Prozent von Red Bull gehören der thailändischen Familie Yoovidhya.

Vor fast 40 Jahren schloss Mateschitz einen Deal, der den Rennfahrer Vettel groß machte. Und der ihm nun gleichermaßen die Rückkehr in seine alte Heimat verwehrt.

Der Weg zu Red Bull, sagte Vettel nun, "ist kein weiter Weg". Manchmal aber sind ja die kurzen Wege die steinigsten.

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