1000. Rennen der Formel 1:999 Mal ist viel passiert

1950 British Grand Prix Silverstone England 11 13 May 1950 Giuseppe Farina R leads Luigi Fagio; Guiseppe Farina

Einmal rum um den Heuballen: Giuseppe Farina tritt 1950 in einem Alfa Romeo beim ersten Formel-1-Rennen in Silverstone an. Der Fahrer ist 44, sein Auto 13 Jahre alt. Gemeinsam werden sie Weltmeister.

(Foto: imago/LAT Photographic)

69 Jahre nach dem ersten Grand-Prix der Geschichte feiert die F1 ihr Jubiläumsrennen in China. Rückblick auf Skandale, Unfälle, Rivalitäten - und groteske Momente.

Von Anna Dreher und Philipp Schneider

Anfänge

In dem Jahr, als die erste Volkszählung der Bundesrepublik durchgeführt, die ARD gegründet und der Annapurna als erster Achttausender bestiegen wurde, hatte auch die Formel 1 ihre Premiere. 1950 folgte die Rennserie dem Beispiel der Motorräder, Rennläufe in einer Weltmeisterschaft zusammenzufassen. So etwas sollte es für die Formel 1 auch geben, mit acht, sechs, vier, drei und zwei Punkten für die fünf Bestplatzierten in den damals nur sieben Rennen und einem Extra-Punkt für die schnellste Runde.

Acht Teams mit über die Saison hinweg insgesamt 49 Fahrern nahmen daran teil. Viele von ihnen mieteten sich Rennautos oder kauften sie. Von der heute so ausgeprägten Sportlichkeit und dem jungen Einstiegsalter waren die Piloten weit entfernt. Der Altersschnitt lag bei über 36 Jahren. Alfa Romeo, Ferrari und Maserati aus Italien, Talbot-Lago und Simca-Gordini aus Frankreich sowie ERA, Alta und Cooper aus Großbritannien waren die ersten Automarken der Formel 1. Der für Maserati startende Freiburger Paul Pietsch war der einzige Deutsche - mit einer nach drei Rennen bereits früh beendeten Karriere in der Formel 1.

MOTORSPORT/FORMEL 1: GP von AUSTRALIEN 1994 in Adelaide

Michael Schumacher bei seinem ersten Titelgewinn 1994.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der erste Grand Prix fand am 13. Mai 1950 in Silverstone statt, an einem Samstag, mit 21 Fahrern, von denen es zwölf über die Ziellinie schafften. Der Mann, der an diesem Tag vor den Augen von König George VI. und der späteren Königin Elizabeth am schnellsten war, sicherte sich mit 44 in einem 13 Jahre alten Alfa Romeo später auch den ersten Weltmeistertitel: Guiseppe Farina, ein promovierter Wirtschaftswissenschaftler aus Italien. Auf Großbritannien folgten Rennen in Monaco, den USA, der Schweiz, Belgien, Frankreich und Italien. Deutschland wurde mit dem Nürburgring erst 1951 in den Kalender aufgenommen.

Der erste deutsche Sieger war am 22. Mai 1961 im niederländischen Zandvoort Wolfgang Graf Berghe von Trips. In jenem Jahr war der Ferrari-Pilot auf dem Weg zum Weltmeistertitel, beim vorletzten Rennen in Monza verunglückte er jedoch tödlich; er wurde posthum zum Saison-Zweiten erklärt. Der überragende Fahrer war der Argentinier Juan Manuel Fangio. Er gewann bei 51 Starts 24 Rennen und fünf Titel - eine Bestmarke, die nur von Michael Schumacher (sieben) übertroffen und von Lewis Hamilton 2018 egalisiert werden konnte.

Schumachers umstrittenes Manöver

Entscheidungen

Formel 1, Grand Prix Portugal 1986, Estoril, 21.09.1986

So freundschaftlich wie sich Ayrton Senna, Alain Prost, Nigel Mansell und Nelson Piquet (oben, v. l.) 1986 in Estoril geben, geht es in der Formel 1 selten zu.

(Foto: pixathlon)

In 69 Jahren Formel 1 ist das letzte Rennen einer Saison selten das tatsächliche Finale gewesen, 40 Mal war die WM früher entschieden. Michael Schumacher sicherte sich seinen fünften Titel beim Großen Preis von Frankreich 2002 schon nach elf von 17 Rennen. 1994 ging er als Führender ins letzte Rennen mit einem Punkt mehr als sein Rivale Damon Hill. 1997 gegen Jacques Villeneuve lag Schumacher ebenfalls einen Punkt vorne, versuchte es mit einem umstrittenen Manöver, flog raus - und verlor.

Kimi Räikkönen holte sich 2007 den Titel mit je einem Punkt Vorsprung auf Lewis Hamilton und Fernando Alonso. 2008 durfte sich Felipe Massa 39 Sekunden lang als WM-Sieger fühlen, bevor ihm Hamilton als Fünfter des abschließenden Rennens den Titel noch wegnahm. So knapp wie 1984 war es aber nie in der Wertung: Nur ein halber Punkt Vorsprung brachte Niki Lauda 1984 den Triumph vor seinem McLaren-Kollegen Alain Prost.

Sep 13 1976 Niki Lauda s brave return to motor racing when he competed in the Italian Grand Prix; Niki Lauda

Wer Weltmeister werden möchte, muss zähl sein wie Niki Lauda.

(Foto: imago)

Neun Mal gab es bis zum Schluss noch drei Titelkandidaten, 2010 im letzten Rennen beim Großen Preis von Abu Dhabi, waren es gar vier. Der WM-Führende Alonso galt im Ferrari als Favorit, Red Bull hatte in Sebastian Vettel und Mark Webber zwei Kandidaten und Hamilton durfte sich im Mercedes auch noch Hoffnungen machen. Alonso musste Erster oder Zweiter werden, aber Vettel gewann und kürte sich mit 23 Jahren zum jüngsten Formel-1-Weltmeister.

Rivalen

Es sind ja nicht nur die Pokale, die in Erinnerung bleiben, nicht nur die Rekordfahrten. An ihren besten Tagen ist die Formel 1 stets ein Circus Maximus gewesen, ein bunter Unterhaltungsbetrieb. Im antiken Rom kreisten die Wagen beim Wagenrennen um sieben hölzerne Eier. Es gab ein Ei für jede zu fahrende Runde. Die Eier ließen sich nach und nach absenken, an den Eiern erkannten die Piloten also, wie lang sie noch fahren mussten.

4 Stunden

vier Minuten, 39 Sekunden und 537 Tausendstel dauerte das längste Rennen in der Geschichte der Formel 1. Es fand statt am 12. Juni 2011 in Montréal, Kanada. Das Rennen wurde wegen Regens zwischenzeitlich mehr als zwei Stunden unterbrochen. Gleichzeitig war es das langsamste Rennen jemals mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 74,8 km/h. Jenson Button gewann im McLaren vor den Red-Bull-Piloten Sebastian Vettel und Mark Webber.

Allein die Eier waren sicher lustig anzusehen und das Eintrittsgeld wert, doch zogen die Zuschauer den größten Spaß aus den kleinen Unsauberkeiten im Wettstreit. Wenn sich die Fahrer gegenseitig abdrängten, indem sie ihre Achsen und Räder gegeneinander rieben, dann kam Freude auf. Auch die größten Fahrer der Formel 1 rieben sich aneinander. Die Grenzen verliefen zwischen den Teams, sie verliefen aber auch zwischen den Garagen eines Herstellers. Prost gegen Senna. Alonso gegen Hamilton. Schumacher gegen Hill. Rosberg gegen Hamilton.

Der dreimalige Weltmeister Nelson Piquet stieg 1982 nach einem Rennunfall aus dem Wagen und prügelte auf den Chilenen Eliseo Salazar ein. Beide Männer waren in diesem Moment behelmt, was eher unüblich ist bei Faustkämpfen. Piquet versteckte auch das Klopapier vor Nigel Mansell, als dieser in Mexiko 1986 von Durchfall geplagt wurde. Und einmal hörte Piquet den Boxenfunk seines Teamkollegen ab und kam selbst statt Mansell an die Box, dessen Ehefrau er zudem als hässlich bezeichnete.

Senna räumt Prost ab

MOTORSPORT / FORMEL 1 : GP VON AUSTRALIEN 2002

Wie gefährlich das Leben als Rennfahrer ist, beweisen die Crashs. 2002 hebt der Williams von Ralf Schumacher ab und fliegt über den Ferrari von Rubens Barrichello.

(Foto: Bongarts)

Prost und Senna? Schossen sich mit Raffinesse von der Piste. 1990 in Suzuka fand Senna, dass Prost als Zweiter zu Unrecht von der sauberen Seite der Strecke starten durfte. "Er sollte besser nicht vor mir einlenken, denn dann wird er es nicht durch die Kurve schaffen", kündigte Senna an. Prost schaffte es nicht durch die Kurve. Senna räumte ihn ab, wurde Weltmeister.

Vier Jahre später folgte Damon Hill dem Benetton von Michael Schumacher beim Saisonfinale in Adelaide. Als Schumacher von der Strecke abkam und die Mauer touchierte, sah der Engländer seine Chance. In der nächsten Kurve griff er an, Schumacher blieb unbekümmert auf der Ideallinie. Kollision. Und Schumacher war mit einem Punkt Vorsprung Weltmeister.

Manchmal kann einen Traurigkeit überkommen beim Gedanken, die Formel 1 sei früher wilder gewesen. Dann aber erinnert man sich wieder an Nico Rosberg und seine Fehde mit Lewis Hamilton bei Mercedes 2016. Die wurde auch nicht nur auf der Rennstrecke ausgetragen. In Malaysia parkte Rosberg seinen Privatwagen auf dem Parkplatz so weit links, dass sich Hamilton mit seinem Geländewagen reinquetschen musste. Es heißt, Hamilton habe die Fahrertür kaum öffnen können.

Skandale

Nicht viele Sportarten sind imstande, den Stoff für regelrechte Spionagethriller zu liefern. Plots, in denen es um Geheimnisverrat geht und in denen Menschen von wilden Verfolgungsjagden berichten, die nicht einmal Rennfahrer sind. Die größten Skandale der Formel 1 haben sich nicht einmal auf der Strecke abgespielt. Dort allerdings auch. 2001 wurde Michael Schumacher vom damaligen Ferrari-Chef Jean Todt auf fragwürdige Weise an seinem Teamkollegen Rubens Barrichello vorbeigeschleust.

Todts Funkspruch "Let Michael pass for the Championship" hat sich seither zum geflügelten Ausspruch für unfaires Verhalten im Rennsport entwickelt. Peinlich auch der Reifenskandal von Indianapolis: 2005 brachte Michelin die falschen Reifen zum US-Grand-Prix. Schon im Training gab es reihenweise Reifenschäden. Im Rennen starten nur lächerliche sechs Autos, jene auf Bridgestone-Gummis. Die Menschen lachten über den Kleinen Preis der USA, die Fans tobten.

Aber das alles war nichts im Vergleich zur Spionage-Affäre, die im Jahr 2007 die Rennserie an ihrem Fundament erschütterte. Und die deshalb das Interesse der Zuschauer an der Formel 1 und die TV-Einschaltquoten erhöhte. Wer unfallfreien Sport erleben möchte, schaut nicht Formel 1.

Irre Geschichte um Ferrari

Im Mittelpunkt der irren Geschichte stand der Ferrari-Mitarbeiter Nigel Stepney, der bei der Scuderia einen gewissen Karriere-Frust verspürte und dann mit Mike Coughlan konspirierte, dem Chefdesigner von McLaren. Stepney ließ Coughlan sensible Daten zukommen. Gemeinsam hatten sie die Spitzenidee, sich mit dem gesammelten Wissen bei einem dritten Team zu bewerben.

Die Geschichte kam ans Licht, weil Coughlan seine Frau mit dem geheimen Material in einen öffentlichen Copyshop schickte, um Sicherheitskopien zu ziehen. Die Polizei durchsuchte Stepneys Haus, er floh ins Ausland, und als er zurückkam, erzählte er von Verfolgungsjagden. Fernando Alonso, der Titelverteidiger, war von Renault zu McLaren gewechselt, fand sich dort wieder an der Seite des jungen und schnellen Lewis Hamilton - und gab den Kronzeugen.

Alonso erklärte gegenüber McLaren-Boss Ron Dennis, dass er über Informationen zur Spionageaffäre verfüge und drohte, diese bekannt zu geben. Staatsanwälte ermittelten, zweimal tagte der Weltrat des Internationalen Automobil Verbandes. Am Ende musste McLaren 100 Millionen Dollar zahlen und wurde aus der Konstrukteurswertung gestrichen. Und Kimi Räikkönen wurde der vorerst letzte Weltmeister im Ferrari.

Pannen

Die Formel 1 ist oft Drama, manchmal Komödie, selten Groteske. Ihre herrlichsten Pointen schreibt sie, wenn Mensch und Technik kollidieren, wenn also das Auto nicht so fährt, wie es der Fahrer wünscht. Der Mensch ist trainiert, die Technik ausgereift. Blöd nur, dass sie noch immer von Menschen bedient wird. 1999 biegt Eddie Irvine mit seinem Ferrari an seine Box am Nürburgring. Er will zunächst auf Regenreifen wechseln, entscheidet anders und verlangt Trockenreifen. Irvine rollt rein, es geht los. Reifen runter. Reifen dran.

Auch hinten rechts schraubt ein Mechaniker einen ab, es kommt aber niemand mit einem neuen. Nach 48 Sekunden rast Irvine wieder los - die Führung ist futsch, die Saison beendet er als Zweiter. Die italienische Presse presst ihre Wut in schäumende Überschriften, in ganz Italien zeigen Ladenbesitzer ihren Protest: Sie stellen Hinterreifen in Schaufenstern aus. Und in Deutschland höhnt die Bild: "Uno, due, tre. Mamma mia! Wo ist quattro?"

Unvergessen auch Felipe Massas Auftritt 2008 in der Box von Singapur. Kurz bevor er wieder auf die Strecke biegt, blickt er in den Rückspiegel. Massa sieht: einen Tankstutzen, der noch immer in seinem Ferrari steckt, den er abgerissen hatte, indem er zu früh losgerollt war. Und Lewis Hamilton hat im Vorjahr gestaunt, als er in Melbourne nach einem Boxenstopp die Führung an Sebastian Vettel verloren hatte.

"Habe ich einen Fehler gemacht?"

Seine Ingenieure hatten die Rennsoftware mit falschen Daten versorgt. "Wie konnte ich zurückfallen? Habe ich einen Fehler gemacht?", fragte Hamilton. Hatte er nicht. In solchen Momenten ist die hochtechnologische Welt der Formel 1 nicht weit entfernt von der anarchischen des Wilden Westens. Ein Reiter steigt aufs Pferd, um lässig davon zu reiten, das Pferd bockt, wirft den Reiter ab. Dann liegt er im Staub.

Gefahr

In den ersten Jahren der Formel 1 ging es nicht nur darum, schneller als die Konkurrenz zu sein. Es ging ums Überleben. Die Gefahr hat sich mit der Entwicklung der Formel 1 verringert, weil die Autos nicht nur schneller, sondern auch sicherer geworden sind. Aber nach jedem Start gibt es immer noch Kontakte zwischen den Autos, die in 999 Läufen nicht selten zu Kollisionen und Unfällen geführt haben, viele endeten tödlich.

Der Argentinier Onofre Marimon war 1954 auf dem Nürburgring der erste Fahrer, der in einem WM-Lauf der Formel 1 ums Leben kam. 1957 und 1958 verunglückten vier Ferrari-Piloten. Auch Zuschauer starben immer wieder. Mal lag es an der Technik, mal lag es am menschlichen Versagen. Lorenzo Bandini verbrannte 1967 in Monte Carlo vor laufenden Kameras, ein Jahr später starben vier Rennfahrer in vier aufeinanderfolgenden Monaten.

Öffentlichkeit und Fahrer forderten mehr Sicherheit und den Ausschluss gefährlicher Strecken - wie beispielsweise Niki Lauda eine Streichung des Nürburgrings. Eine Forderung, der er auf tragische Weise Nachdruck verlieh. Am 1. August 1976 verlor Lauda die Kontrolle über seinen Ferrari, kam von der Strecke ab, woraufhin sein Wagen in Flammen aufging. Nur weil andere Fahrer Lauda aus dem Wagen zogen, überlebte er - und kehrte 42 Tage später ins Cockpit zurück.

Ein Umdenken setzte aber erst 1994 ein, nach dem fatalen Wochenende von Imola. Schon am Freitag hatte Rubens Barrichello einen schweren Unfall, es war ein Vorbote dessen, was noch passierte: Am nächsten Tag im Abschlusstraining verlor Roland Ratzenberger bei mehr als 300 km/h einen Teil seines Frontflügels und schlug in eine Mauer ein. Der Österreicher hatte keine Chance zu überleben. Im Rennen am Sonntag kollidierten gleich zu Beginn mehrere Autos.

In der sechsten Runde des Neustarts kam der Brasilianer Ayrton Senna bei 321 km/h im Scheitelpunkt der Tamburello-Kurve vom Kurs ab und schlug ebenfalls in eine Mauer ein. Drei Stunden später erlag er seinen schweren Kopfverletzungen. In der Formel 1 verhinderten die daraufhin eingeführten Sicherheitsvorkehrungen wie höhere Cockpitwände und ein besserer Nackenschutz Tragödien wie diese - bis 2014 beim Großen Preis von Japan Jules Bianchi unter einen Bergungskran raste und nicht überlebte.

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