Sieben Kurven der Formel 1:Hamilton hat sich selbst besser verstehen gelernt

Der Brite feiert seinen fünften WM-Titel mit nacktem Oberkörper. In der Traumehe zwischen Sebastian Vettel und Ferrari sind erste feine Risse zu erkennen. Und Max Verstappen entzückt sogar die Deutschen. Ein Jahresrückblick.

Von Elmar Brümmer, Abu Dhabi

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Der Triumphator des Jahres

F1 Grand Prix of Abu Dhabi

Quelle: Getty Images

Elf Siege in einem Jahr, damit hat Lewis Hamilton seine persönliche Bestmarke aus der Saison 2014 übertroffen - und damit ist der jetzt fünffache Champion der erste Fahrer der Formel 1, der über 400 Punkte in einem Rennjahr einfahren konnte. Und seit langem auch der erste, der mit nacktem Oberkörper auf dem Podium stand. Keine verlorene Wette, sondern schon eine Kampfansage für 2019: Hamilton drehte nach seiner Machtdemonstration dem Publikum in Abu Dhabi den Rücken zu, so dass alle das dort eintätowierte große Kreuz sehen konnten, vor allem aber den Satz: Still I rise. Er wächst immer noch, wie in dieser Saison zu sehen war, und vor allem in der zweiten Saisonhälfte ist er über sich hinausgewachsen, eine mentale Stärke, die selbst seinen alten Gegenspieler Nico Rosberg bass erstaunt hat. Hamilton begründet seinen Siegeszug mit einem Erkenntnisgewinn. "Ich habe mich selbst besser verstehen gelernt und bin dadurch immer besser geworden." Vor allem ist er zum echten Mannschaftskapitän geworden, das hat Mercedes den Turnaround schaffen lassen. Tatsächlich: einer für alle.

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Der Unglückliche des Jahres

F1 Grand Prix of Abu Dhabi

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Es ist müßig, aufzuzählen, wer in diesem Jahr mehr Fehler gemacht hat: Sebastian Vettel oder sein italienischer Rennstall. Bilanz: wieder Zweiter, wieder den Titel verpasst. So groß wie diesmal war die Chance noch nie. Dass es nach dem vierten vergeblichen Anlauf zumindest feine Risse in der Traumehe gibt, kommt nicht unerwartet. Kitt kann nur der Erfolg sein. "Vieles muss sich verändern", weiß Vettel, "uns haben die Konstanz und der Speed gefehlt, um die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und zu entscheiden. Es war ein gutes Jahr, aber es war kein perfektes Jahr. Von meiner Seite und von unserer Seite aus gibt es noch sehr viel zu tun. " Was er meint: "Der letzte Schritt steht noch aus. Ich will's ihm schwer machen und den Titel wegnehmen." Die bessere Leistung von Mercedes 2018 erkennt er - wohl eher neidvoll - an. Hätte es die Pannen nicht gegeben, wäre nicht Hamilton in Mexiko vorzeitig zum fünften Mal Weltmeister geworden, sondern Vettel mit 402:324 Punkten. Zumindest als Fahrer würde Vettel in den meisten Situationen wohl wieder so handeln, das ist sein Naturell: "Wer Druck macht, macht auch mal zu viel Druck."

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Der Aussteiger des Jahres

F1 Grand Prix of Abu Dhabi

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Für die einen ist er der größte Egomane der Formel 1, für die anderen der größte Charakterdarsteller. Sicher ist: Wenige polarisieren so sehr, wie es Fernando Alonso in 312 Rennen getan hat. Dass er zum Schluss noch knapp an einem allerletzten Punktgewinn vorbeigeschrammt ist, und überrundet nur Elfter wurde, ist eine weitere bittere Pointe des Schicksals. Als einer der besten Fahrer des Jahrtausends war er oft zur falschen Zeit im falschen Team, die fünf Jahre bei Ferrari eingeschlossen. So bleibt es bei nur zwei WM-Titeln, die für den Mann aus Oviedo aber mehr zählen: "Ich habe sie gegen Michael Schumacher gewonnen." 2019 will der 37-Jährige eine letzte Genugtuung, und das Triple des Motorsports holen - mit einem Sieg bei den 500 Meilen von Indianapolis. Die Grand-Prix-Karriere scheint zu Ende, in Abu Dhabi durfte er noch einmal mit Hamilton und Vettel im Rampenlicht stehen, sein alter Manager Flavio Briatore war extra angereist. Aber sein Stolz verbietet es ihm, damit zufrieden zu sein: "Vielleicht komme ich 2020 wieder, vielleicht auch nicht." Schon wird er als potenzieller Teamchef gehandelt. Im Briefingraum am Yas Marina Circuit bleibt ein Graffiti: "Gracias, Fernando".

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Der Macher des Jahres

Toto Wolff

Quelle: dpa

High Five, und das gleich doppelt. Damit ist Mercedes heute auf dem Niveau von Ferrari und Michael Schumacher zu Anfang des Renn-Jahrtausends. Aber das Einstellen eines Rekordes, von dem man annehmen konnte, dass er für die Ewigkeit hält, reicht den Silberpfeilen nicht. "Wir hoffen, dass die Serie nicht zu Ende geht", sagt Toto Wolff, der Mortorsportchef bei Mercedes, "wir werden weiter pushen und uns neue Ziele setzen." Die Mannschaftsleistung war nie so stark wie in diesem Jahr, deshalb konnte man Ferrari die Führung im Endspurt wieder abtrotzen. Bammel muss der Autobauer vor dem Reglementwechsel 2019 also nicht haben. Zumal dann wieder Niki Lauda dabei sein will, der Teamaufsichtsrat hat das in einer Videobotschaft angekündigt. Der Grantler sagt, dass die Erfolge des Rennstalls im geholfen hätten, nach seiner Lungentransplantation schneller aus dem Krankenbett zu kommen. Er freut sich schon auf den Druck, den sechsten Titel zu holen." Auch Wolff ist froh, nicht mehr allein vorn stehen zu müssen: "Niki kann manchmal irrational sein, aber den Druck, den er aufbaut, der ist positiv. Das Spiel good cop/bad cop haben wir beide immer gut gespielt."

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Der Aufsteiger des Jahres

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Quelle: AFP

Nicht alle Rennfahrer aus Monte Carlo sind von Haus aus verzogen. Der Ferrari-Junior Charles Leclerc, der nacheinander seinen besten Freund, seinen Vater und seinen Großvater verloren hat, hat mit 21 in dieser Saison den größten Sprung geschafft: erst in die Formel 1, dann gleich zu Ferrari. Sein künftiger Nebensitzer Sebastian Vettel urteilt über die neue Konkurrenz: "Er hat das Cockpit nicht ohne Grund bekommen." Leclerc ist auf den Punkt schnell, zielstrebig - und ungeheuer analytisch. Sympathisch dazu. Das könnte eine Musterkarriere werden. Von seinem Sauber-Rennstall verabschiedet sich der Azubi mit einem starken siebten Platz, der dem Team Platz acht in der Konstrukteurs-WM sichert. Zeitweilig lag er auf dem vierten Platz und konnte sich schon in den Rückspiegeln von Sebastian Vettel zeigen. Eine Generalprobe für die nahe Zukunft? Leclerc ist alles andere als großspurig: "Mein Ziel ist immer das beste Ergebnis, das mit meinem Auto möglich ist."

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Der Dauerbrenner des Jahres

F1 Grand Prix of Abu Dhabi

Quelle: Getty Images

Ausgerechnet der schweigsamste aller Rennfahrer hat die sozialen Medien entdeckt, vielleicht war es auch die etwas zeigefreudigere Gattin Minttu, die auf Instagram nur "the wife" genannt wird. Von Ferrari trotz treuester Dienste und der Fürsprache von Sebastian Vettel auf die Straße gesetzt, kehrt Kimi Räikkönen jetzt wieder dahin zurück, wo 2001 alles begann - zum Schweizer Sauber-Rennstall. Erfüllt er dort seinen Zwei-Jahres-Vertrag, wird er auch den Ausdauer-Rekord der Formel 1 brechen. Zum Abschied hatte Ferrari T-Shirts mit Herzen und dem Slogan "We love Kimi" drucken lassen. In Abu Dhabi hatte der Finne allerdings nur eine kurze Abschiedsvorstellung. Das Ende seines insgesamt achten Jahres in Rot kam nach sechs Runden, dann war die Power plötzlich weg. Beim Auto, wohlgemerkt. Trotzdem konnte er am Ende den dritten Rang verteidigen, er stand genauso oft auf dem Podest wie sein Kumpel Vettel. Vor allem aber hat er in Austin mit seinem ersten Sieg seit fünfeinhalb Jahren gezeigt, dass er auch mit 39 immer noch ein Siegertyp ist.

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Der Störenfried des Jahres

F1 Grand Prix of Abu Dhabi

Quelle: Getty Images

Die Deutschen können dem Niederländer gar nicht böse sein: Auch Max Verstappen ist es zu verdanken, dass Hockenheim nochmal im Kalender geblieben ist, denn das Fan-Gefolge aus Oranje ist konstant groß geblieben, auch wenn die große Red-Bull-Hoffnung von Form- und Stimmungsschwankungen geplagt wurde. Zum Jahresende hin war die Leistung steigend, zwei Siege und ein paar Ausraster sind die Bilanz des Prinzen, der 2019 Kronprinz, aber am besten gleich König werden will. Seinen Willen setzt er auf der Piste kompromisslos durch, auch gegen Überrundete. In seinem Team bekommt er ihn ohnehin, mit den Reglementänderungen hoffen die Briten, an beste Vettel-Zeiten von zu Anfang des Jahrzehnts anknüpfen zu können. Vor allem wird den 21-Jährigen im Unterfangen, jüngster Weltmeister der Geschichte zu werden, künftig kein Renault-Motor mehr zu Schimpftiraden hinreißen, Red Bull wechselt zu Honda. Wird er aus seiner Aggression Motivation, dann werden daraus große Rennen - seine beiden Siege, aber auch die Fahrt auf Platz drei in Abu Dhabi, nachdem anfangs sein Motor in den Ruhemodus geschaltet hatte, sind beste Belege dafür.

© sz.de/schma/dd
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