Formel 1: Zehn Zylinder:Dilettanten in der Boxengasse

Es war der Tag der Boxenschusseligkeiten: Bei Sebastian Vettel bricht der Wagenheber, bei McLaren fehlt plötzlich eine Schraube, bei Force India ein kompletter Reifensatz. Fernando Alonso muss sich trotz seines Sieges ärgern - und Michael Schumacher schimpft auf die Jury.

Johannes Aumüller

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Formel 1: Zehn Zylinder:Fernando Alonso

British F1 Grand Prix - Race

Quelle: Getty Images

Es war der Tag der Boxenschusseligkeiten: Bei Sebastian Vettel bricht der Wagenheber, bei McLaren fehlt plötzlich eine Schraube bei Force India ein kompletter Reifensatz. Fernando Alonso muss sich trotz seines Sieges ärgern - und Michael Schumacher schimpft auf die Jury.

Hat wirklich großes Pech. Da fährt er ein vorzügliches Rennen, leistet sich keinen einzigen Fehler, zeigt beeindruckende Überholmanöver und sichert sich so verdient den ersten Saisonsieg - und muss sich dennoch mit manchen Aussagen herumärgern. Denn demnach hat er erstens nur gewonnen, weil sein Rennstall mehr als alle anderen von den kurzfristigen Regeländerungen bezüglich des sogenannten Zwischengases profitierte. Und zweitens, weil er von einem Boxen-Blackout des bis dahin souverän führenden Sebastian Vettel profitierte (siehe Vettel).

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Formel 1: Zehn Zylinder:Sebastian Vettel

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Quelle: AP

Zog mit einem perfekten Start an seinem Teamkollegen Mark Webber vorbei auf Platz eins und verbreitete danach den Eindruck, als könne ihn nichts auf dieser Welt auf dem Weg zum siebten Saisonsieg stoppen: nicht die merkwürdig gestaltete Boxengasse, nicht die Regeländerungen und nicht einmal das schlechte Wetter, das den Renn-Strategen in Sachen Reifenwahl und Autoabstimmung viel Mühe machte. Doch dann kam in Runde 27 sein zweiter Boxenstopp: Vettel fuhr auf den Reifenwechselplatz und stand und stand und stand - und stand immer noch, als Fernando Alonso und Lewis Hamilton schon an ihm vorbeigezogen waren. Offenbar war ein Wagenheber defekt, weshalb es einige Zeit dauerte, bis Sebastian Vettels Hinterräder ordentlich montiert waren. Aus zwei Gründen musste er sich aber nicht zu sehr grämen: Erstens lotste ihn die Box mit einem guten taktischen Verhalten beim dritten Boxenstopp zumindest auf Platz zwei zurück - und zweitens baute er seinen Vorsprung in der Gesamtwertung auf 80 Zähler aus.

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Formel 1: Zehn Zylinder:Mark Webber

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Quelle: AP

Tauchte in der vorletzten Runde gefährlich nahe hinter Sebastian Vettel auf - und weckte bei den Red-Bull-Verantwortlichen böse Erinnerungen ans vergangene Jahr, als sich die beiden Teamkollegen Webber und Vettel gegenseitig von der Strecke rammten. Brachte deswegen die Crew seines Rennstalles dazu, mit einer alten Tradition zu brechen: Denn während die Red-Bull-Verantwortlichen normalerweise frei fahren lassen, funkten sie diesmal "Mark, halt den Abstand". Wobei Webber diese Order gar nicht befolgen wollte. "Ich habe das ignoriert", sagte er - an Vettel vorbei kam er trotzdem nicht.

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Formel 1: Zehn Zylinder:Lewis Hamilton

McLaren Formula One driver Lewis Hamilton of Britain leaves his car after the British F1 Grand Prix at Silverstone

Quelle: REUTERS

Hatte gegen Fernando Alonso und die Red Bulls kaum eine Chance und wurde Vierter. Schob das auf die Regeländerungen und befand auf seine bescheidene Art, den "besten Job" gemacht zu haben. Ist in der Gesamtwertung zwar Vierter, allerdings so weit hinter Sebastian Vettel zurück, dass er wohl selbst nicht mehr an den WM-Titel glaubt. Ist dennoch eine der interessantesten Figuren des Wochenendes: Denn auf die typische Hamilton-Art befeuerte er die Spekulationen, nach denen er bald das Team wechseln könnte - womöglich gar zu Vettels Red-Bull-Rennstall. "Wenn ich meinen Vertrag mit McLaren verlängere, werden sie überrascht sein, an wie vielen Tagen sie mich nicht einsetzen können. Ich werde viel weniger arbeiten", sagte er. Die hohe Zahl von PR-Terminen störe ihn, ihm bleibe zu wenig Zeit zur Vorbereitung auf die Rennen.

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Formel 1: Zehn Zylinder:Jenson Button

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Quelle: AP

Zeigte zunächst gegen Felipe Massa das beste Überholmanöver des an starken Überholmanövern wahrlich nicht armen Rennens - und zeigte dann dem Red-Bull-Team, dass sich deren Boxenschusseligkeit noch toppen lässt. Denn während Vettels Crew das eine Rad zwar nur verlangsamt, aber immerhin dann doch montierten, ging der Stopp bei Jenson Button noch eine Nummer schiefer. Denn als der Brite nach dem Reifewechsel zurück auf die Strecke kam, wackelte sein rechtes Vorderrad gehörig: Der Mechaniker hatte die Schraube nicht richtig festgezogen - und für Button war das Rennen kurz nach der Boxenausfahrt vorbei.

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Formel 1: Zehn Zylinder:Michael Schumacher

Formel 1 - GP Großbritannien - Schumacher

Quelle: dpa

Regen! Wenn in dieser unbefriedigend verlaufenden Saison Michael Schumacher etwas Freude bereitet, dann ist es dieses kleine Wort: Regen. Gilt er nicht seit seinen besten Benetton- und Ferrari-Tagen als der Rainman der Formel 1? Hatte er nicht beim nassen Großen Preis von Kanada seine bislang beste Saisonleistung gezeigt? Und deutete sich in den Tagen vor dem Rennen in Silverstone nicht wieder so eine Rutschpartie an? Noch am Freitag hatte Michael Schumacher auf ein erfolgreiches Wochenende gehofft - spätestens in Runde 15 des Rennens am Sonntag war diese Hoffnung dahin. Ein schlechtes Qualifying (nur Rang 13), kein Regen am Renntag, ein unplanmäßiger früher Stopp, eine Stop-and-go-Strafe wegen einer verschuldeten Kollision. Kam dennoch auf Platz neun. Gab sich nachher selbstkritisch ("Mein Fehler, es wäre definitiv mehr drin gewesen"), schimpfte aber zugleich auf die Jury: Die Strafe sei unverhältnismäßig hart gewesen.

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Formel 1: Zehn Zylinder:Paul di Resta

Paul di Resta

Quelle: AP

Force-India-Pilot Paul di Resta ist es gewohnt, eher selten im Bild zu sein. Denn gemeinhin tuckert der frühere Gesamtsieger des Deutschen Tourenwagen-Masters eher in der Mitte des Feldes herum. Auch beim Großen Preis von England war der Schotte zunächst eher selten im Bild - mit dem gravierenden Unterschied, dass er nach einem überraschend starken sechsten Qualifying-Rang diesmal richtig gut im Rennen lag und sich lange Zeit Hoffungen auf viele Punkte machen durfte. Bis er dummerweise binnen kürzester Zeit doch zwei Mal ins Bild geriet. Zunächst hatte die Boxencrew bei seinem zweitem Stopp die falschen Reifen parat. Dann touchierte er das Auto des Sauber-Rivalen Kobayashi. So wurde es dann nichts mit vielen Punkte, sondern kam di Resta auf einer gewohnten Position ins Ziel - und ins Bild nur noch, wenn ihn die Spitzenfahrer überrundeten.

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Formel 1: Zehn Zylinder:Sauber-Team

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Quelle: AFP

Rundete den Tag der merkwürdigen Boxenaktionen ab. Denn als das Sauber-Team in der 13. Runde seinen Fahrer Kamui Kobayashi abgefertigt hatte, schickte es den Japaner einfach so zurück auf die Strecke - und übersah dabei, dass gerade der venezolanische Sauber-Pilot Pastor Maldonado angerauscht kam. Beinahe wäre es zum Crash gekommen, doch beide konnten weiterfahren. Sauber-Mann Kobayashi kassierte deshalb eine Strafe, die im Kampf um die schönsten Strafbezeichnungen sicher gute Chancen hätte: eine Strafe wegen "unsicherem Losfahren lassen".

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Formel 1: Zehn Zylinder:Daniel Ricciardo

British F1 Grand Prix - Practice

Quelle: Getty Images

Ist erst seit wenigen Tagen 22 Jahre alt, kommt aus Australien und übernahm vor dem Großen Preis von Silverstone das Cockpit des indischen Hispania-Racing-Piloten Narain Karthikeyan. Der hatte bei seinen acht Saisonauftritten wirklich maßlos enttäuscht: In den Qualifyings landete er stets auf einem der drei letzten Plätze 22 (ein Mal), 23 (drei Mal) oder 24 (vier Mal), in Monaco und in Kanada kam er im Rennen immerhin auf Position 17 - was allerdings vor allem daran lag, dass etliche Fahrer ausschieden. Nun saß also erstmals Ricciardo im Hispania-Auto und landete in seinem ersten Qualifying auf Rang - 24. Im Rennen erreichte er das Ziel zwar als 19., allerdings waren fünf von 24 Fahrern ausgeschieden und betrug sein Abstand auf den Vorletzten eine ganze Runde. So etwas war Narain Karthikeyan nie passiert.

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Formel 1: Zehn Zylinder:Reglement

Formel 1 - GP Großbritannien - Start

Quelle: dpa

Was wäre die Formel 1 nur ohne ihre ständigen Regeldiskussionen? Doch was sich in Sachen Zwischengas, Drosselklappen et cetera. derzeit tut, kann kaum noch jemand nachvollziehen. An diesem Wochenende gab es diesbezüglich fast so viele Kehrtwendungen wie Überholmanöver auf der Strecke (und es gibt in diesem Jahr wirklich viele Überholmanöver). Am Ende starteten alle 24 Fahrer ohne Drosseltechnik, Ferrari profitierte davon, McLaren litt darunter. Seit Sonntagabend gibt es nun eine neue "Einigung": Die Formel 1 kehrt zur Valencia-Lösung zurück. Ob das aber bis zum Rennen auf dem Nürburgring in zwei Wochen so bleibt, weiß niemand.

© sueddeutsche.de/aum/mikö
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