Formel 1:"Wir machen harte Zeiten durch"

F1 Grand Prix of Monaco

Lewis Hamilton (Mitte) gewinnt in Monte Carlo, Rivale Daniel Ricciardo aus Australien (links) war zuvor vom eigenen Team beim Boxenstopp gebremst worden. Rechts der Drittplatzierte Sergio Perez aus Mexiko.

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Angesichts eigener Pannen und starker Verfolger steigt im Rennstall von Mercedes die Nervosität.

Von Elmar Brümmer, Monte Carlo

Statistiken sind unter Formel-1-Fahrern so beliebt wie die Benotungen im Kicker unter den Fußballern. Keiner gibt es zu, aber für die Ego-Pflege sind sie unverzichtbar. So ist der Sieg von Lewis Hamilton beim Großen Preis von Monaco nicht bloß der 44. seiner Karriere, es war auch das 87. Rennen, das der Brite in der Königsklasse angeführt hat. Damit hat er Ayrton Senna, sein großes Idol, überholt und ist in dieser Kategorie der Zweitbeste hinter dem kaum erreichbaren Michael Schumacher (142). Wo Hamilton nach seinem ersten Erfolg in dieser für ihn so schleppend angelaufenen Saison wirklich hin will, ist auch klar: Vor dem Dinner beim Fürsten postete der Titelverteidiger noch ein Bild von sich vor einer Backsteinwand. Das Graffiti darauf ist leicht als "No. 1" zu entziffern.

An seiner Fahrweise soll es nicht liegen, die war unter den schwierigen Bedingungen auf den Straßen von Monte Carlo im Stil von Schumacher und Senna. Mit einem Satz Reifen 47 Runden durchzufahren und sich einen wie eine Viper attackierenden Daniel Ricciardo vom Hals zu halten, das braucht schon mehr als Glück, vielleicht sogar den Mut der Verzweiflung. Natürlich, ganz ohne das Boxenstopp-Dilemma von Red Bull (Merke: Zum Reifenwechsel braucht man auch rechtzeitig alle Reifen) wäre der Erfolg wohl nicht möglich gewesen. Weshalb Hamilton seine Sieges-Botschaft an die Fangemeinde mit dem Hashtag #GodIsTheGreatest versehen hat. Später klärte er auf: "Ich habe wirklich gebetet um solch einen Tag. Aber ich bete nie dafür, dass ich gewinne, sondern nur, dass ich das Beste zeige, zu dem ich imstande bin."

Rivale Red Bull hat nun einen stärkeren Motor - und der Konzernchef wieder Spaß

So reduzierte er den Rückstand in der WM-Wertung auf den Führenden Nico Rosberg auf 24 Punkte, nachdem ihn der Deutsche auf Geheiß der Teamführung vorbeilassen musste, weil die Bremsprobleme beim späteren Siebten einfach zu groß waren. "Nico hat sich wie ein Gentleman verhalten", dankte Hamilton, wohl wissend, dass die Aktion am Ende der Mammutsaison über den Titelgewinn entscheiden könnte. Aber allein auf Schützenhilfe darf ein Fahrer seine Leistung nie reduzieren, da ist der Stolz zu groß. Hamilton sagte, bei diesem Rennen habe er "den Sieg verdient, es war das härteste Rennen, an das ich mich erinnern kann".

Während die Kampfkraft im Silberpfeil-Duo so stark wie nie erscheint, bleibt Mercedes weiter technisch unzuverlässig - schon die Pole Position war in Monte Carlo wegen eines Benzindruck-Problems an Red Bull verloren gegangen. Hamilton war in eine Art lakonischer Schockstarre verfallen, wollte zu den Widrigkeiten nur so viel sagen: "Die Probleme sind ja zur Normalität geworden." Aber alles Schlechte hat was Gutes, wie Daimler-Konzernlenker Dieter Zetsche angesichts der Rosberg-Sorgen und der geglückten Stallorder befand: "Es gab eine gewisse Imbalance im Team. Lewis hat gemerkt, dass wir beide Piloten gleich behandeln - gut so." Das war natürlich auf die Regieanweisung bezogen, aber es gilt auch für die Fehleranfälligkeit.

Die ist ein Alarmsignal für Teamchef Toto Wolff, denn mittlerweile ist nicht allein Ferrari ein Rivale, sondern auch Red Bull Racing, das neben zwei starken Fahrern und einem Wunder-Chassis nun auch einen viel stärkeren Renault-Motor hat. "Es ist schon merkwürdig. Wir hatten in der ganzen Testphase keinerlei Sorgen, aber natürlich treiben wir die Leistung jetzt auch ans Limit", sagt Wolff, "wir machen gerade harte Zeiten durch. Das wird langsam schon frustrierend." Die einzig praktikable Lösung sei es nun, die Sorgen mittels eines "ruhigen, strukturierten Prozesses auszusortieren". Das sagt sich so einfach, wenn der Druck größer wird.

Die Konkurrenz von Red Bull befindet sich noch in einer steilen Lernkurve. Natürlich hat man mit Teamchef Christian Horner, Konstrukteurs-Genie Adrian Newey und dem Motorenpapst Mario Illien ein eigenes Dreigestirn, das die Mannschaft aus Milton Keynes an das Champion-Niveau zu Anfang des Jahrzehnts zurückbringen kann. Der Leasingvertrag mit Renault wurde am Sonntag gleich um zwei Jahre verlängert, auch Konzernlenker Dietrich Mateschitz hat den Spaß am Wettbewerb wiederentdeckt. Das Tempo der Aufholjagd ist groß, manchmal zu groß, wie die Panne beim entscheidenden Boxenstopp von Daniel Ricciardo in Monte Carlo zeigte.

So wie die Mercedes-Piloten den Glauben an die Zuverlässigkeit ihrer Autos zurückgewinnen müssen, muss der Australier neues Vertrauen in sein Team finden. "Alles, was ich sagen kann, ist: Es ist das zweite Mal nacheinander, das zweite Mal!" Schon in Barcelona hatte ihn ein Taktikfehler zurückgeworfen und dem Teamkollegen Max Verstappen den Sieg beschert, in Monte Carlo war er - ohne gefragt zu werden - zum plötzlichen und dann missglückten Boxenstopp gezwungen: "Das ist wirklich schwer zu versehen. Es macht mich krank, so schnell zu sein und nicht dafür belohnt zu werden." Horner blieb nichts anderes übrig, als sich nach dem Fehlgriff bei Ricciardo zu entschuldigen. Im Übrigen sei ja auch die Garage in Monte Carlo zu klein für so viele Reifen. Selten hat die Problem-Formel so viel Spannung produziert. Aber wütende Rennfahrer, siehe Hamilton, sind oft die besten Angreifer. Nach knapp einem Drittel der Saison fängt diese WM erst richtig an.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: