Süddeutsche Zeitung

Formel W:Frauen fahren gegen Frauen, um gegen Männer bestehen zu können?

  • Ein paar Frauen in der Formel 1 gab es schon, doch wirklich durchsetzen konnte sich keine. Das soll sich nun ändern: Durch die neue Rennserie Formel W.
  • Der ehemalige Formel-1-Pilot David Coulthard und Red-Bull-Designgenie Adrian Newey sind die bekannten Namen, die für das Projekt stehen, das einen Umbruch im Motorsport einleiten soll.
  • Ob eine rein weibliche Serie dabei förderlich ist, gegen Ungleichbehandlung anzukommen, ist allerdings fraglich.

Von Anna Dreher

Bevor Maria Teresa de Filippis jedes Mal aufs Neue eine kleine Revolution begann, rauchte sie gerne eine Zigarette. Ihre Brüder hatten um ihren Start bei einem Autorennen gewettet. Statt einen Unfall zu bauen, gewann sie es in ihrer Klasse und fuhr dann ein Rennen nach dem anderen. 1958 startete sie beim Großen Preis von Belgien - als erste Fahrerin überhaupt bei einem Formel-1-Weltmeisterschaftslauf. In dem Jahr, in dem Frauen in Deutschland erstmals ohne Zustimmung ihres Mannes den Führerschein machen durften. De Filippis wurde zu einer Ikone im Motorsport, zu einem Vorbild.

Seitdem gab es immer wieder Frauen in der Formel 1. Lella Lombardi bestritt in den Siebzigern zwölf Rennen und fuhr als bis heute einzige Frau in die Punkte. Desiré Wilson gewann 1980 in Brands Hatch ein Rennen, allerdings in der britischen Formel 1, nicht in der Weltmeisterschaft. 1992 sprach Giovanna Amati vor ihrem Debüt von einem Geschenk, neben Nigel Mansell und Ayrton Senna zu fahren, verpasste dann jedoch die Qualifikation. Die bisher letzte Frau, die nah dran an ihrem Ziel gewesen ist, war bis 2015 Susie Wolff als Testfahrerin von Williams. Wirklich durchsetzen aber konnte sich keine. Das soll sich ändern: Mit der Formel W, einer eigenen Rennserie für Frauen.

"Du musst kein Mann sein, um ein erfolgreicher Rennfahrer zu sein", sagte der frühere Formel-1-Fahrer David Coulthard am Mittwoch bei der Bekanntgabe. "Wir glauben fest daran, dass Frauen und Männer auf demselben Level wettbewerbsfähig sein können." Nur könnten sie es eben nicht zeigen, "oft als Folge der fehlenden Förderung und nicht des fehlenden Talents. Deshalb ist eine eigene Frauenserie nötig."

Coulthard und Red-Bull-Designgenie Adrian Newey sind die bekannten Namen, die für das Projekt stehen, das einen Umbruch im Motorsport einleiten soll. Ab dem Frühjahr 2019 ist in der neu gegründeten Serie auf noch nicht bekannten Strecken eine bisher nicht näher genannte Anzahl von Rennen geplant. Dafür vorgesehen sind im Premierenjahr Veranstaltungen auf den "besten und berühmtesten Strecken Europas". Danach sollen Termine in Amerika, Asien und Australien hinzukommen.

18 bis 20 Starterinnen sind für die Cockpits in den einheitlichen Tatuus T-318 Formel-3-Wagen vorgesehen. Wer mitfahren darf, entscheidet sich in einem Auswahlverfahren, bei dem es neben Testfahrten auf der Strecke und im Simulator auch um Technik und die körperliche Fitness gehen soll. Finanzen sollen bei dem Casting keine Rolle spielen. Als Preisgeld sind bisher 1,5 Millionen US-Dollar festgesetzt, 500 000 US-Dollar gehen an die Gesamtsiegerin. "Können sie so gut sein wie Lewis Hamilton? Ich weiß es nicht", sagte Coulthard. "Aber es gibt eine Menge männlicher Piloten in der Formel 1, die nicht so gut sind wie er. Wenn wir keine Plattform schaffen, die den Zugang beschleunigt, wird sich nichts ändern."

Die Philosophie hinter der Mission, wie es auf der Homepage der Serie heißt, sei der feste Glaube daran, dass Frauen und Männer auf dem gleichen Level gegeneinander fahren können - wenn sie die gleichen Möglichkeiten dafür bekommen. Die Formel W sieht sich als Katalysator für diesen sportlich-gesellschaftlichen Wandel, der nicht nur darauf abzielen soll, in Zukunft mehr Frauen in Cockpits, sondern auch als Technikerinnen und Ingenieurinnen zu etablieren.

Frauen fahren gegen Frauen, um dann gegen Männer bestehen zu können?

Eine Karriere in der Formel 1 ist für jeden schwer, vor allem finanziell hat eine immense Wettbewerbsverzerrung stattgefunden. Für Frauen ist die Suche nach Sponsoren trotz der großen Aufmerksamkeit im Erfolgsfall oft noch schwieriger. Umso wichtiger ist es, sich gegen die nun mal mehrheitlich männliche Konkurrenz durchzusetzen und vor allem: ernst genommen zu werden. Ob eine rein weiblichen Serie dabei förderlich ist, ist fraglich.

Die Initiatoren jedenfalls argumentieren so: Rennfahrerinnen sollen in der Formel W Erfahrung sammeln, um so auf sich aufmerksam zu machen und sich zu empfehlen. Ein reiner Frauenwettbewerb sei notwendig, um langfristig eine höhere weibliche Beteiligung zu "erzwingen" - und schließlich den Aufstieg in andere Serien zu ermöglichen. Die Formel W sei ein Sprungbrett, sagte Newey: "Und ja, letztlich dafür, um erfolgreich in der Formel 1 zu fahren."

Erste Reaktionen auf die Verkündung der neuen Serie waren durchwachsen. Die britische Rennfahrerin Pippa Mann, die bis 2016 in der IndyCar-Serie fuhr, sprach auf Twitter von einem "traurigen Tag für den Motorsport." Die Münchner Formel-3-Fahrerin Sophia Flörsch schrieb dort, sie verstehe die Argumentation, nicht aber die Lösung: "Ich will gegen die Besten unseres Sports konkurrieren. Das ist der falsche Weg." Denn welchen Wert hat es, sich außerhalb der eigentlichen Konkurrenz zu behaupten?

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SZ vom 11.10.2018/ska
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