Formel 1:Hamiltons Glück mit Phase 2.1

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Ein Hoch auf den Pokal: Lewis Hamilton gewinnt den Großen Preis von Frankreich. (Foto: dpa)
  • Lewis Hamilton feiert beim Großen Preis von Frankreich einen Start-Ziel-Sieg. Er profitiert von einem neuen Motor und dem Unfall von Sebastian Vettel.
  • "Mein Start war zu gut", erläutert der Deutsche die Gründe.
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Von Philipp Schneider, Le Castellet/München

Lewis Hamilton hat den gänzlich neu gestalteten Circuit Paul Ricard in dieser Woche mit dem Motorrad erkundet. Im Gegensatz zu Sebastian Vettel, der den frischen Asphalt vorschriftsmäßig zu Fuß vermessen hat. "Eigentlich ist das verboten, aber keiner hat mich aufgehalten", erzählte Hamilton in dieser Woche über seinen Späheinsatz in Frankreich. Wer wollte, konnte da eine Spur von Rebellen-Stolz raushören, und man kann sich ganz gut vorstellen, welchem Anflug von innerer Romantik sich Hamilton bei seinem verbotenen Ausritt hingegeben hat. So ganz alleine auf dem Motorrad. Vor sich niemand anders und hinter sich auch weit und breit kein Fahrer.

Lewis Hamilton wird eine Freiheit gefühlt haben wie wenige Tage später, als er am Rennsonntag Platz nahm in seinem Mercedes und mit diesem dann lässig 53 Runden rollte. Vor sich hatte Hamilton von Anbeginn kein Auto, und hinter sich auch sehr schnell niemanden mehr. Vor allem: Weit und breit war nichts zu sehen von einem gewissen Sebastian Vettel, der sich in Le Castellet mit einem Unfall in der ersten Runde um den Sieg brachte, der nur Fünfter wurde und wieder die Führung in der Gesamtwertung an Hamilton verlor.

Großer Preis von Frankreich
:Motor-Update verhilft Hamilton zum Sieg

Der Weltmeister gewinnt den Großen Preis von Frankreich - und profitiert nicht nur von mehr PS, sondern auch von der Kollision von Sebastian Vettel.

"Jetzt bin ich da, wo ich hinwollte", rief Hamilton, nachdem er ganz oben aufs Treppchen gestiegen war, neben sich nur der Zweitplatzierte Max Verstappen und der drittplatzierte Vettel-Kollege Kimi Räikkönen. "Mein Team verschiebt die Grenzen immer weiter nach oben", rief Hamilton, nachdem ihm das Team endlich den vor zwei Wochen versprochenen stärkeren Motor ins Auto geschraubt hatte.

Und so ein neuer Motor ist ja manchmal wie ein neues Leben.

"Mein Start war zu gut", sagt Vettel über seinen Unfall

Nur mal zur Erinnerung: Vor 14 Tagen, nach der derben Niederlage gegen Ferrari in Montreal, hatte eine nicht für möglich gehaltene Krisenstimmung bei Mercedes geherrscht. Die Silberpfeile hatten nicht nur verloren, sie waren mit einem unterlegenen Motor auf einer ihrer liebsten Strecken chancenlos hinterhergefahren. In der Woche nach dem Grand Prix hatten sich die Männer von Mercedes zusammengesetzt in der Zentrale in Brackley. "Wir haben seit Montreal Fortschritte darin gemacht, unsere Schwächen und Stärken zu analysieren und an den Schwächen zu arbeiten", meinte Teamchef Toto Wolff. Das war eine derbe Untertreibung.

Denn in Frankreich präsentierten sie nicht nur jene für Kanada vorgesehene Variante, sondern eine noch mal verstärkte Version - Phase 2.1 genannt. Nach dem Motto: Wenn schon verspätet, dann wenigstens gescheit. "Wir brauchten diesen neuen Motor, weil es da vorn so eng ist. Er fühlt sich toll an, wirklich stark", sagte Hamiltons Teamkollege Valtteri Bottas.

Hamilton und Bottas nutzten den tollen, starken Antrieb sogleich für die zwei schnellsten Runden im Qualifying. Erst auf Position drei parkte Vettel, dahinter standen die Red Bulls von Verstappen und Daniel Ricciardo.

In vollem Bewusstsein, dass Mercedes auf der schnellen Strecke in Frankreich unter gleichen Bedingungen überlegen sein würde, wählte die Scuderia eine andere Strategie. Vettel und Räikkönen starteten auf den weichsten und schnellsten Reifen. Vettels Plan war es, nach dem Start die 590 Meter bis zur ersten Kurve optimal zu nutzen. Der Plan lief auch ganz okay an. Das Problem war: Er lief zu gut.

Vettel kam sehr schnell vom Fleck, Hamilton nicht so flott, weswegen sich der Ferrari sofort wunderbar in den Windschatten des Mercedes fügte. Vettel blieb auf dem Gas, etwas zu lang, verpasste den Bremspunkt - und touchierte so mit seiner Front das linke Hinterrad von Bottas, der vor der Kurve wieder nach innen ziehen wollte, weil er räumlich betrachtet noch immer vor Vettel lag. "Das war mein Fehler", sagte Vettel - ehe er ein Paradoxon erklärte, das nur einem Rennfahrer widerfahren kann. "Lustigerweise lag es daran, dass mein Start zu gut war. Hat man auch nicht zu oft. Ich hatte einfach keine Möglichkeiten auszuweichen, weil rechts der Valtteri war, der vorne bleiben wollte."

Vettel und Bottas fuhren nach dem Unfall an die Box. Vettel, um sich einen neuen Frontflügel zu holen, Bottas verlangte einen unversehrten Hinterreifen. "Die Vorfälle in der ersten Kurve hatten nichts mit mir zu tun, oder?", funkte Hamilton. Nein, hatten sie nicht. Hamilton konnte auch nichts dafür, dass auch Pierre Gasly die Kontrolle über seinen Toro Rosso verloren hatte und seinem Landsmann Esteban Ocon ins Auto gerutscht war. So kam es, dass sich zwei Franzosen in der ersten Runde des Grand Prix von Frankreich von den französischen Zuschauern verabschiedeten. Vettels Unfall landeten zur näheren Betrachtung auf der Liste der Rennkommissare, die zu dem Ergebnis kamen, dass Vettel schuldig war. Er erhielt eine Fünf-Sekunden-Strafe, die er später bei seinem zweiten Boxenstopp absitzen würde.

Das Safety Car rückte auf die Strecke - und als es wieder mit Tempo weiterging nach fünf Runden, lagen Vettel und Bottas an den letzten Positionen des Feldes. Sie hatten sich die härteren Soft-Reifen ans Auto schrauben lassen, mit denen sie gerne bis Rennende durchgefahren wären. Dann erbrachten sie den Nachweis, dass es sich auf dem Circuit Paul Ricard wunderbar überholen lässt. Seite an Seite pflügten sie durchs Feld, nach zwölf Runden lag Vettel schon auf Position zehn, Bottas auf zwölf. Vettel hatte dem Finnen mit seinem kleinen Rammstoß auch den Unterboden am Heck beschädigt, was die Aerodynamik verschlechterte und dazu führte, dass Bottas nicht mehr die ganze Kraft seines neuen Motors ausspielen konnte. Vettel schaffte es zwischenzeitlich sogar auf Rang vier. Doch mit zunehmender Dauer bauten seine Reifen ab, weswegen Räikkönen an ihm vorbeirauschte, der sich auch noch Ricciardo schnappte und aufs Treppchen fuhr.

Die präziseste Tageszusammenfassung lieferte am Ende Toto Wolff: "Das Auto hat funktioniert, der Motor hat funktioniert, der Fahrer hat funktioniert - das hatten wir auch schon lange nicht mehr."

© SZ vom 25.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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