Formel 1 in Japan:Ferrari ist ordentlich verdroschen worden

Formula One - Japanese Grand Prix

Kaum noch Hoffnungen auf den WM-Titel: Sebastian Vettel.

(Foto: REUTERS)
  • Nach dem Sieg von Lewis Hamilton und dem sechsten Platz von Sebastian Vettel beim Großen Preis von Japan bleiben nur noch theoretische Chancen auf einen WM-Titel für Ferrari.
  • Das Team wählt in der Qualifikation erst die falschen Reifen, dann agiert Vettal auf der Strecke zu ungeduldig.
  • Lewis Hamilton schwärmt, stichelt ein bisschen und freut sich auf das Rennen in Texas. Dort kann er Weltmeister werden.

Von Elmar Brümmer, Suzuka

Ein richtig cleverer Schachzug der PR-Strategen war es nicht, dem Rennwagen von Ferrari vor dem Großen Preis von Japan ein etwas merkwürdig anmutendes neues Logo und eine rätselhafte Aufschrift zu verpassen. Der Tabakgigant, der die Scuderia seit Jahrzehnten unterstützt, hat eine "Mission Winnow" ausgerufen. Die Idee dabei war nicht, dass es jetzt ums Gewinnen gehe; darum geht es immer in der Formel 1. Vielmehr komme die Vokabel winnowing aus der Agrarsprache, hieß es, und bedeutet soviel wie "die Spreu vom Weizen zu trennen", das Gute vom Schlechten.

Bezieht man dieses hübsch ersonnene Bild auf das Ergebnis des Großen Preises von Japan, dann ist Ferrari ordentlich verdroschen worden: Sebastian Vettel muss sich wohl zum vierten Mal von seinem Vorhaben verabschieden, Weltmeister mit dem italienischen Rennstall zu werden. Gegenspieler Lewis Hamilton hat auf der asphaltierten Acht mit 13 Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen Valtteri Bottas den vierten Sieg in Serie eingefahren, den neunten in diesem Jahr, seinen 50. für das Mercedes-Werksteam.

"Ferrari hatte schon einen Haufen Mist, ich denke nicht, dass der noch größer werden kann."

Bei nur noch vier ausstehenden Rennen müsste Vettel 67 Punkte Rückstand auf Hamilton aufholen. Selbst Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene weiß, dass sein Pilot dazu das Unmögliche möglich machen müsste. Erobert sich Titelverteidiger Hamilton in zwei Wochen beim nächsten Rennen in Austin mindestens acht Punkte mehr als Vettel, ist die WM schon gelaufen. Sollte Hamilton auch in Texas gewinnen, würde Vettel bereits ein dritter Platz nicht mehr genügen.

So war Vettels Mimik nach dem Desaster von Suzuka mit Platz sechs auch aussagefähiger als seine Worte: Er kratzte sich am Ohr, zupfte am Mützenschirm, verschränkte die Arme vor der Brust, zuckte mit den Schultern. Die Frage, wie die Chancen stünden, beantwortet er ernsthaft, ohne Anflug von Zynismus: "Ich finde meine Hoffnung darin, dass in unserer Garage immer noch alle voll bei der Sache sind. Der Mannschaftsgeist ist ungebrochen. Es wird schwierig von dort aus, wo wir gerade stehen - aber was haben wir noch zu verlieren?" Ferrari, sagte er, "hatte schon einen Haufen Mist, ich denke nicht, dass der noch größer werden kann".

Ob er da wirklich so sicher sein kann? Das Ende aller rational begründbaren Titelhoffnungen begann mit einer falschen Reifenwahl in der Qualifikation: Ferrari fuhr am Samstag mit regentauglichen Reifen los, als es trocken war - und mit Trockenreifen, als der Regen einsetzte. Folge: Startplatz acht. Bei einem Abstand von mehr als einer halben Sekunde des Ferrari-Motors auf den Mercedes-Turbo konnte nur noch Glück helfen. "Inakzeptabel", gestand Arrivabene nach der neuerlichen Panne, sei die Leistung seiner Truppe im Qualifying gewesen: "Ich bin sehr wütend, solche Fehler passieren uns nicht zum ersten Mal."

Er empfahl seinen Strategen, häufiger auf die Strecke zu gucken, statt nur auf die Computerbildschirme zu starren, und schloss personelle Konsequenzen am Jahresende nicht aus. Die könnten allerdings auch ihn treffen, denn ausgerechnet in der wichtigsten Phase der Saison häufen sich die Fehler, enteilt Mercedes in nahezu allen Bereichen - noch drastischer als bei der Asientournee im vergangenen Jahr.

Immerhin, motiviert ist Vettel

Grundsätzlich hätte es das Gesamtbild nur unwesentlich verändert, wäre Vettel zum Beispiel Dritter geworden. Aber natürlich würde die Hoffnung länger währen. Motivation kann man dem deutschen Angreifer kaum absprechen, der Preis ist jedoch eine hohe Risikobereitschaft und Fehlerquote. Schnell war er nach dem Start Vierter, griff in der achten Runde Max Verstappen an. Er hatte den nötigen Batterieüberschuss, sah innen eine Lücke, aber der Niederländer schloss sie umgehend. Die Kollision war unvermeidlich: Der Ferrari knallte in die Seite des Red-Bull-Renault, Vettel drehte sich raus und musste das gesamte Feld passieren lassen. Dabei wäre Verstappen wegen einer Fünf-Sekunden-Zeitstrafe beim Boxenstopp ohnehin hinter den Ferrari zurückgefallen.

Wollte er wieder einmal zu schnell zu viel wie schon in Baku oder Monza? Was bleibt ihm anderes als Mut der Verzweiflung? In der selben Kurve war ihm auch in der Qualifikation ein Fehler unterlaufen. Er sprach später lange über diese Szene, über Verstappens rennfahrerische Defizite. Aber dann kam er doch auf den Punkt: "Wir haben heute keine Punkte gut gemacht, da muss man kein Rechengenie sein. Wenn wir so weitermachen, fällt es den anderen in den Schoß." Soll heißen: Dann ist die Sache praktisch entschieden.

Schlimmer als das überflüssige Rad-an-Rad-Duell in der Spoon-Kurve ist der Abfall der generellen Leistungskurve in Ferraris Rennabteilung. Ende August war das Team noch der Favorit, nach dem Sieg in Spa folgte ein Rückschlag nach dem anderen, Mercedes wurde schneller, konsequenter, überlegter. Und Lewis Hamilton steigerte sich einmal mehr. Der rasende Egoist wurde sogar zum überzeugten Mannschaftsspieler, er kann ausführlich begründen, warum die Mercedes-Truppe das beste Team der Welt sei. "Viele Teams haben kluge Leute", betont er: "Aber unsere machen unter Druck alles richtig." Selbst die heikle Teamorder von Sotschi beschädigte nichts, diesmal war Kollege Valtteri Bottas der zufriedene Zweite vor Verstappen.

Hamilton raufte sich in der Boxengasse vor Freude die Haare. "Ich fühle mich so glücklich wie nach meinem allerersten Formel-1-Sieg", schwärmte er. "Ich liebe dieses Auto, ich kann gar nicht abwarten, es auch in den USA auf die Strecke zu jagen." Einen Kosenamen hat er schließlich auch noch gefunden für seinen Silberpfeil. Er nennt ihn nur noch: "Das Biest."

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