Formel 1:Stolze Braut in festen Händen

Sensation in der Formel 1: BMW tritt ab der kommenden Saison mit einem eigenen Auto an. Der Motorenhersteller übernimmt zum ersten Januar das Team Sauber und peilt im Alleingang den Weltmeister-Titel an.

Claudio Catuogno

Die beiden Männer auf dem Podium haben den Besucher aus der Schweiz in ihre Mitte genommen, und das ist nicht nur als Zeichen der Gastfreundschaft zu verstehen. Es hat auch symbolischen Wert, wie sie da sitzen, rechts Burkhard Göschel, Entwicklungs-Vorstand bei BMW, links Mario Theissen, Motorsport-Direktor des Autobauers - und in der Mitte Peter Sauber, Chef des Schweizer Formel-1-Rennstalls Sauber-Petronas.

An diesem Dienstag hat, wie so häufig, der BMW-Vorstand getagt, und dabei ging es, wie so häufig, um das Engagement der Münchner in der Formel 1. Doch diesmal hat sich das Gremium zu einer wegweisenden Entscheidung durchgerungen. Und auch dabei steht die Personalie Peter Sauber im Mittelpunkt.

BMW, das verkündeten die drei Männer am Mittwoch auf einer Pressekonferenz, wird die Mehrheitsanteile am Team Sauber übernehmen und damit schon von 2006 an mit einem in Eigenregie geführten Team in der Formel-1-Weltmeisterschaft starten. Göschel nennt das eine "Neuausrichtung unseres Motorsport-Engagements", und deren Auswirkungen liegen auf der Hand: Das BMW-Williams-Team, das derzeit mit den Fahrern Nick Heidfeld und Mark Webber (zumindest theoretisch) um den WM-Titel mitfährt, steht damit vor dem Aus.

Und Peter Sauber? Sitzt auf dem Podium, bewundert ein bisschen die gigantischen Ausmaße dieses BMW-Gebäudes, und schmunzelt zufrieden. Er ist jetzt 61 Jahre alt, seit er 35 ist, hat er sich als privater Geschäftsmann im Motorsport engagiert. "Ich selbst setze mich Ende des Jahres zur Ruhe", sagt Sauber.

Jede Menge Enttäuschungen

Bis Mittwochmorgen um drei Uhr dauerten die Verhandlungen, dennoch ist es kein Geheimnis, dass der Coup von langer Hand vorbereitet war. Hinter den drei Protagonisten ist eine riesige Leinwand aufgezogen, mindestens zehn auf vier Meter groß, darauf gedruckt das Datum "22. Juni 2005".

Für BMW soll das ein entscheidender Tag werden. Seit Ende vorigen Jahres war über die Übernahme diskutiert worden, seit Sauber und BMW offiziell Gespräche über die Lieferung von Motoren begannen. Derzeit ist Sauber, eines der wenigen Teams ohne feste Kooperation mit einem der großen Motorenhersteller, mit Ferrari-Antrieb unterwegs, diese Zusammenarbeit läuft aber aus. Doch bisher hatte es von BMW zu Übernahmegerüchten stets geheißen: "Kein Kommentar!"

Nun sagt Mario Theissen, zwei Erkenntnisse hätten letztendlich zu der Entscheidung geführt. Erstens: "Der Einfluss des Motors auf das Siegpotenzial des Gesamtpakets ist heute geringer als noch vor ein paar Jahren."

Und Zweitens: "Das optimale Gesamtpaket erreicht man nur in einem voll integrierten Team, mit durchgehenden Prozessen und Entscheidungsstrukturen." Wenn Theissen das so referiert, klingt es wie eine nüchterne Analyse der Formel-1-Landschaft an sich. Dabei steckt auf Seiten des BMW-Motorsports viel mehr hinter dem Geschäft mit Peter Sauber: ein letztlich gescheiterter Plan, verbunden mit jeder Menge Enttäuschungen - menschlichen wie sportlichen.

Im Jahr 2000 startete BMW seinen Wiedereinstieg in die Königsklasse, gemeinsam mit dem britischen Rennstallbesitzer Frank Williams und mit dem selbstbewusst formulierten Ziel, bis 2004 die Weltmeisterschaft einzufahren. Zwischenzeitlich galten die BMW-Motoren dann tatsächlich als die besten der Rennserie, aber die Formel-1-Boliden, die im britischen Grove aus dem Werk rollten, überzeugten die Münchner nicht.

Und zuletzt reichte es bei den Beteiligten der einstigen Liebesheirat noch nicht einmal mehr für eine Vernunftbeziehung. Besonders Patrick Head, Anteilseigner von Williams, verschärfte vor dem großen Preis von Kanada den Ton zwischen den beiden Partnern, er warf den Münchnern Arroganz vor, bezeichnete Theissen als "unehrlich", und die offene Kritik, die in München immer wieder an den gelegentlich störrischen Briten geübt wurde, als "unprofessionell".

Nun bleibt schon für 2006 nicht mehr als eine lose Offerte zur weiteren Zusammenarbeit: "Wir werden Williams anbieten, auch weiter BMW-Motoren zu liefern", sagt Theissen. Doch es ist kein Geheimnis, dass Frank Williams erst kürzlich wieder in Japan weilte, wo der Konkurrent Honda seine Motoren zusammenschraubt.

Unzufrieden mit Ergebnissen

"Die Zusammenarbeit mit Williams ist deshalb aber nicht gescheitert", sagt Theissen heute rückblickend, "besonders in den Anfangsjahren hat Williams uns enorm geholfen, in der Formel 1 wieder Fahrt zu gewinnen."

Doch derzeit sei man mit den Ergebnissen alles andere als zufrieden - "und das gilt nicht nur für BMW, sondern auch für Williams". Bereits 2004 war BMW in der Konstrukteurswertung von Renault und BAR Honda überholt worden. Und auch in der aktuellen Rennserie fahren die BMWs - abgesehen von zwei Achtungserfolgen des Deutschen Nick Nick Heidfeld - meist hinterher. Deshalb, so Theissen, will der Autobauer, wenn er schon Millionenbeträge in die Formel 1 pumpt, ab sofort auch selbst das Sagen haben.

Peter Sauber sitzt immer noch auf dem Podium und lauscht den Ausführungen. Nicht viele der eitlen und exzentrischen Rennstallbesitzer im Formel-1-Zirkus würden das so tun, ihre Firma einfach hergeben, ihr Mitspracherecht, vielleicht auch ihren Namen. Denn wie das neue Team heißen wird, sagt Sauber, "entscheidet alleine BMW". Auch wer es leitet und welche Fahrer engagiert werden, steht noch nicht fest.

Doch seit Jahren grübelt er über seine Nachfolge, nun will BMW den Standort in Hinwil bei Zürich sogar ausbauen, "es ist eine ideale Lösung." Es ist wohl so, wie wenn ein Vater seine Tochter zum Traualtar führt. "Wenn man weiß, dass der Bräutigam passt, ist das umso schöner." Ab sofort weiß Peter Sauber sein Lebenswerk in festen Händen.

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