Formel-1-Rennstall Williams:Angeschlagen auf dem Spielplatz der Konzerne

F1 Grand Prix of China - Qualifying

Lance Stroll: Mit dem Williams-Auto nicht gerade gesegnet.

(Foto: Getty Images)
  • Mit einem Etat von 75 Millionen Euro und einem Gewinn von zwölf Millionen Euro im letzten Geschäftsjahr nagt Williams nicht unbedingt am Hungertuch - dennoch sieht die Zukunft des letzten verbliebenen Garagisten düster aus.
  • Technikchef Paddy Lowe sagt: "Alle im Feld haben ihre Probleme. Aber wir haben größere." Es fehlt an Geld, Ideen und erfahrenen Piloten.
  • Eine letzte Hoffnung gilt jetzt den Plänen von Vermarkter Liberty Media, doch die könnten zu spät greifen.

Von Elmar Brümmer, Shanghai

Garagist, das war mal ein Ehrentitel in der Formel 1, und Garagenbetreiber wie Bruce McLaren und Frank Williams schrieben mit einfachen Mitteln Renngeschichte. Einfach ist in der modernen Königsklasse nichts mehr, und billig schon gar nicht. Die Formel 1 ist zum Spielplatz der Konzerne und Milliardäre geworden. Das Williams-Team ist der letzte Garagist, der übrig ist. Schon vor dem Großen Preis von China hat sich abgezeichnet, dass die Briten sportlich wie technisch momentan nicht mithalten können. "Unser Auto ist derzeit wohl unsere größte Schwäche", gibt Teamchefin Claire Williams zu. Es fehlt an Geld, an Ideen - und den Piloten an Erfahrung.

Dass Konzerne wie Ferrari, Mercedes und Renault mit ihrer Power das Entwicklungs-Tempo bestimmen, hat Frank Williams immer angespornt, aus der Willenskraft des Rollstuhl-Generals resultierten sieben Fahrer- und neun Konstrukteurs-Titel und 114 Grand-Prix-Erfolge. Der letzte Sieg, ein eher zufälliger, stammt aus dem Jahr 2012, als der heutige Mercedes-Weltmeistermacher Toto Wolff die Geschäfte in Mittelengland führte. Mittlerweile hat Claire Williams den väterlichen Betrieb übernommen, und ihre Gegner sind nicht mehr allein die großen Werke, sondern das Großkapital: Milliardäre, die in das Renngeschäft investieren.

Allen voran Dietrich Mateschitz, der im Rahmen seines rasenden Getränkehandels nicht nur Red Bull Racing finanziert, sondern auch den Talentschuppen Toro Rosso. Hinter dem Überraschungs-Rennstall Haas F1 steckt der US-Milliardär Gene Haas, der sich zum Maschinenbau ein artverwandtes Hobby gesucht hat. Force India ist immer noch im Besitz des Inders Vijay Mallya, obwohl dem in Indien der Prozess gemacht werden soll und er Großbritannien mangels Reisepass momentan nicht verlassen kann. Williams alter Rivale McLaren wird längst aus dem Mittleren Osten gesteuert, vorrangig von Mansour Ojjeh. Und der Schweizer Sauber-Rennstall, wie Williams über vier Jahrzehnte in Besitzerhand, wird inzwischen von schwedischen Investoren geführt - es war dem Tetra-Pak-Mitbesitzer Finn Rausing ein persönliches Bedürfnis.

Das Auto verliert nicht auf einzelnen Streckenabschnitten Zeit - sondern überall

Nur zur Einordnung: mit einem Etat von 75 Millionen Euro und einem Gewinn von zwölf Millionen Euro im letzten Geschäftsjahr nagt Williams nicht unbedingt am Hungertuch. Aber wer die Bilanz richtig liest, erkennt: das Plus entstammt dem Transfergeschäft von Valtteri Bottas zu Mercedes. Und der gewaltige Zuschuss von Hauptsponsor Martini wird am Jahresende auch versiegen. Bleibt als einzige Finanzierungsmöglichkeit das Bezahlfahrer-Geschäft: der Kanadier Lance Stroll, 19, ist eine Bank, zumindest finanziell. Denn Papa Lance, ein Mode-Mogul, hat sich und seinen Sohn in den Rennstall eingekauft. Auch der russische Teamkollege Sergej Sirotkin, 22, der in der vergangenen Saison kaum Fahrpraxis hatte, soll nur mit Hilfe eines russischen Ölkonzerns seinen Platz bekommen haben - weshalb es mit dem Comeback des polnischen Rekonvaleszenten Robert Kubica dann doch nichts wurde. Und auch der Brasilianer Felipe Massa bekam keine Chance mehr. Was für ein Ausverkauf.

Die Fahrer tragen nicht die Hauptschuld an der Misere, sie verstehen ihren aktuellen Dienstwagen so wenig wie die Ingenieure selbst. Allerdings trägt die mangelnde Erfahrung nicht gerade zur schnellen Problemlösung bei. "Die Formkurve zeigt nach unten", analysiert das Fachblatt auto, motor und sport. Technikchef Paddy Lowe dürfte inzwischen die Entscheidung verfluchen, das Weltmeisterteam von Mercedes zugunsten einer neuen Herausforderung verlassen zu haben. Es klingt fast resigniert, wenn er sagt: "Alle im Feld haben ihre Probleme. Aber wir haben größere." Vor allem bei den zwei entscheidenden Faktoren für ein gutes Rennauto: dem Grip und der Balance. Deshalb verliert der Williams nicht bei einer Reifenmischung oder einem Streckenabschnitt Zeit, sondern überall. Und das trotz des Champions-Aggregats von Mercedes im Rücken.

Die Hoffnung von Claire Williams gilt jetzt den Plänen von Vermarkter Liberty Media, mehr Marketingeinnahmen auszuschütten und eine strenge Budgetdeckelung einzuführen. Allerdings: Das wird frühestens 2021 greifen. Eine lange Durststrecke.

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