Formel 1:Religion in Monaco

Die blutjunge Formel-1-Saison hat ihren ersten Aufsteiger: Nico Rosberg aus Wiesbaden.

René Hofmann

Den Formel-1-Rennstall von Frank Williams gibt es seit dreißig Jahren, und nicht wenige Mechaniker, die der Brite beschäftigt, sind schon ähnlich lange dabei.

Formel 1: Nico Rosberg

Nico Rosberg

(Foto: Foto: Reuters)

Alan Jones, Nigel Mansell, Nelson Piquet, Ayrton Senna - wer schon länger für Williams arbeitet, hat schon viele bekannte Rennfahrer kennen gelernt, der stellt sich normalerweise nicht geduldig an, um ein Autogramm zu erhaschen von einem, den er ohnehin oft sieht. Bei Nico Rosberg ist das anders, was zeigt, welche Rolle der 20-Jährige im lautesten Zirkus der Welt spielt.

Am Sonntag hat Nico Rosberg, der in Wiesbaden geboren wurde und in Monaco aufwuchs, in Bahrain sein erstes Formel-1-Rennen bestritten. Sein Vater Keke Rosberg, der 1982 den WM-Titel gewann, benötigte 17 Rennen, um seine ersten WM-Punkte einzufahren. Nico Rosberg gelang das gleich im ersten Anlauf.

Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch

Sieg in den Nachwuchsserien Formel BMW und GP2. Er war der bisher jüngste Fahrer, der einen Formel-1-Wagen testen durfte, und als Frank Williams dem damals 17-Jährigen den obligatorischen Test vorlegte, mit dem der Teamchef in 45 Minuten mit 36 Fragen erkunden will, wie viel ein Fahrer vom Fahren versteht, erzielte Nico Rosberg ein Rekord-Ergebnis.

In Bahrain wurde er Siebter. Dabei glückte ihm auch noch die schnellste Rennrunde, was ihm nicht nur den Respekt des Vaters einbrachte ("Ich bin beeindruckt"), sondern auch die seltene Ehre, dass altgediente Mechaniker am Abend die Abbauarbeiten unterbrachen, um ihn um eine Unterschrift zu bitten.

"Am wichtigsten ist, dass ich dem Team gezeigt habe, dass ich etwas kann. Ich meine, dass ich richtig etwas kann", sagt Nico Rosberg. Er kann ziemlich viel.

Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch spricht er fließend. Bis auf die Geschichtsprüfung hat er alle Examen an der Internationalen Schule in Nizza spielend bestanden. Er hätte am Imperial College in London Aerodynamik studieren können, entschied sich aber für eine Karriere als professioneller Autofahrer. Spielerisch fand er auch dort seinen Weg.

Ehrenrunde neben dem Vater

Als Kind war er ein begabter Tennisspieler. Um es in dem Sport weit zu bringen, hätte er bei seiner Größe von 1,78 Metern allerdings viel trainieren müssen. Das Rennfahren war weniger anstrengend. Als sein Vater auf dem Hockenheimring 1994 seinen Abschied gab, durfte der Neunjährige auf der Ehrenrunde neben ihm sitzen. Das war ein Schlüsselerlebnis.

"Für mich ist es völlig normal, schnell zu fahren. Ich habe ein Auge dafür, die beste Linie zu finden. Als Fußballer muss man Spielsituationen schnell erkennen und sich darauf einstellen können. Beim Fußball kann ich das nicht besonders gut, in einem Auto schon", sagt Nico Rosberg.

Die Gelegenheit, in dem gleichen Team zu fahren, in dem es sein Vater zum Titel brachte, verdankt er dem Umstand, dass Williams Ende der vergangenen Saison Geldsorgen plagten. Nachdem sich BMW als Motorenlieferant abgewandt hatte, wollte Jenson Button nicht mehr wie ausgemacht für das Team fahren. Für mehr als 30 Millionen Dollar ließ Williams ihn zu Honda ziehen, Nick Heidfeld, im vergangenen Jahr für Williams am Steuer, wurde von BMW abgeworben. So tat sich eine Lücke auf für Nico Rosberg.

Religion in Monaco

Die Bayerischen Motorenwerke hätten ihn auch gerne verpflichtet, doch Williams löste sein Recht auf den bevorzugten Zugriff ein. "Für sein erstes Rennen war das ein fantastisches Ergebnis", jubelte Sam Michael, der Technikchef des Rennstalls, "ohne den Fehler in der ersten Kurve, wäre er sogar unter die besten drei gekommen."

Kollision mit Nick Heidfeld

Auf den ersten Metern hatte sich Nico Rosberg mit Nick Heidfeld angelegt. Er stupste den Landsmann an, woraufhin dessen Dienstwagen sich drehte und an Rosbergs Karosse der Frontflügel barst. Er musste der Box einen Besuch abstatten, um sich ein Ersatzteil zu holen.

Das warf ihn auf den letzten Rang zurück, gab ihm allerdings auch die Möglichkeit, auf dem Weg nach vorne mit einigen auffälligen Überholmanövern Aufsehen zu erregen. "Man muss einfach akzeptieren, dass ich ein paar Fehler machen werde. Ganz unbeteiligt war Nick auch nicht", sagt Nico Rosberg doppelt selbstbewusst.

"Er hat eine große mentale Stärke", lobt Keke Rosberg, der als Manager die Geschicke seines Sohnes lenkt und diesem als Vorbild dient. "Mein Vater merkt es wahrscheinlich gar nicht, aber ich schaue immer, was ich mir von ihm abschauen kann", sagt Nico Rosberg.

Als Fahrer managte Keke Rosberg sich einst selbst, später leitete er J.J. Lehto und Mika Häkkinen an. Bei seinem Sohn, der einen finnischen und einen deutschen Pass besitzt aber kein Finnisch spricht, setzt er ganz auf die schwarz-rot-goldene Karte. Das verspricht den größten Profit. Michael Schumachers Karriere wird irgendwann zu Ende gehen, wenn die Nation dann nach einem neuen PS-Helden giert, soll Nico Rosberg bereitstehen. Auf eine Frage, die er dann oft gestellt bekommen wird, hat sich Nico Rosberg schon eine nette Antwort überlegt. Warum er in Monaco aufwuchs? "Mein Vater sagt immer, wir sind aus religiösen Gründen dorthin gezogen."

(SZ vom 14.3.2006)

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