Formel 1:Papa kauft den ganzen Laden

Formel 1: Erste Testfahrten in rosa: Nicholas Latifi hofft auf ein Engagement in der Formel 1.

Erste Testfahrten in rosa: Nicholas Latifi hofft auf ein Engagement in der Formel 1.

(Foto: AP)

Von Elmar Brümmer, Montreal

Zahlen sind in der Formel 1 oft auch Geschichten. Sie sollen beeindrucken, sie können erzählen, und manchmal verschieben sie die Wirklichkeit. Derzeit jährt sich zum 50. Mal der erste Sieg eines McLaren-Rennwagens, 1968 von Teamgründer Bruce McLaren in Belgien selbst herausgefahren. 181 Siege für den längst von Neuseeland nach England umgesiedelten Rennstall folgten. Allerdings, und das ist der traurige und aktuelle Teil der Story: kein einziger davon seit dem Herbst 2012. Stattdessen gab es viele Krisen und Kräche, auf und neben der Rennstrecke. Ein bisschen gefeiert werden soll trotzdem an diesem Wochenende beim Großen Preis von Kanada (Qualifikation am Samstag um 20 Uhr MESZ, Rennstart am Sonntag, 20.10 Uhr).

Das ehemalige Weltmeisterteam ist nicht unbedingt stolz auf die Mittelfeldposition, auf die es sich langsam wieder vorgearbeitet hat, eher schon auf den 300. Grand Prix von Fernando Alonso. Positiv stimmt zudem, dass es nun eine gesicherte finanzielle Zukunft für den Technologiekonzern gibt, der um den Rennstall gebildet wurde. Ein Kanadier namens Michael Latifi hat sich mit 230 Millionen Euro eingekauft. Das aber könnte bald einiges kompliziert machen. Denn Mister Latifi, der die Summe von den Virgin Islands aus überweisen ließ, ist nicht nur ein Selfmade-Milliardär, der nach der Flucht aus Iran das drittgrößte Nahrungsmittelunternehmen Kanadas aufgebaut hat. Er ist auch Vater eines Rennsportbegeisterten.

Nicholas Latifi gab am Freitag sein Formel-1-Debüt, bei der ersten Trainingssitzung in Montreal. Solche Probefahrten kosten für gewöhnlich eine sechsstellige Dollarsumme, aber das sind Peanuts, wenn das Familienvermögen auf mehr als sieben Milliarden Euro taxiert wird. Latifi junior, 22 Jahre alt, übt sich derzeit noch in der Nachwuchsserie Formel 2; dort liegt er an zehnter Stelle der Meisterschaft. Das ist gutes Mittelmaß. Das Schnuppertraining für die Formel 1 fand im rosafarbenen Rennwagen des Teams von Force India statt, als ob es ein Statement wäre: Nein, nein, ich will meinen Sohn doch nicht bei McLaren einkaufen!

Wirklich nicht? Es gibt einen Präzedenzfall, zufällig auch in Kanada angesiedelt. Lawrence Stroll, der seine Milliarden in der Modebranche gemacht hat, beteiligte sich im vorvergangenen Jahr am WilliamsRennstall. Ebenfalls ein britisches Traditionsteam, ebenfalls seit 2012 sieglos, ebenfalls auf Geldsuche. Und, was ein Zufall, Retter Stroll ist auch Vater eines Nachwuchsrennfahrers. So kam Lance Stroll in der vergangenen Saison im Alter von nur 18 Jahren zu seinem Formel-1-Debüt, vor Jahresfrist holte er in Montreal seine ersten Punkte. Am Ende stand trotz hoher Fehlerquote ein ordentlicher zwölfter WM-Rang. 40 Zähler, das könnte man auf die angeblich 80 Millionen Dollar Firmenbeteiligung umrechnen. In diesem Jahr ist Williams sportliches Schlusslicht. Der Papa soll jetzt über weitere Investitionen nachdenken, am liebsten würde er Mercedes davon überzeugen, den Rennstall als B-Team zu führen, damit sich der Sohnemann besser entwickeln kann.

Michael Schumacher konnte sein Startkapital auch nicht aufbringen

Bezahlfahrer, dass ist im Motorsport kein Schimpfwort. Die meisten Karrieren beginnen damit, dass ein Sponsor seinem Schützling eine Mitfahrgelegenheit kauft. Bei Michael Schumacher war das nicht anders - nur, dass sein Startkapital damals von Mercedes und nicht von Papa Rolf, einem Feuerungsmaurer, kam. Neu ist, dass sich Väter heutzutage gleich ganze Rennställe kaufen können.

Papa Latifi hat in der offiziellen Mitteilung über den Kauf von 888,135 McLaren-Anteilen angegeben, dass er die Marke "schon seit einiger Zeit" bewundere - obwohl er eigentlich als Ferrari-Enthusiast gilt. Zak Brown, der als CEO gerade McLaren umgekrempelt, bemühte sich eilig um den Hinweis, dass hinter Latifis Beteiligung ein rein geschäftliches Interesse stehe. Aber man sollte einen Großinvestor nicht gleich verärgern. Also fügte Brown vieldeutig an: "Nicholas macht sich ganz gut in der Formel 2. Bei McLaren gucken wir immer nach den besten Fahrern." So wie reiche Väter gern nach den besten Fahrschullehrern gucken.

Und genau damit beginnt das hausgemachte Problem: Wer fährt künftig an der Seite von Zugpferd Fernando Alonso? Bislang ist es Stoffel Vandoorne, 26. Ein Talent, das man nach dem Vorbild der weltmeisterlichen Förderung von Lewis Hamilton selbst großgezogen hat. Der Belgier schlägt sich ordentlich, wenn auch nicht überragend. Dazu hat der Rennstall bereits Lando Norris an sich gebunden, eine große britische Hoffnung. Der 18-Jährige führt die Formel-2-Meisterschaft an, ist offizieller Ersatzfahrer für die Formel 1 und wird bereits von anderen Rennställen umworben, aktuell von Toro Rosso. Auf ein Chauffeursgehalt ist auch er nicht angewiesen. Sein Vater konnte sich schon mit 36 aus dem Versicherungsgeschäft zurückziehen, sein Vermögen wird auf 150 Millionen Euro geschätzt.

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