Formel-1-Nation Brasilien:Drei gescheiterte Brasilianer

Vor dem Saisonfinale in Sao Paulo sehnt sich die einstige Formel-1-Nation Brasilien nach einem neuen Idol - einer Figur wie Wunderfahrer und Ex-Weltmeister Ayrton Senna. Doch ob Rubens Barrichello, Felipe Massa oder Bruno Senna - die aktuellen Kandidaten enttäuschen alle.

Elmar Brümmer, Sao Paulo

An dem Bild kommt keiner vorbei, die Fotografen wollen die drei brasilianischen Rennfahrer vor dem Formel-1-Finale in Interlagos unbedingt auf einem Schnappschuss haben. Rubens Barrichello, Felipe Massa und Bruno Senna werden so lange gedrängt, bis sie nebeneinander an der hinteren Bank des Pressekonferenz-Podiums stehen.

Formel-1-Nation Brasilien: Brasiliens Hoffnungen: Felipe Massa (rechts), Bruno Senna (links) und Ruben Barrichello.

Brasiliens Hoffnungen: Felipe Massa (rechts), Bruno Senna (links) und Ruben Barrichello.

(Foto: AFP)

Zweite Reihe, das ist angesichts der aktuellen Leistungen beinahe noch geschmeichelt. Zusammen kommt die Südamerika-Fraktion in 18 Rennen auf 114 Punkte, das ist bei weitem nicht mal ein Drittel der Ausbeute von Champion Sebastian Vettel. Desaströs für eine stolze-Rennfahrer- Nation, deren andere Helden nicht in Punkten, sondern in Titeln gewertet wurden: Ayrton Senna drei, Nelson Piquet drei, Emerson Fittipaldi zwei.

Damit es wenigstens etwas zu feiern gibt für die Formel-1-Gemeinde, wurden am Mittwoch die Feierlichkeiten zur Erinnerung an Sennas letzten WM-Gewinn vor zwanzig Jahren eingeläutet. Und im Autodromo Carlos Pace sagt Michael Schumacher, der große Gegenspieler des letzten erfolgreichen und 1994 in Imola tödlich verunglückten Brasilianers: "Es ist, als ob es erst gestern geschehen wäre. Die Erinnerung ist so frisch, als ob Ayrton noch unter uns weilt."

Kein Landsmann hat dem Druck genügen können, obwohl Barrichello 323 Rennen ausgesessen und damit einen Formel-1-Rekord aufgestellt hat, obwohl Massa am Sonntag seinen hundertsten Grand-Prix-Einsatz für Ferrari feiert und Bruno Senna zumindest den richtigen Nachnamen mitbringt.

Keiner konnte sich vom riesenhaften Schatten des Vorbildes auch nur annähernd befreien. Und das aktuelle Heimspiel wird mal wieder eine diffizile Angelegenheit, wie Massa ahnt: "Dieses Rennen ist wie eine eigene Weltmeisterschaft." Mehr noch. Es geht auch um die Zukunft des Trios.

Massa hat bei Ferrari für 2012 noch ein Jahr Gnadenfrist, in dieser Saison hat der 30-Jährige es nicht einmal aufs Podium geschafft - das ist seit 1992 keinem Scuderia-Piloten mehr passiert. Massa weiß, dass er hinter Fernando Alonso lediglich zweite Wahl ist, und auch das ist für die weitere Zukunft nicht gesichert - Ferrari überlegt angeblich sogar, dem Polen Robert Kubica nach dessen Genesung im nächsten Jahr eine Probefahrt zu erlauben.

Rubens Barrichello ist fast 40, aber Senioren liegen ja im Trend in der Formel 1. In dieser Saison hätte der von seinen Landsleuten gern verhöhnte Rennfahrer richtig Grund zum Jammern. Das ehrwürdige Williams-Team kam nie richtig in Schwung, und sein Teamkollege Pastor Maldonado entpuppte sich als mehr als nur ein Bezahlfahrer. Der Venezolaner soll bleiben, um den zweiten Posten bewerben sich der mögliche Rückkehrer Kimi Räikkönen und Adrian Sutil, dessen Austausch gegen Testfahrer Nico Hülkenberg bei Force India zu erwarten ist.

Schlechter als Nick Heidfeld

Höchstens eine Sponsorenmitgift könnte Barrichellos Verbleib und die Erfüllung seines Lebensplans sichern: "Ich werde nächstes Jahr 40 und bin dann 20 Jahre in diesem Geschäft. Es ist also fast ein Muss für mich, dass ich im nächsten Jahr dabei bin, denn ich mache diesen Job, weil ich ihn voll und ganz genieße." Aber seinen Stolz will er wahren: "Ich werde nicht betteln. Wenn mir einer einen Job gibt, dann wird er es tun, weil er mich will. Ich fühle mich frisch."

Auch Massa findet, dass ein gekauftes Cockpit unwürdig wäre für den Rekord-Mann: "Ich habe ihm gesagt, er sollte aufhören und dieses letzte Rennen für ein ordentliches Ende nutzen, weil es nicht sein kann, dass er nach Geldgebern suchen muss um Rennen zu fahren - nicht nach allem, was er in der Formel 1 erreicht hat."

Bruno Senna macht mit seinen 28 Jahren auf Zuversicht. Kürzlich hat er sich als Dressman für die Wintermode-Kollektion seines Teams in Kaschmir gehüllt. Der Neffe des großen Ayrton ahnt, dass er sich warm anziehen muss. Zukunftsängste kennt er nicht, obwohl er als Ersatz für Nick Heidfeld (34 Punkte) in sieben Anläufen nur zwei Zähler geholt hat.

Senna junior ist wohlerzogen, ums Geld geht es ihm nicht: "Nur der Ruhm verschafft einem ein besonderes Gefühl." Viel Grund und Zeit, das auszukosten, wird er kaum noch haben. Renault wird wohl den Franzosen Romain Grosjean verpflichten.

Die Veranstalter des Rennens in Interlagos haben jedenfalls vorgebeugt: Nelson Piquet wird am Sonntag nicht nur die Zielflagge schwenken, der Formel-1-Weltmeister der Jahre 1981, 1983 und 1987 wird im Rahmenprogramm auch ein paar Runden in seinem alten Rennwagen vom Team Brabham drehen.

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