Formel 1:Nach dem Knall

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Ab 2019 im neuen Formel-1–Anzug: Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo fährt dann für Renault. (Foto: Boris Horvat/AFP)

In der Sommerpause hat die Branche die ersten Personalrochaden vorgenommen. Der Fahrermarkt dürfte aber auch weiter in Bewegung bleiben.

Von Philipp Schneider, Spa-Francorchamps

Vor den Garagen mit den Nummern zehn und elf sieht es am Tag nach den Sommerferien ein bisschen so aus, als würden zwei riesige rote Käfer ihre Panzer zum Trocknen in Richtung Sonne strecken. Das grelle Licht spiegelt sich im Lack der Motorabdeckungen, die die Ferrari-Mechaniker abgenommen und hochkant vor die Garagentore gestellt haben, um ein bisschen Platz zu schaffen. Nebenan, bei den direkten Nachbarn von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen, wird auch geschraubt. Die Techniker von Red Bull arbeiten an den Dienstwagen von Max Verstappen und Daniel Ricciardo, routiniert sieht es aus. Sie schrauben einfach so weiter, als hätte es in der Sommerpause nicht einen lauten Knall in den Garagen des Getränkeherstellers gegeben.

Die Formel 1 ist immer nur ein Geschäft auf Zeit. Das gilt auch für die Fahrerpaarungen. In den Teams können sich Feindschaften oder Freundschaften entwickeln, sehr viel häufiger gibt es Rivalitäten. Vettel beispielsweise wäre sehr froh, hätte er endlich Gewissheit, dass sein Garagenkollege, den er als Freund bezeichnet, auch nächstes Jahr noch neben ihm parken darf. Vettel schätzt Räikkönen. Was auch damit zu tun haben dürfte, dass ihm der Finne auf der Strecke meist assistiert. Verstappen dagegen dürfte zufrieden sein mit der erstaunlichen Entscheidung von Ricciardo, nächstes Jahr ein paar Garagen weiterzuziehen zu Renault. Aus Sicht des 20-jährigen Niederländers ist der charmante Australier ein Fahrer, der in dieser Saison mit demselben Auto 13 Punkte mehr gesammelt hat als er selbst. Und nun? Neun Rennen noch. Dann ist Ricciardo fort, tatsächlich.

Wenn die Sommerferien in der Formel 1 mit dem Rennen in Spa zu Ende gehen, dann beschäftigt sich die Branche mangels wichtiger Themen gerne mit den Urlaubsfotos von Lewis Hamilton. Auch in diesem Jahr hat der WM-Führende selbstredend mehr Eindrücke gesammelt als der Rest der Menschheit, er war ja wieder mal nicht auf Fuerteventura. Hamilton war als Umweltschützer unterwegs, er hat einen riesigen Stoff-Mammut herumgetragen und einen Kindergeburtstag besucht, er hat sich ein Motorradwochenende auf einer Agusta Brutale gegönnt, die etwa so aussieht wie sie heißt, und zwischendurch eine Laudatio auf die verstorbene Sängerin Aretha Franklin gedichtet. Nur in dieser Sommerpause war in der Formel 1 ausnahmsweise mehr los als in Hamiltons Leben.

Zunächst hatte Ricciardo ein Vertragsangebot von Red Bull ausgeschlagen und sich stattdessen für die Garage neben Nico Hülkenberg entschieden. Dann hatte Fernando Alonso Konsequenzen aus seiner anhaltenden Frustration gezogen und beschlossen, am Saisonende vorübergehend die Formel 1 zu verlassen. Sein Rennstall McLaren bediente sich also bei Renault und holte den von Ricciardo verdrängten Carlos Sainz. Red Bull wiederum beförderte Pierre Gasly vom Schwesterteam Toro Rosso an die Seite von Verstappen.

Helmut Marko, Teamberater bei Red Bull, hat sich nun in einem knackigen Interview beim konzerneigenen TV-Sender "Servus-TV" zu Ricciardos Wechsel geäußert. Er nennt ihn eine "ganz merkwürdige Geschichte". Demnach habe ihm Ricciardo noch beim Rennen in Ungarn vor der Sommerpause signalisiert, seinen Vertrag zu verlängern. Eine Woche später hätten sie abermals telefoniert. "Er war schon so komisch in der Stimme. Ich habe ihm gesagt: Komm zur Sache! Wir sind ja erwachsen. Da hat er gesagt: Ich gehe zu Renault." Marko vermutet, dass Renault ihm "einen sehr hohen Betrag" geboten habe - und Ricciardo zudem nicht so sehr an "das Honda-Projekt" geglaubt habe. "Projekt": So nennt Marko den 2019 anstehenden Wechsel des Motorenpartners bei Red Bull, nach zwölf Jahren Zusammenarbeit mit Renault.

Es habe nicht nur einen Grund für seinen Wechsel gegeben, sagte Ricciardo. "Es lag nicht nur am Geld, nicht am Motoren-Deal, es lag allein an mir." Er habe sich, sagte der 29-Jährige, nach zehn Jahren in der Formel 1 schlicht nach einer neuen Herausforderung gesehnt. Dass er trotz zuletzt besserer Resultate als sein Teamkollege bei Red Bull vermutlich für immer im Schatten Verstappens stehen würde, sagte Ricciardo selbstredend nicht. Die zwei hätten sich schließlich wunderbar verstanden. "Wir sind in all den Jahren nur zweimal aneinandergeraten auf der Strecke. Das ist nicht perfekt. Aber auch nicht schlecht."

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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