Formel 1: Monte Carlo:Ein typischer Schumacher

Zurück zu altem Selbstvertrauen oder skrupellos wie eh und je? Der Formel-1-Rekordweltmeister wird wegen eines waghalsigen Manövers in der letzten Runde in Monaco zunächst einmal bestraft.

René Hofmann

Im sechsten Rennen seiner zweiten Karriere sorgte Michael Schumacher für den ersten großen Aufreger. In der letzten Runde des Großen Preises von Monaco überholte der Mercedes-Pilot in der engen Rascasse-Kehre, die sich von der Hafenstraße zur Zielgeraden schlängelt, Fernando Alonso - den Titel-Rivalen von 2005 und 2006 und seinen Nachfolger bei Ferrari. "Das war eine Möglichkeit, warum sollte ich die nicht nutzen", begründete Schumacher den Angriff, der viele Diskussionen auslöste. Denn: Der Aktion war eine Safety-Car-Phase voraus gegangen. Wenn das Auto mit den Blinklichtern das Feld einfängt, ist Überholen verboten.

Michael Schumacher AP

Michael Schumacher.

(Foto: Foto: AP)

Biegt das Safety Car wieder ab, dürfen die Piloten normalerweise ab der Safety-Car-Linie wieder ihre Gegner angreifen. Diese Linie befindet sich einige hundert Meter vor dem Ziel, in Monte Carlo ist sie in der Rascasse-Kurve gezogen. Das Prozedere ist im Artikel 40.11. des sportlichen Reglements niedergelegt. Für den Fall, dass das Safety Car auch in der letzten Rennrunde noch im Einsatz ist, ist allerdings eine Spezialregel angefügt: Artikel 40.13. legt fest, dass das Feld so, wie es ist, über die Ziellinie fahren muss. Denn das Safety Car soll beim Siegerfoto nicht im Bild sein.

In Monte Carlo passierte nun Folgendes: Wenige Runden vor dem Ziel kollidierten der Italiener Jarno Trulli und der Inder Karun Chandhok. Es dauerte, die Trümmer von der Piste zu kehren. Erst in der letzten Runde war das gelungen. Das Safety Car bog ab, und die Lichter, die entlang der Strecke den Fahrern Hinweise geben, sprangen von Gelb (Überholen verboten) auf Grün (Überholen erlaubt). Bei dem Farbwechsel handelte es sich offenbar um einen Fehler der Rennleitung.

"Der Grund für das Safety Car war nicht mehr vorhanden. Das wurde auch durch die grünen Flaggen der Streckenposten verdeutlicht. Deshalb sagten wir unseren Fahrern auf der letzten Runde, sie sollten bis zur Ziellinie voll fahren", sagte Mercedes-Teamchef Ross Brawn. Entsprechend angewiesen griff Schumacher unmittelbar hinter der Safety-Car-Linie Alonso an und fuhr an ihm vorbei.

"Die Autos waren weg. Ich sehe keinen Grund, warum ich das nicht hätte tun dürfen", sagte Schumacher zu dem Manöver, das er klug vorbereitet hatte, indem er seine Reifen durch extremes Zickzack-Fahren aufgeheizt hatte.

Über die Frage, ob in dem Moment Artikel 40.11. galt oder Artikel 40.13., ob also ein Überholverbot herrschte oder nicht, gab es im Fahrerlager offene Differenzen. Schumachers Mercedes-Kollege Nico Rosberg meinte: "Mir wurde auch gesagt, ich soll versuchen zu überholen." An Renault-Pilot Robert Kubica erging ein ähnlicher Hinweis. Andere Rennställe sahen das offenbar anders. "Das war nicht zulässig", sagte Lewis Hamilton, der McLaren-Weltmeister des Jahres 2008, "mein Team hat mir gesagt, dass ich nicht mehr überholen darf."

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Urteilsfindung mit Damon Hill

Die Rennkommissare nahmen Ermittlungen auf. Pikanterweise wurde das Gremium dabei von Damon Hill unterstützt. Mit dem Briten war Schumacher 1994 beim Saisonfinale in Adelaide aneinandergeraten. Damals hatte eine Kollision ihm den Titel und Hill die Niederlage gebracht. "Das wird interessant", sagte Schumacher schmunzelnd in Erwartung des Urteils, das erst gut zwei Stunden nach der Zielankunft gesprochen wurde: Der siebenmalige Weltmeister bekam eine Strafe von 20 Sekunden aufgebrummt, was ihn auf Platz zwölf rutschen ließ. Allerdings kündigte sein Arbeitgeber Mercedes an, die Entscheidung vor dem Berufungsgericht des Autoverbandes anzufechten.

Die Regelhüter begründeten die Rückstufung mit einem Verstoß gegen Artikel 40.13. der "Sporting Regulations". Schumacher hatte zuvor auf die Frage nach den Verkehrsregeln in einem TV-Interview gesagt: "Diese Dinge wie 40.13. habe ich nicht so abgespeichert. Aber die groben Dinge sitzen schon." Übersetzt heißt das: Wenn sich eine Chance bietet, nutze ich die erst einmal. Alles andere wird sich dann schon finden.

Das alte Selbstbewusstsein des Routiniers war in Monaco auch in anderen Szenen zu erkennen. Beispielsweise am Start, als er sich entschlossen an seinem Teamkollegen Nico Rosberg vorbeischob, der ihm am Samstag in der Qualifikation auf der Jagd nach einer guten Zeit unabsichtlich behindert hatte. "Dass ich ihn mir am Start hole, war mir klar, ich stand ja auf der besseren Straßenseite", erklärte Schumacher im Ziel.

Dass er das gewagte Manöver gegen Fernando Alonso ausgerechnet in der Rascasse-Kurve startete, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. An gleicher Stelle hatte Schumacher im Jahr 2006 für Aufregung gesorgt, als er seinen Ferrari in der letzten Qualifikationsrunde quergestellt hatte, was seinem damaligen Titel-Rivalen Alonso im Renault die Chance nahm, den besten Startplatz zu ergattern. Die Szene gilt allen Schumacher-Kritikern heute noch als Beleg dafür, wie skrupellos der erfolgreichste Rennfahrer der Geschichte bisweilen zu Werke geht.

Dass mit Schumacher bis zum letzten Meter zu rechnen ist, ist auch nicht wirklich neu. 2005 hatte er in Monaco auf dem Zielstrich in einer waghalsigen Aktion seinen Bruder Ralf attackiert. "Ein Millimeter mehr und einer von uns hätte tot sein können", hatte der sich nachher beschwert. Auch damals war es bloß um Platz sechs gegangen.

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