Formel 1: Monte Carlo:Bitte ein Fehler!

Michael Schumacher war und ist unbeliebt, bei Sebastian Vettel sucht die Konkurrenz noch nach Angriffsflächen. In Monaco hoffen nun nicht wenige, dass er unter Druck gerät und Fehler macht.

Michael Neudecker, Monte Carlo

Michael Schumacher sitzt da vorne, auf dem Podium im Presseraum der Formel-1-Strecke von Monaco, neben ihm die Kollegen Button, Trulli, Barrichello, Rosberg und Heidfeld, er wird angestrahlt von Scheinwerfern, hinter ihm glänzt die elegant schwarz und lila bemalte Wand. Im Fernsehen sieht das gut aus, modern, professionell irgendwie; aber eben nur im Fernsehen.

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Zwei prägende Figuren der Formel 1: Michael Schumacher und Sebastian Vettel.

(Foto: REUTERS)

Wenn man hinter der Kamera sitzt, dann blickt man in einen schäbigen Raum, mit Stahlrohren an der Decke und fürchterlichen Neonlampen, mit alten gelben Plastikschalen, die penetrant den Raum ausfüllen und so tun, als seien sie Stühle. Die Formel 1 ist genauso, wie sie sich in diesem sonderbaren Raum in Monte Carlo präsentiert, eine eigene Welt mit eigenen Regeln, und die wichtigste Regel ist: Nicht alles ist so, wie es zu sein scheint.

Wenn man hinter der Kamera sitzt, dann wirkt auch Michael Schumacher anders, nicht so souverän und erhaben, wie er im Fernsehen rüberkommt. In echt wirkt Michael Schumacher eher, als sei er gerade dem Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds entstiegen, so unecht, so steif, so unnahbar.

Sebastian Vettel dagegen: Er wirkt, als könne man jederzeit mit ihm ein Bierchen trinken gehen, am besten jetzt gleich. Er ist bald 24, aber er sieht aus wie 19, und wenn man ihm gegenübersitzt, dann kann man gar nicht anders, als ihn sympathisch zu finden.

Aber jetzt fahren sie in Monaco, am Samstag im Qualifying und am Sonntag im Rennen, und es gibt keinen Rennkurs in der Formel 1, der Kollisionen und Konflikte so provoziert wie die Rundfahrt im bemerkenswert eng bebauten Fürstentum.

Michael Schumacher hat hier einmal in den letzten Sekunden des Qualifyings sein Auto in einer Kurve zum Stillstand gebracht, um eine Gelbphase zu bewirken, in der die Fahrer nicht voll fahren dürfen - und damit seinem Gegner Fernando Alonso die Chance zu nehmen, noch eine Pole Position zu erreichen. Auch deshalb hat Alonso damals gesagt, Schumacher sei "der unfairste Fahrer in der Geschichte der Formel 1".

Vettel: ehrgeizig, aber auch stur

Vielleicht ist die Realität bei Michael Schumacher und Sebastian Vettel gar nicht so weit entfernt von ihrer Wirkung, wer weiß das schon. Im Fahrerlager jedenfalls verhält es sich so: Michael Schumacher galt und gilt als rücksichtslos, rüpelhaft, er ist unbeliebt, und das sehr offensichtlich.

Was Vettel angeht: In der vergangenen Saison gab es einen Streit zwischen Vettel und seinem Teamkollegen Mark Webber, der allerdings auch darin begründet lag, dass es einige Kommunikationsfehler in ihrem Team gab. Inzwischen ist Webber zwar immer noch verärgert über manche scheinbare interne Bevorzugung Vettels, aber Leistungssport ist auch ein Feld der Eitelkeiten.

Öffentlich sagt Webber nicht mehr viel über Vettel, er fügt sich, er ist klug genug, um zu wissen, dass die Klarheit der Resultate jede Kritik an Vettel lächerlich erscheinen ließe. Ein wenig aber liegt das auch an Sebastian Vettel selbst: Er bietet einfach keine Angriffsflächen. Er ist gut, freundlich, aber nicht zu freundlich; er ist direkt, geradlinig, aber nicht unfair.

Natürlich, er sei stur, das sagen sie bei Red Bull, seinem Arbeitgeber, er sei enorm ehrgeizig, und selbstverständlich habe er auch den unstillbaren Drang, besser zu sein als alle anderen, egal ob Teamkollege oder nicht. Formel-1-Fahrer sind Instinktmenschen, manchmal sogar Instinkttiere, und wer in diesem Feld Weltmeister wird, der hat den Instinkt des Komromisslosen. Auch dann, wenn er aussieht wie 19.

"In der Formel 1 geht man unter, wenn man kein Egoist ist", hat Sebastian Vettel einmal gesagt, aber gleich darauf hat er auch diesen Satz gesagt: "Formel 1 ist ein Teamsport." Es ist ein Kunststück, die Balance zwischen diesen beiden Tatsachen zu halten, Vettel kann das offenbar.

Schumachers Kontrahenten haben jede Gelegenheit genutzt, ihn öffentlich zu kritisieren, Vettels Kontrahenten sprechen nicht viel über Vettel. Man lobt einander nicht unter Alphatieren, stattdessen beschwert sich die Konkurrenz immer wieder mal beim Weltverband über irgendeine technische Feinheit an Vettels Auto. Kann sein, dass sie Recht haben; kann sein, dass sie nicht wissen, was sie bei Vettel sonst kritisieren sollen.

Nicht, dass Vettel als unantastbar gilt, niemand ist das. Er arbeite auf einem höheren Niveau als alle anderen Fahrer, das sagte kürzlich der Brite Lewis Hamilton in der Welt am Sonntag, was wiederum der deutsche Boulevard erregt als "Arroganz-Attacke auf Vettel" wertete. Hamilton ist der zurzeit einzige, dem zugetraut wird, Vettel unter Druck zu setzen, und darauf, Vettel in Bedrängnis zu sehen, hoffen sie ja alle, auch jetzt, in Monaco. Die Briten, der Boulevard und Mark Webber.

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